Wie Reiseanbieter auf den Fall Warmbier reagieren
23. Juni 2017"Sorry, wir nehmen zurzeit keine Kunden mit amerikanischer Staatsbürgerschaft mit." Das ist die Antwort, die Rubio Chan und seine Mitarbeiter von Eastern Vision jedes Mal geben, wenn sich ein potenzieller Kunde aus den USA für die organisierten Nordkorea-Reisen des Anbieters interessiert. Eine Entscheidung, die das Reiseunternehmen mit Sitz in Hongkong bereits Anfang 2016 getroffen hatte – kurz nach der Festnahme des Studenten Otto Warmbier.
Warmbier wurde in Nordkorea gefangen genommen, weil er in seinem Hotel ein Propagandaplakat zu entwenden versucht hatte. Dafür verurteilte ihn ein nordkoreanisches Gericht zu 15 Jahren Haft mit Zwangsarbeit. Schon kurz nach dem Prozess soll er ins Koma gefallen sein. Was genau zu seinem Zustand führte, ist nicht bekannt. Anfang Juni wurde er aus "humanitären Gründen" freigelassen und zurück zu seiner Familie in die USA gebracht. Dort starb er Anfang dieser Woche. Zur genauen Todesursache wollten seine amerikanischen Ärzte sich nicht äußern. Bekannt ist nur, dass bei Warmbier schwere Hirnschäden diagnostiziert wurden.
Für Rubio Chan ist der Fall eine mahnende Erinnerung. Er zeige, wie groß die Risiken einer Nordkorea-Reise für Amerikaner in Anbetracht der angespannten Situation zwischen Washington und Pjöngjang seien."Die Entscheidung, keine US-Bürger mehr als Kunden für unsere Nordkorea-Touren anzunehmen, war rückblickend genau der richtige Schritt", so der Firmenchef und Mitgründer von Eastern Vision gegenüber der DW. Auch Japaner und malaysische Staatsbürger nimmt der Reiseanbieter aufgrund der sensiblen Lage im Moment nicht mit ins Land.
Mit den Bauern auf dem Feld stehen
Die Zielgruppe von Eastern Vision sind junge Leute, Studenten oder Berufsanfänger. Menschen, die neugierig sind auf Länder, die andere nur von Fotos kennen. Zum Beispiel Iran, Kasachstan, Tibet oder eben Nordkorea. Über 1000 Touristen hat der Anbieter seit seiner Gründung im Jahr 2014 ins Land gebracht – und auch sicher wieder heraus.
Die Sicherheit der Kunden habe oberste Priorität. Vor der Reise werden sämtliche Teilnehmer über die politische Situation im Land, über notwendige Vorsichtsmaßnahmen sowie die unbedingt einzuhaltenden Regeln informiert. Man wolle alles dafür tun, dass niemand versehentlich oder unbedacht einen Fehler begehe. Die Nordkorea-Touren von Eastern Vision seien keine Abenteuertrips, betont Rubio Chan. Sie sollen vielmehr in die Tiefe gehen – durch eher alltägliche Programmpunkte. "Wir wollen - so weit das möglich ist - einen Einblick in das normale Leben in Nordkorea geben. Unsere Teilnehmer kommen beispielsweise mit Schülern und Studenten zusammen, und wir besuchen lokale Landwirte."
Auf der Homepage des Anbieters finden sich wiederholt Hinweise darauf, dass jede Tour unter bestimmten Umständen auch storniert werden kann. Eastern Vision orientiert sich dabei an den Einschätzungen des Sicherheitsbüros von Hongkong, der nationalen chinesischen Tourismusbehörde, des chinesischen Außenministeriums und den Reiseempfehlungen der britischen Regierung. "Sollte es im Land zu einer Notsituation kommen, stehen unsere Experten in Verbindung mit der chinesischen und der britischen Botschaft in Pjöngjang", steht dort außerdem.
