Wie Google Earth gegen Ökoverbrechen hilft
12. Januar 2021Die Liste der Umweltverbrechen im Nahen Osten ist lang: Behelfsmäßige Ölraffinerien, die die Luft Nordsyriens verschmutzen, Wilderei von seltenen Tieren im Jemen und Unternehmen, die Abfälle direkt in die irakischen Wasserwege pumpen sind nur einige Beispiele von vielen. Wie man diese Umweltverbrechen erfassen, geschweige denn die Verantwortlichen bestrafen kann, ist fraglich.
Doch seit kurzem wird dafür die sogenannte Open-Source-Intelligence genutzt - also frei verfügbare Informationen, von Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram bis hin zu öffentlich zugänglichen Satellitenbildern und Kartenmaterial von Google Earth.
Die Methode ist nicht ganz neu - und hat sich aus der Forschung über die Auswirkungen von kriegerischen Konflikten auf die Umwelt entwickelt, erklärt der Wissenschaftler Wim Zwijnenburg, der für die niederländische Menschenrechtsorganisation Pax arbeitet. Schon oft ist die Natur auch Kriegsopfer geworden: In Syrien ist beispielsweise die Ölindustrie gezielt angegriffen worden, Ölteppiche breiteten sich sogar auf den Flüssen aus. Zudem wurden auch Wasseraufbereitungsanlagen zerstört.
"Eines der Probleme, auf die wir gestoßen sind, war, verlässliche Daten zu bekommen. Soziale Medien und frei verfügbare Satellitenbilder halfen uns, ein klareres Bild zu bekommen", analysiert er. Diese Werkzeuge sollen nun auch bei der Suche nach Umweltverschmutzungen helfen, die nicht im Zusammenhang mit einem Krieg entstanden sind.
Keine systematischen Dokumentationen
Zwijnenburg hat mehrere Berichte veröffentlicht, die unter Verwendung von Open-Source-Daten auf der vom Recherchenetzwerk Bellingcat betriebenen Webseite zusammengestellt wurden. Seine Untersuchungen beschäftigen sich unter anderem mit der Verschmutzung der Wasserstraße Shatt al-Arab im Südirak, den Öllecks im Iran und der Luft- und Bodenverschmutzung durch provisorische Ölraffinerien im Norden Syriens.
Einige der Informationen seien bereits bekannt, vor allem innerhalb des Landes, räumt Zwijnenburg ein. Aber in vielen Fällen habe es bisher keine systematische Dokumentation gegeben, weil die Behörden nicht den Willen oder die Kapazität hätten, sie zusammenzustellen.
Langsame Trends, große Umweltauswirkungen
Oft gehe es auch darum, langfristige Trends zu betrachten, ergänzt Doug Weir, Direktor für Forschung und Politik beim Conflict and Environment Observatory (CEOBS) mit Sitz in Yorkshire, Großbritannien. Mit einer Reihe von Satellitendaten von Planet Labs und Google Earth "kann man Einblicke in etwas bekommen, das sich vielleicht nur langsam bewegt, aber große Auswirkungen hat." Wenn möglich, wird die Recherche immer durch Augenzeugen unterstützt.
Satellitendaten werden auch genutzt, um Fischerei- oder Forstkriminalität zu untersuchen, erklärt die niederländische Anwältin Pauline Verheij von der Kanzlei EcoJust. Gesperrte Bereiche des Meeres oder des Waldes sind klar gekennzeichnet. Satellitendaten helfen, das Eindringen von Fischerbooten oder illegale Abholzung zu dokumentieren.
Verheij selbst nutzte soziale Medien, als sie für die Wildlife Justice Commission, eine von ihr mitgegründete Ermittlungsorganisation, einen Fall über vietnamesische Wilderer zusammenstellte. "Die Leute warben offen für illegale Wildtierprodukte auf Facebook und WeChat", sagt sie.
Auch im Jemen kam Facebook zum Einsatz. Eine lokale Umweltgruppe hat die Wilderei von seltenen, einheimischen Tieren dokumentiert, indem sie dort Bilder, veröffentlichte, auf denen Jäger mit toten Leoparden posieren.
Werden die Kriminellen angeklagt?
Aber können all diese Beweise vor Gericht verwendet werden? "Die kurze Antwort ist: Ja", sagt Verheij. "Aber es hängt wirklich von der Gerichtsbarkeit ab. Sie müssen einen lokalen Staatsanwalt oder eine Strafverfolgungsbehörde finden, die an Umweltverbrechen interessiert ist."
Und das, so Verheij weiter, sei der frustrierende Teil. "Viele dieser Verbrechen werden in Ländern begangen, in denen es eine schwache Regierungsführung gibt, kein Interesse an diesen Themen oder Korruption. An manchen Orten verdienen Regierungsbeamte eine Menge Geld, indem sie diese Verbrechen erleichtern."
Auch wirtschaftliche Interessen spielten eine Rolle. "Im Irak ist die Ölindustrie eine wichtige Einnahmequelle, da ist es schwierig, kritisch zu sein", fügt Zwijnenburg hinzu.
Die Umwelt, oft nicht wichtig genug
Hinzu kommt, dass Umweltverbrechen häufig für die Justiz keine Priorität haben. Im Irak zum Beispiel setzten Mitglieder der Terrorgruppe "Islamischer Staat" Ölquellen in Brand. Einige Täter wurden vor irakischen Gerichten angeklagt, die Umweltverbrechen spielten dabei jedoch keine Rolle, so Doug Weir.
Auch wenn es oft auswegslos erscheint: Für die niederländische Anwältin Pauline Verheij ist ihre Arbeit dennoch wichtig. "Sie kann sicherlich dazu beitragen, das Bewusstsein zu schärfen, auch für die Nachfrageseite - also dafür, wer diese Dinge kauft oder von diesen Verbrechen profitiert."
Aus dem Englischen adaptiert von Stephanie Höppner.