Wie können Syriens C-Waffen vernichtet werden?
17. September 2013Chemiewaffen gehören zu den grausamsten Kriegswaffen. In Granaten oder Raketen verschossen, in Bomben abgeworfen oder von Flugzeugen versprüht, töten sie qualvoll, verwunden dauerhaft und können je nach Typ Gebiete langfristig verseuchen.
Vielen Militärstrategen ging es bei einem C-Waffeneinsatz vor allem um eine möglichst große Anzahl Verletzter oder eben um die Verseuchung von Arealen. So sollten das gegnerische Gesundheitssystem überlastet, Waffen unbrauchbar, Versorgungslinien unterbrochen oder Frontabschnitte gegen Angriffe geschützt werden.
Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, in dem zunächst vor allem Chlor- und Phosgenverbindungen und später auch das Hautgift Schwefellost eingesetzt wurden, führten 1925 zu einem internationalen Vertrag. Er verbot auch den Einsatz chemischer Kampfstoffe. Jedoch regelte dieses Genfer Protokoll nicht die Erforschung, Herstellung und Lagerung von Chemiewaffen. Erst nach Ende des Kalten Krieges ist man dann auch den letzten Schritt gegangen: Seit 1997 verbietet eine UN-Konvention auch den Besitz von Chemiewaffen. 189 Staaten haben sich dem Abkommen angeschlossen.
Know-How aus Deutschland
In den 72 Jahren zwischen beiden Verträgen häuften zahlreiche Staaten riesige C-Waffen-Arsenale an. Laut der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) gab es weltweit mindestens 71.196 Tonnen chemische Kampfstoffe und 8,67 Millionen Stück an C-Waffen-Munition. Seit den 1990er Jahren werden diese Kampfstoffe und deren Munition vernichtet - auch mit deutschem Know-How.
Im niedersächsischen Munster beispielsweise zerstört das bundeseigene Unternehmen GEKA Weltkriegsmunition mit chemischen Kampfstoffen. Und die Firma Eisenmann aus Böblingen in Baden-Württemberg baute in Russland, Albanien und Japan Anlagen, um unterschiedliche chemische Kampfstoffe zu vernichten. Dabei, erklärt Eisenmann-Senior-Manager Uwe Neumann im Gespräch mit der Deutschen Welle, habe sein Unternehmen Erfahrungen sammeln können. Unter anderem mit chlor- und arsenhaltigen Kampfstoffen, aber auch mit phosphororganischen Nervengiften wie Sarin oder VX.
Vereinfacht gesprochen, würden die Kampfstoffe vernichtet, indem sie verbrannt werden, so Neumann weiter. "Das ist ein sehr heißer Ofen mit einer Verbrennungstemperatur von etwa 1200 Grad Celsius." Wenn der Kampfstoff im Reaktor verwirbelt und entsprechend lange bei hohen Temperaturen im Inneren bleibt, ist er im Anschluss vernichtet. Übrig bleibt sogenanntes Rauchgas, das noch Schadstoffe enthält. Mit unterschiedlichen Verfahren wird dieses Abgas dann gereinigt. "So wird gewährleistet, dass die Grenzwerte der Europäischen Union eingehalten und sogar unterschritten werden", sagt Neumann.
Anlagen unterscheiden sich je nach Kampfstoff
Wie die Anlage konstruiert ist, hängt vom Ausgangsstoff ab. "Die Anlagen unterscheiden sich in der Auslegung der Rauchgasreinigung." Es kann aber auch sein, dass der erste Anlagenteil, der Turbulenzreaktor, anders konstruiert sein muss. Nervengifte wie Sarin und VX sind phosphororganische Verbindungen, die bei hohen Temperaturen anders als beispielsweise Chlorgase oder das Hautgift Schwefellost reagieren. "Bei der Verbrennung von phosphororganischen Kampfstoffen müssen wir mit flüssigen Salzen rechnen. Diese flüssigen Salze müssen die Reaktorwand hinunterfließen, damit sie sicher aus dem System geholt werden können", erläutert Neumann.
Die Verbrennung ist aber erst der letzte Schritt bei der Vernichtung von Kampfstoffen. Zunächst müsse der Stoff von der Munition getrennt werden, sagt Chemiewaffenexperte Ralf Trapp im DW-Interview. "Man muss Granaten und Bomben öffnen und den Kampfstoff herausholen. Erst dann kann er in eine Vernichtungsanlage eingefahren werden." Auch dieser Arbeitsschritt ist gefährlich, bedarf spezieller Techniken und kostet Zeit.
Zwischenschritt könnte C-Waffen unbrauchbar machen
Um Chemiewaffen zunächst für das Militär unbrauchbar zu machen, wäre eine andere Lösung denkbar, vorausgesetzt die Gifte sind von der Munition getrennt. "Man kann mit chemischen Mitteln eine Vorentgiftung vornehmen. Dann hat man ein Reaktionsgemisch, das zwar unter Umständen noch toxisch ist, aber als Kampfstoff so nicht mehr eingesetzt werden kann. Am Ende wird der Stoff dann endgültig vernichtet", erklärt Trapp, der auch für die OPCW arbeitete.
Uwe Neumann plädiert dagegen für eine direkte Vernichtung durch Verbrennen. So könne der Prozess schneller abgeschlossen werden - gerade mit Blick auf Syrien. Allen Berichten zufolge sind die dortigen C-Waffen auf viele Lagerorte verteilt, was für Naumann gegen eine zentrale Anlage spricht. "Es wäre aus meiner Sicht wahrscheinlich sinnvoller, über mehrere dezentrale Anlagen nachzudenken. So minimiert man die Transportwege und damit das Transportrisiko."
Vernichtung innerhalb von zwei Jahren möglich?
Grundsätzlich sieht Neumann die Möglichkeit, in Syrien Chemiewaffen zu zerstören. "Wenn wir 1000 Tonnen annehmen, dann gehe ich aus heutiger Sicht nach der Errichtung der Anlagen von einer Entsorgungsdauer von bis zu einem Jahr aus. Der Bau kleinerer dezentraler Anlagen, vorausgesetzt es gibt keine Probleme mit der Infrastruktur und alle Ampeln stehen auf Grün, würde wahrscheinlich zusätzlich ein Jahr dauern."
Ob Syrien tatsächlich seine C-Waffen vernichten wird, ist immer noch offen. Sollte es aber dazu kommen, so hat die Technologie zur Vernichtung von Kampfstoffen ihren Preis. Es gebe eine Faustformel mit einem ungefähren Anhaltspunkt, so Neumann. "Demnach müssen Sie mindestens mit dem Zehnfachen an Kosten für die Vernichtung rechnen, im Vergleich zu dem, was die Herstellung gekostet hat."