Wie die Heiligen Drei Könige nach Köln kamen
5. Januar 2024Die lange Reise der Heiligen Drei Könige ins Rheinland beginnt mit der Geschichte der römisch-katholischen Kirche - und der sammelwütigen Mutter eines Kaisers: Im Jahr 313 verkündete Kaiser Konstantin der Große, Herrscher über das Römische Reich, im sogenannten "Toleranz-Edikt" von Mailand, dass das Christentum fortan eine gleichberechtige Religion sei.
Viele Römerinnen und Römer schworen den Göttern der Antike ab und bekannten sich zum neuen Glauben, darunter auch Helena, die Mutter des Kaisers. Sie hatte sich zudem vorgenommen, alle möglichen Plätze und Gegenstände zu finden, die irgendetwas mit Jesus von Nazareth zu tun hatten. In Jerusalem entdeckte sie angeblich sein Grab und auch das Kreuz, an dem er gestorben sein soll. Bei ihrer Suche nach Reliquien müssen ihr dann auch die Heiligen Drei Könige begegnet sein.
Sterndeuter auf dem Ochsenkarren
Von Christen aus aller Welt werden sie als die Weisen aus dem Morgenland verehrt, die dem Stern von Bethlehem zu Jesus' Krippe folgten und ihm als neugeborenen Sohn Gottes huldigten. In der Bibel werden die Männer nicht als Könige, sondern als Sterndeuter oder Magier bezeichnet.
Aber ob Könige oder nicht - für die Mutter des Kaisers waren die Reliquien jedenfalls wertvoll genug, um sie nach Konstantinopel (heute Istanbul) zu holen. Doch Helena konnte sich nicht lange an ihrem Fund freuen: Der Kaiser schenkte sie dem Mailänder Bischof Eustorgio, der sie in einen Sarkophag aus Marmor bettete und dann in einen Ochsenkarren verfrachtete.
Am Ende der beschwerlichen, fast 2000 Kilometer langen Reise nach Italien sollen die Tiere kurz vor den Toren der Stadt erschöpft zusammengebrochen sein. Genau an dieser Stelle - das zumindest berichtet die Legende - lies Eustorgio eine Basilika errichten, um die Heiligen Drei Könige dort zu bestatten.
Heilige als Kriegsbeute
Und dort ruhten die Gebeine auch über sieben Jahrhundert lang - bis Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, im Jahr 1162 Mailand belagerte. An seiner Seite: der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel, der nicht nur ein Mann der Kirche, sondern auch Reichskanzler und Heerführer Barbarossas war. Als die italienische Stadt schließlich fiel, erbat sich von Dassel die Heiligen Drei Könige als Kriegsbeute.
"Der Erzbischof hat mit Sicherheit an den Prestigegewinn für Köln gedacht", sagt Matthias Deml, Pressesprecher der Dombauhütte Köln. "Denn solch bedeutende Heilige, die also wirklich in die biblische Zeit zurückgehen, waren natürlich von einer immensen Bedeutung."
"Ein unvergleichlicher Schatz"
Als der Erzbischof am 23. Juli 1164 mit großem Gefolge in Köln Einzug hält, jubeln ihm die Einwohner der Stadt begeistert zu. Denn im Gepäck hat er die kostbare Fracht - und damit "einen unvergleichlichen Schatze, wertvoller als alles Gold und Edelgestein", wie er selbst niederschreibt.
"Das Erstaunliche ist, dass es in der Zeit vor 1162 keine Quellen über die Existenz dieser Reliquien gab", so Mathias Deml gegenüber der DW. "Als sie in Köln ankommen, sind sie allerdings weltberühmt, weil Dassel an allen Orten, an denen er vorbeigezogen ist, Werbung machte, dass er nun im Besitz der Gebeine der Heiligen Drei Könige sei." Die Werbetrommel weckte allerdings auch Begehrlichkeiten. Viele Geschichten ranken sich um den Transport der Gebeine, die wohl für jeden Fürsten eine lohnende Beute gewesen wären. Einigen Quellen zufolge sollen die Knochen, als Pestleichen deklariert, in Blechsärgen über die Alpen gelangt sein. Auch soll man den Pferden die Hufeisen verkehrt herum aufgenagelt haben, um mögliche Verfolger zu täuschen.
