Wie Europas Rechte Medien beeinflussen
18. Dezember 2018Die Morde an dem slowakischen Reporter Jan Kuciak und der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia haben die Pressefreiheit auch in der Europäischen Union zum Thema gemacht. Weniger brutal und trotzdem effektiv bringen rechte Politiker Medien in Bedrängnis, da wo sie in die Regierung gewählt werden. Die DW sprach mit Journalistinnen und Journalisten aus den betroffenen Ländern.
Ungarn: Gleichgeschaltete Nachrichten
"In Ungarn kommen viele Nachrichten aus einer Hand, seit die Regierung von Viktor Orban ein eigenes Medienunternehmen geschaffen hat", analysiert der Journalist Marton Gergely, der für Ungarns größte Wochenzeitung HVG arbeitet. Diese Holding produziere alle Inhalte für öffentlich-rechtliche Sender und umfasst auch die staatliche ungarische Presseagentur.
"Deren Nachrichten werden stark zensiert, beziehungsweise im Sinne der Regierung umgeschrieben", so Gergely. Mittlerweile bietet die Agentur den Großteil ihrer Inhalte kostenlos an. Das habe die unabhängige Konkurrenz aus dem Markt gedrängt. Private Radiosender wurden gesetzlich dazu verpflichtet, Nachrichtenblöcke zu senden. Diese stellt die Holding ebenfalls kostenfrei zur Verfügung.
Die Gratis-Sendungen heißen unter Spöttern "Migranten-News". Sie bestehen, so Gergely, aus negativer Berichterstattung über Einwanderer und Eigenlob für die Regierung. "Das ist eine richtige Propagandamaschine, die verdammt viel Geld kostet, wenn man bedenkt, was der ungarische Staat im Vergleich dazu für Bildung und Gesundheit ausgibt."
Auch der Zeitungsmarkt blieb von Orbans Politik nicht verschont. Durch Anzeigen finanziere die Regierung gezielt treue Zeitungen mit Steuergeldern, während unabhängige Zeitungen keine oder weniger Werbung bekämen. Viele Publikationen könnten dem wirtschaftlichen Druck nicht standhalten. In Ungarn gebe es aktuell noch drei landesweite Tageszeitung, wovon zwei "Revolverblätter der Regierung" seien, wie Gergely sie nennt.
Polen: Ermittlungen gegen Journalisten
Auch in Polen hat die national-konservative Regierung nach ihrem Wahlerfolg 2015 den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht. Bartosz Wielinski arbeitet für die Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Warschau. Die Presse, die mit der Regierung nicht verbunden sei oder sich nicht gleichschalten lassen habe, würde massiv ökonomischer und politischer Druck ausgeübt, beklagt der polnische Journalist.
"Mir persönlich ist zum Glück noch nichts Böses passiert, aber Kollegen von mir haben bereits schlechte Erfahrungen gemacht", berichtet Wielinski. Zahlreiche seiner Kollegen mussten sich vor Gericht verantworten. Anfang Dezember sei ein Journalist der polnischen Newsweek zum polizeilichen Verhör vorgeladen worden. Er soll in einem Portrait über den stellvertretenden Präsidenten des Verfassungsgerichtes dessen Persönlichkeitsrechte verletzt haben, da er in dem Bericht den Namen der Straße erwähnte, in der der Richter wohnt. Auch die Präsidentin des Verfassungsgerichtes forderte die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen auf, nachdem über sie kritisch berichtet wurde. Einem weiteren Journalisten drohte vorübergehen sogar eine Anklage von der Militärstaatsanwaltschaft.
Ökonomisch werden Zeitungen, ähnlich wie in Ungarn, vor allem über ausbleibende Werbeaufträge der Regierung unter Druck gesetzt. "Man bekommt quasi als Strafe für die kritische Berichterstattung keine Anzeigen mehr", sagt Wielinski. Das betreffe auch Werbung staatlicher oder staatsnaher Betriebe, wie die Bahn oder Telekom. Der Wille der Regierung, Zeitungen "an der kurzen Leine zu halten", so Wielinski, spiegle sich auch in der Distribution wider. Seine Gazeta Wyborcza sei in Tankstellen des staatlichen Ölkonzerns kaum noch zu finden, entweder liege sie gar nicht aus oder werde von anderen Zeitungen überdeckt.
Italien: Ende der Medienförderung?
Auch wenn Journalisten in ihrer Arbeit weitaus weniger eingeschränkt werden würden als in Polen und Ungarn, habe sich das Klima in den vergangenen Monaten in Italien verändert, sagt Annalisa Camilli. Sie arbeitet als Journalistin für die Wochenzeitung Internazionale in Rom. Seitdem die Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega an der Macht ist, seien Journalisten zum Feindbild der Politik geworden. Oft würden Journalisten als Lügner bezeichnet. Auch andere Beschimpfungen - teils unter der Gürtellinie - seien keine Seltenheit, so Camilli. Zusätzlich würden einige Regierungsmitglieder Journalisten gezielt aus dem Weg gehen. Statt Pressekonferenzen gebe es jetzt Tweets und Facebook-Posts - Nachfragen ausgeschlossen.
Die italienische Medienlandschaft stand jahrelang unter dem Einfluss von Ex-Premier Silvio Berlusconi, der auch während seiner Amtszeit zahlreichen TV-Kanälen, Verlagshäusern und Werbefirmen vorstand. In seinem Schatten entstanden zahlreiche kleinere Publikationen, die wirtschaftlich von staatlichen Medienförderungen abhängig seien, so Camilli. Diese Subventionen will die neue Regierung jetzt streichen. Über ein entsprechendes Gesetz diskutiert gerade das italienische Parlament. "Wenn das umgesetzt wird, ist das ein großer, großer Schaden für das italienische Presse- und Informationssystem", klagt Camilli.
Österreich: Rechte bauen ihre eigenen Medien auf
Österreich liegt im Ranking der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) im weltweiten Spitzenfeld. Dennoch sorgt sich der polnische Journalist Bartosz Wielinski seit die Koalitionsregierung aus der konservativen Volkspartei (ÖVP) und der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ) vor gut einem Jahr an die Macht kam. Die Versuche von österreichischen Regierungsmitgliedern Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auszuüben, beispielsweise durch Diffamierungen, seien "beängstigend", meint er.
Und auch jenseits traditioneller Medien würden es Österreichs Rechte schaffen, Inhalte ungefiltert unter die Leute zu bringen, analysiert Nina Horaczek, Chefreporterin bei der Wiener Wochenzeitung Falter. Bereits vor gut zehn Jahren habe die FPÖ damit angefangen, eine alternative Nachrichtenstruktur aufzubauen. Dazu gehören einerseits Social-Media-Profile mit hunderttausenden "Likes". Andererseits wurden parteinahe Online-Medien geschaffen, die Artikel im Interesse der Partei verfassen, die von FPÖ-Politikern wiederum in sozialen Netzwerken geteilt werden. Dieses Vorgehen finde bereits außerhalb der Landesgrenzen Nachahmer. So kopiere in Deutschland aktuell die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) die Medienstrategie der FPÖ.