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KunstUkraine

Wie Museen in der Ukraine ihre Zukunft nach dem Krieg planen

Elizabeth Grenier
11. Juni 2024

Krieg und Zerstörungen legen die Ukraine lahm. Trotzdem planen die Museen bereits den Wiederaufbau - und denken darüber nach, wie der Krieg ihre Rolle neu definiert.

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Ein Mann geht durch das Kunstmuseum von Cherson, das durch russische Angriffe in der Ukraine beschädigt wurde.
Spuren der Beschädigung des Kunstmuseums von Cherson durch russische Angriffe in der UkraineBild: Wojciech Grzedzinski/Anadolu/picture alliance

Der Mai 2024 war für die Ukraine ein harter Monat. Russland intensivierte seinen Angriffskrieg. Trotz der dauernden Bedrohung und steter Bombardements planen viele Ukrainer bereits ihre Zukunft nach dem Krieg. Ende Mai trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der Museen des Landes zu einer zweitägigen Konferenz in Berlin. Unter dem Titel "Von der Krise in die Zukunft: Neue Aufgaben für Museen in der Ukraine" wurde die Konferenz von OBMIN initiiert, einer Stiftung mit Sitz in Warschau, die 2022 gegründet wurde und als Plattform für mehr als 100 Museen aus allen Teilen der Ukraine dient.

Die orthodoxe Kirche in Bohorodychne wurde zerstört. Der Dachstuhl ist eingestürzt.
Zerstört: Die orthodoxe Kirche in BohorodychneBild: Maxym Marusenko/NurPhoto/picture alliance

Bei der Veranstaltung, die als größte Zusammenkunft ukrainischer Museumsfachleute seit der vollständigen russischen Invasion des Landes seit Februar 2022 bezeichnet wurde, diskutierten Expertinnen und Experten aus der Ukraine, Polen und Deutschland ihre Ideen für die Restaurierung des Kulturerbes in der nahen und in der fernen Zukunft.

Punkteplan für Wiederaufbau der Museen in der Ukraine

Die Delegiertinnen und Delegierten erarbeiteten zehn konkrete Vorschläge, wie Museen zum Wiederaufbau der Ukraine beitragen und die Zivilgesellschaft stärken können.

Die Vorschläge sollen auf der Ukraine Recovery Conference vorgestellt werden, einer internationalen Tagung, die in diesem Jahr am 11. und 12. Juni in Berlin stattfindet. Diese hochrangige politische Veranstaltung wird sich mit verschiedenen Themen im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Ukraine befassen. Nach Angaben des OBMIN wurden seit Beginn der russischen Invasion 102 ukrainische Museen und Galerien beschädigt, von denen zwölf vollständig zerstört wurden. Darüber hinaus wurden 1.062 Kulturdenkmäler durch den Krieg beschädigt. Davon sind 123 von nationaler und 864 von lokaler Bedeutung.

Blick in die zerstörte Verklärungskathedrale nach einem Raketenangriffen in Odessa
Verklärungskathedrale in Odessa nach Raketenangriffen stark beschädigtBild: Nina Liashonok/REUTERS

Der Angriff auf das kulturelle Erbe ist seit langem eine Kriegsstrategie; die russischen Besatzer versuchen damit, die ukrainische Identität zu zerstören. Auch gezielte Angriffe auf Museumsdirektoren gehörten dazu, erklärte Milena Chorna, Expertin der Untergruppe für den Schutz des ukrainischen Kulturerbes bei der Europäischen Kommission und Leiterin des ukrainischen Museumsverbandes.

Da die Museumsmitarbeiterinnen und - mitarbeiter in den besetzten Gebieten blieben, um ihre Sammlungen zu schützen, wurden viele von ihnen von den russischen Streitkräften entführt und gezielt "als Führer ihrer Gemeinschaft und als Meinungsbildner" ins Visier genommen, so Chorna im DW-Interview. Ziel sei es gewesen, sie zur Kooperation mit den Russen zu bewegen. "Da sie meist nicht bereit waren, wurden sie psychisch und physisch unter Druck gesetzt." Zwei Museumsdirektorinnen und -direktoren seien bei russischen Angriffen getötet worden. Glücklicherweise, so die Kulturexpertin weiter, seien die meisten Museumsmitarbeiter inzwischen aus den besetzten Gebieten abgezogen worden.

Museen als "dritte Orte" für Begegnungen

Andrea Jürges vom Architekturmuseum Frankfurt sprach in einem inspirierenden Vortrag darüber, wie Museen der Zukunft eine neue Vision entwickeln sollten, die über die traditionelle Rolle hinausweist. Sie sprach von "dritten Orten", als Orten der Begegnung und der Diskussion. Museen müssten zur Stärkung der Zivilgesellschaft beitragen.