Ein Mönch aus Hildesheim als Geschichtenerfinder
Die Geschichte von Helena und dem Bischof Eustorgius, die angeblichen Vorkehrungen des Erzbischofs, die Gebeine auf der Reise nach Köln zu schützen: Nichts davon ist belegt, nur die umjubelte Ankunft in Köln ist amtlich dokumentiert. Der Karmeliter-Mönch Johannes von Hildesheim, so Mathias Deml, habe kräftig an der Legendenbildung um die Heiligen Drei Könige gestrickt: Sie hätten sich nach dem Besuch an Jesus' Krippe nicht mehr trennen wollen, schrieb er nieder. Eines Tages sei der Apostel Thomas vorbeigekommen, habe ihnen vom weiteren Leben und Wirken Christi erzählt und sie zu Bischöfen geweiht.
Auch ihren Tod schmückte der Mönch dann noch mit einem "Wunder " aus: Der verstorbene älteste König, so brachte er es zu Papier, sei für den zweitältesten König im Grab zur Seite gerückt, als auch dieser starb. Und beide rutschten schließlich für den jüngsten zur Seite, als man das Grab öffnete, um ihn neben seinen Gefährten zu bestatten.
Übrigens ging man auch in Hildesheim nicht leer aus: Der Kölner Erzbischof vermachte der Stadt die Fingerknochen der Heiligen. "Und das war nicht ein kleines, unbedeutendes Körperteil, denn bei den Heiligen Drei Königen sind die Zeigefinger von ganz besonderer Bedeutung: Mit ihm haben sie auf den Stern von Bethlehem gewiesen", betont Matthias Deml.
Nicht nur Johannes von Hildesheim dichtete den "Weisen aus dem Morgenland" etwas an. So bekamen die drei erst um 500 ihre Namen - Caspar, Melchior und Balthasar - zugewiesen, ebenso wie eine symbolische Deutung: Sie sollten, so konstatierte die katholische Kirche, jeweils einen der vor 2000 Jahren bekannten Kontinente repräsentieren - Afrika, Asien und Europa - und so ein Zeichen setzen, dass die ganze Welt Jesus verehrt.
Pilgerstrom hofft auf Wunder
Diese kostbaren Reliquien sind jetzt also im romanischen Dom der Stadt Köln beigesetzt. Philipp von Hochstaden, der Nachfolger des 1167 auf einem weiteren Feldzug verstorbenen Erzbischofs von Dassel, gibt einen goldenen Schrein in Auftrag. Gefertigt wird er von einem der kunstvollsten Goldschmiede des Mittelalters, Nikolaus von Verdun.
Täglich strömen unzählige Pilger zum Dreikönigsschrein, an dem morgens eine Klappe geöffnet wird, so dass die Schädel der Heiligen zu sehen sind. Geistliche mit Silberzangen nehmen von den Gläubigen Plaketten, Münzen oder auch bedruckte Seidenstoffe entgegen, die sie in den Schrein hineinhalten. Diese "Berührungsreliquien" sollten gegen so manches Übel helfen, weiß Matthias Deml. "Da wird unter anderem genannt die Fallsucht, das ist die Krankheit, die wir heute als Epilepsie kennen, aber auch Hausbrand, Fieberkrankheiten, Räuber, Piraten und dergleichen Übel mehr sollten so gebannt werden."
Eine neue Kathedrale muss her
Auch Kaiser und Könige reisen an, um den Heiligen Drei Königen ihre Ehrerbietung zu erweisen. Es dauert nicht lange, da kann die alte Kölner Kathedrale die Pilgerheerscharen aus ganz Europa nicht mehr fassen - ein prächtiger Neubau muss her. Also beginnen die Kölner im Jahr 1248 mit dem Bau eines standesgemäßen gotischen Gotteshauses. Dessen Fertigstellung zieht sich allerdings stattliche 632 Jahre hin. Erst 1880 ist die Kathedrale vollendet.
"Am Ende eine Glaubenssache"
Die Heiligen Drei Könige haben die Jahrhunderte unversehrt überstanden, wobei natürlich immer wieder die Frage aufkam: Sind sie es wirklich? "Eine plumpe Fälschung waren sie sicherlich nicht", meint Mathias Deml. Man habe den Schrein im 19. Jahrhundert geöffnet und bei der Untersuchung der Gebeine festgestellt, dass sie in alte kostbare Seidenstoffe aus Palmyra (Anm d. Redaktion; im heutigen Syrien) gehüllt waren, die aus der Spätantike stammen.
"Wer auch immer also im Dreikönigenschrein liegt: Es sind Menschen, die über viele Jahrhunderte verehrt worden sind. Ob es die Heiligen Drei Könige sind, das ist am Ende eine Glaubenssache."