Wie gefährlich ist die AfD in der EU?
14. Juni 2019"Unter den europäischen Rechtsparteien ist die AfD bislang wenig einflussreich und angesehen", sagt der Politologe Claus Leggewie. Obwohl die Partei schon seit fünf Jahren im Parlament sitzt. Sie stand sich selbst im Weg. Von ursprünglich sieben Abgeordneten blieb nur einer übrig: Jörg Meuthen. Die anderen traten nach und nach aus der AfD aus.
Nun nimmt die AfD im Europaparlament neuen Anlauf - mit zehn Abgeordneten und Meuthen an der Spitze. Meuthen ist auch noch Bundessprecher der Partei, zusammen mit Alexander Gauland. Jemand, der sich für die "kleinen Leute" zuständig fühlt, jemand für den Mittelstand, ein Islamkritiker, ein bekennender Christ, ein Rechtsintellektueller, jemand vom radikalen Parteiflügel, jemand aus dem Osten, Gemäßigte. Als die Tickets für Brüssel vergeben wurden, wollten alle Gruppen vertreten sein. Ob und wie schnell aus ihnen ein echtes Team wird? Die AfD streitet sich gern untereinander bis zur Blockade. Parlamentserfahrung fehlt den meisten.
AfD zahlenmäßig im Mittelfeld in der Fraktion
Die AfD wechselt nun die Fraktion und rutscht auf Plätze noch weiter rechts im Parlament. Die Fraktion "Identität und Demokratie" ist jetzt die politische Heimat der AfD. Dort liegen die Deutschen zahlenmäßig im Mittelfeld. Mit 28 Abgeordneten führen die Italiener von der Lega, gefolgt von den Franzosen vom Rassemblement National mit 22 Abgeordneten. Beide Parteien gingen in ihren Ländern jeweils als Gewinner aus der Europawahl hervor. Die Lega stellt in Straßburg den Fraktionsvorsitzenden. Die AfD blieb leicht unter dem Ergebnis der jüngsten Bundestagswahl.
Der Einfluss der AfD in der neuen Fraktion dürfte aber nicht nur wegen ihres vergleichsweise bescheidenen Wahlergebnisses in der Heimat begrenzt bleiben, sondern auch wegen "anti-germanischer Aversionen" in Brüssel, wie sie Leggewie nennt. Auch im Lager der Populisten kennt man die Sorge vor einer deutschen Dominanz.
Oppositionsrolle setzt Grenzen
Das 88-seitige Europa-Wahlprogramm der AfD steht in vielen Punkten im Gegensatz zu dem anderer Rechtspopulisten. Inhaltliche Gräben zwischen den neuen Partnern sind schon jetzt sichtbar. In der ersten gemeinsamen Pressekonferenz lagen beispielsweise die Meinungen zum Euro recht weit auseinander. Während Jussi Halla-aho von der Partei Die Finnen die Gemeinschaftswährung ganz abschaffen will, sagte Harald Vilimsky von der österreichischen FPÖ: "Wir brauchen den Euro für unseren Wohlstand." Ein Streitpunkt sind auch die EU-Strukturhilfen. "Deutsche Interessen, wenn sie nicht supranational und multilateral ausgerichtet sind, unterscheiden sich von französischen, spanischen und polnischen, erst recht von italienischen", sagt Leggewie. "Eine haltbare Allianz kommt so kaum zustande."
Bislang war vor allem zu hören, was man nicht will: keine neuen Migranten, keinen EU-Superstaat. Das soll als kleinster gemeinsamer Nenner zusammenschweißen.
Im Wahlkampf hatte Jörg Meuthen zusammen mit Matteo Salvini von einer künftigen "Superfraktion" gesprochen, in der sich alle Populisten und EU-Skeptiker zusammenfinden sollten. Dieses Ziel wurde verfehlt. Immerhin sind aus bisher drei rechten Fraktionsgruppen zwei geworden.
Trotzdem: große Bühne garantiert
Doch das EU-Parlament bedeutet für die AfD mehr, als über Gesetze zu debattieren. Es bietet eine große Bühne zur Selbstdarstellung. "Die AfD kann sich wichtig machen und über ihre Stagnation und Probleme in Deutschland hinwegtäuschen", sagt Leggewie. Denn sie sitzt jetzt mit den Populisten-Stars aus ganz Europa zusammen. Das neue Umfeld sehe die Partei als "Basis für weitere Erfolge in Deutschland".
Die AfD hofft außerdem darauf, von anderen Rechtspopulisten, die zum Teil schon seit Jahrzehnten in ihren Herkunftsländern im politischen Geschäft sind, zu lernen. Die EU-Ebene bietet dafür den Erfahrungsaustausch. Damian Lohr, der Vorsitzende der AfD-Parteijugend Junge Alternative, hofft sogar schon auf eine länderübergreifende Jugendorganisation der neuen Fraktion. Doch wie groß die ideologischen Schnittmengen und Unterschiede wirklich sind, das wird nun die konkrete Parlamentsarbeit zeigen.