Yuliia Vaganova, stellvertretende Direktorin des Khanenko-Museums in Kiew, berichtete von ihren Erfahrungen. Ihr Haus, das ebenfalls durch einen russischen Raketenangriff beschädigt wurde, habe bereits als "dritter Ort" fungiert. Zu Beginn des Krieges öffnete sie ihre Räumlichkeiten für die Öffentlichkeit, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam Tee zu trinken und sich aufzuwärmen. Später organisierte das Chanenko-Museum eine spezielle Oper, die die Besucher durch die leeren Ausstellungsräume des Museums führte, da alle Kunstwerke entfernt worden waren, um sie vor Raketenangriffen zu schützen.

Bei einem russischen Raketenangriff wurde auch das Museum in Kupiansk zerstört.
Bei einem russischen Raketenangriff wurde auch das Museum in Kupiansk zerstörtBild: REUTERS

Auch Oleksandr Kostin, amtierender Direktor der Abteilung für Kultur und Tourismus der Militärverwaltung der Region Charkiw, zeigte die konkreten Bedürfnisse für den Wiederaufbau der beschädigten Museen auf. Die von ihm genannten Maßnahmen - wie die Planung von Bunkern und barrierefreien Zugängen für die vielen Menschen, die durch den Krieg behindert wurden, sowie die Suche nach Wegen, die Menschen, die das Kriegsgebiet verlassen haben, zur Rückkehr zu bewegen - erinnern an den geschwächten Zustand der Region.

Berlin als Vorbild für den Wiederaufbau nach dem Krieg

Schon der Tagungsort selbst war ein Beispiel für den langen Atem, den der Wiederaufbau kriegszerstörter Kultureinrichtungen erfordert, wie Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in seiner Eröffnungsrede betonte.

Milena Chorna, Expertin für die Rettung des Welterbes in der Ukraine
Milena Chorna, Expertin für die Rettung des Welterbes in der UkraineBild: Elizabeth Grenier/DW

Tagungsort war eines der jüngsten Häuser auf der Berliner Museumsinsel, die James-Simon-Galerie. Das gesamte Museumsensemble musste nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut werden - und wurde 1999 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.

Ehrgeizige Vision

Das von den Konferenzteilnehmern erarbeitete "OBMIN-Dokument" hat den Titel: "Wiederaufbau der Ukraine und Stärkung der Zivilgesellschaft: 10 Grundprinzipien der ukrainischen Museen". Es zeigt, dass die Ukraine trotz aller gegenwärtigen Schwierigkeiten optimistisch in die Zukunft blickt. So wird in einem der Prinzipien hervorgehoben, wie der Wiederaufbau der Ukraine aussehen könnte.

Der Wiederaufbau der Ukraine könnte beitragen, die Museen des Landes "zu den modernsten und besucherfreundlichsten der Welt" zu machen. Wie es in dem Dokument weiter heißt, haben viele Museen in den derzeit besetzten Gebieten infolge des Krieges große Fortschritte bei der Digitalisierung ihrer Sammlungen gemacht.

Pressevorführung der "GENESIS. OPERA of Memory" im Khanenko-Museum
"Genesis. Oper der Erinnerung" - aufgeführt im Khanenko-Museum in KiewBild: Hennadii Minchenko/Avalon/Photoshot/picture alliance

Wie Yuliia Vaganova in einer der Podiumsdiskussionen betonte, liege die Zukunft der Museen auch darin, das Land wieder sicher zu machen, und dazu gehöre auch, der Ukraine mit Waffen zu helfen, sich gegen Russland zu verteidigen.

Polen fürchtet Ausweitung des Krieges

Inzwischen fühlt sich auch Polen einer Kriegsgefahr ausgesetzt. Die Teilnehmerin, Barbara Golebiowska vom Maria-Sklodowska-Curie-Museum in Warschau, sagte der DW, sie sehe die Konferenz nicht nur als Gelegenheit, sich mit ukrainischen Kollegen zu vernetzen und zu sehen, wie sie ihnen helfen könne, sondern auch, um von ihnen zu lernen, falls es zu einem Krieg im eigenen Land käme.

"In Polen denken wir jetzt jeden Tag an den Krieg, und als Leiterin einer Kultureinrichtung ist das für mich ein sehr wichtiges Thema", sagte sie. "Es ist schrecklich, aber ich denke, wir sollten vorbereitet sein - und im Idealfall natürlich den Krieg verhindern."

Übersetzung aus dem Englischen von Sabine Oelze