Reisewarnungen in regelmäßigen Abständen
Eine US-amerikanische Botschaft gibt es in Pjöngjang natürlich nicht, die USA werden in Nordkorea offiziell durch Schweden vertreten. Das Washingtoner Außenministerium rät regelmäßig in Reisewarnungen auf seiner Homepage dringend von Reisen nach Nordkorea ab. "Amerikanische Staatsbürger riskieren für Handlungen, die in den USA nicht als gesetzeswidrig eingestuft werden, eine Festnahme und langjährige Haftstrafen nach nordkoreanischem Strafrecht." Da die USA keinerlei diplomatische oder konsularische Beziehungen zu Nordkorea unterhalten, sei es der Regierung auch nicht möglich, in Schwierigkeiten geratenen Bürgern so zu helfen wie in anderen Ländern.
"Mindestens 16 US-amerikanische Staatsbürger wurden in den vergangenen zehn Jahren in Nordkorea inhaftiert und festgehalten, sowohl Einzelpersonen als auch Teilnehmer von organisierten Gruppenreisen. Teil einer solchen Gruppe zu sein schützt nicht vor einer Verhaftung", heißt es außerdem in der jüngsten Reisewarnung vom 9. Mai 2017. Auf Internetseiten von Reiseunternehmen wird Nordkorea dagegen gern als sicheres Reiseland dargestellt. Entgegen der öffentlichen Darstellung sei das Land wahrscheinlich "einer der sichersten Orte der Welt". So steht es auch heute noch auf der Seite des 2008 in China gegründeten Unternehmens Young Pioneer Tours. Es ist der Anbieter, mit dem Otto Warmbier in Nordkorea war.
Wohlbehalten rein ins Land – und wieder raus
Man habe in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es einen großen Unterschied gebe zwischen der Berichterstattung der Medien und der touristischen Realität im Land, sagt auch Rubio Chan. "Die Nachfrage ist auch immer ein Stück weit abhängig von äußeren Einflüssen, beispielsweise politischen Spannungen oder saisonalen Faktoren. Nach der Verhaftung von Otto Warmbier haben wir keinen Rückgang verzeichnet. Durch den tragischen Ausgang der Geschichte halte ich es allerdings für möglich, dass mehr Menschen sich Sorgen um ihre Sicherheit im Land machen."
Inwieweit die am Ende tödliche Reise von Otto Warmbier spürbare Auswirkungen auf den Nordkorea-Tourismus haben wird, muss sich erst zeigen. Verschiedene Reiseanbieter jedenfalls haben bereits reagiert – und gehen ähnliche Wege wie Eastern Vision im vergangenen Jahr. Wambiers Anbieter Young Pioneer Tours zog Konsequenzen und teilte via Facebook mit, man werde keine amerikanischen Touristen mehr ins Land mitnehmen.
Auf der Website wirbt die Firma aber trotz allem weiter für ihre Nordkorea-Touren. "Preisgünstige Reisen zu Zielen, von denen eure Mutter euch abraten würde". Aufgrund der Erfahrung, der exzellenten Beziehungen im Land und des Spaßfaktors sei Young Pioneer Tours die "beste Wahl" für eine Nordkorea-Reise. Weitere Ziele des Anbieters, bei denen Mütter vermutlich auch Bauschmerzen bekommen, sind Afghanistan, Eritrea und Tschernobyl.
Ein unangenehmes Thema für Reiseanbieter
Auch zwei bereits seit den 1990er Jahren in Nordkorea operierenden Anbieter gaben nach dem Tod Otto Warmbiers bekannt, dass sie in Anbetracht der jüngsten Ereignisse ihre Richtlinien überdenken würden. Das britisch geführte Unternehmen Koryo Tours mit Sitz in China teilte schriftlich mit, man überlege gemeinsam mit Partnern und ausländischen Organisationen im Land, ob man auch weiter US-amerikanische Touristen mitnehmen solle.
Genauso sieht es auch bei Uri Tours aus. Der Anbieter mit Standorten in den USA und China prüft ebenfalls derzeit seine Position. Interviews rund um das Thema werden nicht gegeben, auf Anfrage verwies Uri Tours auf sein offizielles Pressestatement. Die DW-Anfrage bei einem deutschen Anbieter für Nordkorea-Reisen blieb ohne Antwort.