Wie es für die Bundeswehr in Mali weitergeht
31. Dezember 2022Abziehende Partner, ausbleibende Flug-Genehmigungen für Transporter und Drohnen - der Einsatz der Bundeswehr im westafrikanischen Mali wird immer gefährlicher. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht fand bei ihrem Weihnachtsbesuch der deutschen Truppen Mitte Dezember in Bamako in einem Gespräch mit ihrem Amtskollegen Sadio Camara klare Worte: Die Bundeswehr bleibt nur dann bis 2024 im Land, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden - zum Beispiel die mehrfach verschobenen und nun für Februar 2024 in Aussicht gestellten Parlamentswahlen.
Im Mai 2024 soll dann Schluss sein mit dem Bundeswehr-Einsatz in Mali. Der Abzug der deutschen Blauhelme soll im kommenden Sommer nach einem zehnjährigen Einsatz in dem Sahel-Staat beginnen. Bis zu 1400 Soldaten sind an der Mission der Vereinten Nationen, genannt MINUSMA, beteiligt. Der Großteil des deutschen Einsatzkontingents ist im Nordosten des Landes im Camp Castor in Gao stationiert.
Wahltermin nicht anzweifeln
Die ausgedehnte Zeit bis zum Rückzug der Truppen biete Möglichkeiten, wieder mit Mali ins Gespräch zu kommen, sagt Ulf Laessing, Leiter des Regional-Programms Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bamako. Die malische Regierung habe sich auch im Rahmen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS verpflichtet, die Wahlen abzuhalten.
"Daran würde ich jetzt nicht zweifeln", sagt Laessing zur DW mit einem Seitenhieb auf eine derartige Aussage von Lambrecht: "In Mali kommt es nicht so gut an, wenn man Bedingungen stellt. Das war unglücklich von der Ministerin." Pochen auf Wahlen sei richtig, nur nicht im öffentlichen Diskurs.
Wie der Übergang nach den beiden Militärcoups zurück zu einer zivilen und demokratisch legitimierten Regierung ablaufen soll, darüber gebe es keinen Konsens zwischen Militärs und Zivilgesellschaft, mahnt Seidick Abba, Journalist und Buchautor aus Niger. Er glaubt nicht, dass der nun ausgegebene Wahltermin in Stein gemeißelt ist: "Es könnte lange dauern, bis die Macht in einer demokratischen Wahl an die Zivilbevölkerung übergeben wird."
Unter diesen Bedingungen ändere die Präsenz der deutschen Truppen bis 2024 nichts an der Situation vor Ort, so Abba. Deutschland sende lediglich eine politische Botschaft. "Sie besagt: 'Wir werden die Sahelzone nicht verlassen, aber wir können nicht weiter mit der malischen Junta zusammenarbeiten.'" Ob die Soldaten jetzt oder erst 2024 abzögen, das sei egal.
Malis Bevölkerung ist enttäuscht
Dementsprechend betrachteten viele die Debatte um ein Ende des Einsatzes mit großer Gleichgültigkeit: "Die malische Bevölkerung ist sehr enttäuscht von MINUSMA. Die Menschen glauben, dass die europäischen Truppen beim Schutz der Bevölkerung versagen", sagt Abba im DW-Interview.
Anders sieht es KAS-Programmleiter Laessing: Er bescheinigt der Bundeswehr eine wichtige Rolle in der Stabilisierung Nordmalis. Dort seien Tausende vor einem Vormarsch der Dschihadisten geflüchtet. Das sei ganz klar das Ergebnis des Abzugs der Franzosen - sie hatten im August 2022 auf Drängen der in Bamako regierenden Militärjunta Mali verlassen.
Das Machtvakuum füllten Dschihadisten, die nun weite Teile des Nordostens kontrollieren. Viele Menschen sind nach Niger, Algerien aber auch in die Stadt Gao geflohen. "Das zeigt schon, dass der Einsatz noch wichtig ist. Ohne Präsenz der Bundeswehr wäre Gao nicht mehr zu halten."
Kein Konsens zur Macht-Übergabe
Unter der malischen Junta, die sich im August 2020 an die Macht putschte, verschlechterten sich die Bedingungen für den Einsatz zusehends: Fluggenehmigungen für deutsche A400-M-Transportmaschinen sowie für die Aufklärungsdrohne Heron wurden immer wieder nicht erteilt.
Als Konsequenz daraus stellte Lambrecht bei ihrem Besuch gegenüber der malischen Militärjunta klar, dass die Bundeswehr ihre Aufgabe erfüllen können müsse - "dazu gehören die Drohnenflüge".
Die malische Führung unter Assimi Goita versucht, den Einfluss der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zu verringern - und des Westens insgesamt. Im Aufwind hingegen ist Russland, das neben Rüstungsgütern auch dringend benötigte Nahrung, Dünger und Treibstoff angeboten hat. Bereits seit rund einem Jahr sind Söldner der russischen Wagner-Gruppe in Mali - auch das verstärkt den Unmut in Europa.
Partnermission in Niger
"Die Soldaten fragen sich schon zum Teil, wozu der Einsatz gut ist. Man ist da in einem Land, das man nicht kennt und mit Jahrhunderte alten Konflikten. Es ist ihnen bewusst, dass man wenig bewirken kann", sagt KAS-Leiter Laessing. Aus Gesprächen habe er aber den Eindruck gewonnen, dass sie den Beitrag Deutschlands zur Solidarität und Stabilität des Sahel-Raumes als wichtige Mission ansehen - die Motivation sei da.
Die Bundeswehr soll sich künftig an Trainingseinheiten für Spezialtruppen in Niger beteiligen, bestätigte Verteidigungsministerin Lambrecht bei ihrem Anschlussbesuch in dem Nachbarland. Die neue Partnerschaft der Europäischen Union mit dem bitterarmen Niger soll den Kampf gegen die Dschihadisten in der Region stärken.
Der Einsatz mit dem Namen EUMPM Niger wird nach EU-Angaben bei dem Aufbau eines Ausbildungszentrums und eines Kommunikations- und Führungsunterstützungsbataillons helfen. Er ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Die EU-Gemeinschaftskosten betragen 27,3 Millionen Euro.
In dem geplanten Abzug der Truppen aus Mali sieht der Analyst Abba jedoch einen Fehler: "Ohne Mali können wir im Kampf gegen den Terrorismus nicht erfolgreich sein." Selbst wenn sie im Niger Kapazitäten aufbauten und Schulungen durchführten, werde die dschihadistische Bewegung Mali besetzen. Das sei auch für die Nachbarländer Niger und Burkina Faso ein Problem.
Mehr militärische Effizienz
Für Olivier Guiryanan ist der von Deutschland und anderen internationalen Akteuren verfolgte Ansatz in Sachen Sicherheit gescheitert. Guiryanan ist Direktor von Bucofore - ein Forschungszentrum, das vom Tschad aus auf Zentral- und Westafrika blickt. "Die Truppen hätten bessere Ergebnisse erzielt, wenn sie sich auf die Schaffung von Frieden und die Stärkung der Grundversorgung konzentriert hätten", sagt er zur DW.
Die größte Bedrohung für das Land sei der Terrorismus, der trotz der Präsenz der internationalen Streitkräfte zunehme. Dass die MINUSMA-Mission, der auch das deutsche Kontingent untersteht, dagegen kaum etwas ausrichten kann, ist für Guiryana kein Wunder: "Was kann eine Truppe, deren Hauptaufgabe es ist, keine Waffen einzusetzen, in einem solchen Kontext ausrichten?"