Wie geht es weiter im Camp Moria auf Lesbos?
30. September 2019Nach einem Feuer im chronisch überbelegten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos wird der Ruf nach Konsequenzen lauter. Die Vereinten Nationen forderten von der Regierung in Athen "sofortige" Abhilfemaßnahmen. Die Überführung von Flüchtlingen auf das Festland müsse "beschleunigt" und die Lebensbedingungen in dem Lager müssten "verbessert" werden, sagte der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Boris Cheshirkov.
Das Camp Moria ist für 3000 Menschen ausgelegt, dort halten sich derzeit aber rund 13.000 Migranten auf. Das Lager hat sich über die Jahre zu einer Art Kleinstadt entwickelt. Die Zelte, in denen die Migranten wohnen, ziehen sich bis in die umliegenden Olivenhaine hinein. Ein Teil der Bewohner lebt in Containern.
Tödliches Feuer
Am Sonntag gerieten mehrere dieser Container in Brand. Dabei kam mindestens eine Frau ums Leben, womöglich verbrannten auch ihre beiden Kinder. Unter Berufung auf das Gesundheitsministerium schrieb die Athener Zeitung "Kathimerini", dass neun Männer, sechs Frauen und vier Kinder mit Verletzungen behandelt wurden.
Die Tragödie löste teils gewaltsame Proteste der Bewohner des Lagers aus. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Lage unter Kontrolle zu behalten. Aus Athen wurden mit Armeehubschraubern zusätzliche Sicherheitskräfte nach Lesbos geflogen. Noch am Montag sollen laut UNHCR 247 Migranten von Lesbos auf das Festland gebracht werden.
Es kommen wieder mehr Migranten
Auf den der Türkei vorgelagerten Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos sind derzeit rund 30.000 Flüchtlinge unter teils prekären Umständen untergebracht, weil der Zustrom von Migranten aus der Türkei zuletzt zugenommen hat. Es ist die höchste Zahl an Migranten, die seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingspaktes im März 2016 auf diesen Inseln lebt. Noch im April war die Zahl der Migranten auf den Inseln auf 14.000 zurückgegangen.
Mit Blick auf die Zustände in Moria erklärte nun die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" auf Twitter: "Keiner dieser Menschen sollte hier sein - vor allem nicht die Kinder." Die Flüchtlinge auf Lesbos müssten unverzüglich an einen sicheren Ort gebracht werden, um weitere Tragödien zu verhindern.
"Ausweglose Lage"
Wer tausende Menschen in einer "ausweglosen Lage" festsetze, sei "mitverantwortlich", wenn die Lage eskaliere, erklärte die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Den Schutzsuchenden werde zum Teil über Jahre hinweg der Zugang zu einem fairen Asylverfahren verweigert.
"Die EU kennt die dramatischen Zustände auf den griechischen Inseln seit Jahren", betonte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke. Diese "schrecklichen Lager" müssten sofort geschlossen werden. Die Bundesregierung dürfe Griechenland nicht mit den aus der Türkei ankommenden Flüchtlingen alleine lassen.
Berlin pocht auf Rückführungen
Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete den Brand im Moria-Camp als "Tragödie, die auch uns bestürzt". Die griechische Regierung arbeite derzeit intensiv an Lösungen angesichts der zum Teil sehr schwierigen Lage auf den Inseln, und die Europäische Union stehe bereit, substanzielle Hilfe zu leisten. Ein Schlüssel sei dabei in der EU-Türkei-Erklärung zu finden: So müsse die Zahl der Rückführungen rasch und deutlich gesteigert werden.
Das EU-Türkei-Abkommen wurde im März 2016 geschlossen, um die illegale Überfahrt von Flüchtlingen in Booten über die Ägäis nach Europa zu stoppen. Die Vereinbarung sieht vor, dass in Griechenland anlandende Bootsflüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt werden. Für jeden syrischen Flüchtling, der darunter ist, soll die EU einen anderen Bürgerkriegsflüchtling aus der Türkei aufnehmen. Die Bearbeitung der Asylanträge kommt wegen Personalmangels jedoch auf den griechischen Inseln nur mühsam voran.
Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums von Mitte September wurden aber seit Inkrafttreten der EU-Türkei-Erklärung nur 1905 Flüchtlinge zurück in die Türkei gebracht. Nach Angaben der Bundesregierung aus dem Frühjahr wurden 2018 im Rahmen des Abkommens 322 Asylsuchende abgeschoben, fast 5000 haben im selben Jahr Griechenland freiwillig verlassen.
kle/gri (afp, epd, dpa)