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Mit der Krise leben

21. Mai 2010

Kreta, die größte griechische Insel, lebt vom Tourismus. Doch die Chaosbilder aus Athen haben die Urlauber verschreckt – Prognosen sagen: der Tourismus wird in den Krisenstrudel geraten.

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Leeres Restaurant (Foto: Miriam Klaussner)
Bild: DW/Miriam Klaussner

Hier oben zwischen den Mauerresten des Palastes von Festos tummeln sich nur eine handvoll Touristen. In der Hochsaison schieben sich hier die Massen durch. Die meisten Besucher sind Deutsche. Ein noch recht bleiches, junges Pärchen aus Bayern ist gerade erst angekommen und erleichtert, dass hier alles so friedlich ist. "Wir haben überlegt was wir machen, wenn wir in Krawalle kommen - aber es war alles ganz ruhig", meint der Bayer. Sie hätten aber schon einen Notfallplan gehabt grinst seine Freundin, der Gardasee in Norditalien.

Mulmiges Gefühl und Verunsicherung

leerer Strand Matala. Die Strände an der Südküste Kretas sind noch leer. Das sei normal für die Vorsaison sagen die Einheimischen (Foto: Miriam Klaussner)
Die Strände sind noch leerBild: DW/Miriam Klaussner

Über Serpentinen tuckern die beiden zur nächsten Kiesbucht: Agia Galini, ein Fischerort, 400 Einwohner - 4000 Touristen in der Hochsaison. Die weiß-blauen Häuser schmiegen sich an den Berghang. Ganz oben prangt ein Schild: Ariadne-Hotel. Der Pool ist leer, die Bar auch, nur auf der Terrasse sonnen sich Wolfgang und Simone aus Hamburg. Auch sie hatten vor Abflug die Chaosbildern aus Athen gesehen. "Das hat uns etwas mitgenommen, muss ich ehrlich sagen", erzählt Simone. "Und es hat mich beunruhigt in ein krisengeschütteltes Land zu reisen. Ich habe da ein bisschen schlechtes Gewissen. Ich denke dann immer mir geht es ja ganz gut. Aber wenn wir weg bleiben, hilft ihnen das ja auch nicht, weil der Tourismus ja immer noch ein Wirtschaftszweig ist."

Die Krise - ein Tabuthema

Fast ein Fünftel trägt der Tourismus zum Bruttosozialprodukt Griechenlands bei. Eine Million Touristen kommen jedes Jahr nach Kreta, dieses Jahr sollen es deutlich weniger werden, schätzen Experten. Auch Wolfgang hat darüber gelesen. Doch deutliche Krisenzeichen hat er hier noch keine bemerkt. Aber "man überträgt viele Dinge, die man sieht, auf die Krise. Wenn es irgendwo leer ist oder die Leute bedrückt gucken". Seine Frau nickt. Sie hätte ganz gerne mal mit Griechen darüber gesprochen. "Aber die sprechen uns gar nicht drauf an, da kommt gar nichts rüber. Ich denke, dass die Griechen sich das vielleicht auch ein bisschen schön reden. Ganz nach dem Motto "keep on smiling".

Simone lächelt auch, verschmitzt und nickt einem jungen Mann in lässigen Kargohosen zu. Es ist Nikos, der Hotelchef. Doch beim Stichwort Krise friert sein Lächeln ein. Darüber spricht er nicht. "Warum? Das ist gar nicht notwendig", meint er genervt. "Es ist nicht gut über Probleme zu reden. Wir genießen unser Leben, wir sind eben happy."

Restaurantchef Nikos Xaroulis, Restaurant Pantheon, Agia Galini (Foto: Miriam Klaussner)
Hotelchef Xaroulis hofft auf viele Gäste in der HochsaisonBild: DW/Miriam Klaussner

Preise stabil halten egal was kommt

Doch ganz so happy ist sein Leben seit ein paar Monaten nicht mehr. Er merkt die Krise schon. Aber nicht daran, dass es überall halb leer ist. Das sei normal für die Vorsaison, sondern weil alles teurer wird. Die Zigaretten hätten noch vor kurzem 3,40 Euro gekostet. Jetzt müsse er 3,80 Euro zahlen. Auch Alkohol und Benzin sei teurer. Die Mehrwert-steuer ging auf 23 Prozent hoch. Doch trotzdem will der Hotelchef seine Preise nicht erhöhen. Das hört man überall auf der Insel. Auch unten am Hafen des Fischerörtchens.

Wut auf Politiker

In den kleinen Gässchen stehen überall nett gedeckte Tische, die Hälfte ist belegt. Man hört Deutsch, Niederländisch und griechisches Englisch vom begrünten Balkon des Restaurants Pantheon. Nikos, der grauhaarige Charmeur, begrüßt alle Gäste mit Handschlag, scherzt, plaudert, serviert. Würzig duftendes Souflaki, Barrakudafilet, Moussaka. Alles um die acht Euro. Ein paar deutsche Studenten sprechen den Restaurantchef auf die Krise an. Doch er winkt ab. "Es ist alles ein Spiel der Politiker. Wir, die kleinen Leute, spielen dabei keine Rolle. Von uns wollen sie nur das Geld, mehr Steuern." Er habe Angst, dass das Tourismusgeschäft einbrechen werde, deshalb halte auch er seine Preise.

Auch nebenan im Reisebüro mit angeschlossener Autovermietung nickt Michalis heftig hinter seinem Schreibtisch. Er ist schon ewig im Tourismusgeschäft, ihn bringt so schnell nichts aus der Ruhe, auch keine Krise. “Das Problem in Griechenland sind die Beamten", schimpft Michalis. "Eine Million gibt es davon, das ist verrückt. Und die verdienen ein irre Geld. Denen geht die Regierung jetzt endlich an den Kragen. Denn Beamte streichen nur das Geld ein und tun nichts."

Staße auf Kreta (Foto: Miriam Klaussner)
Trotz der Krise kommen TouristenBild: DW/Miriam Klaussner

"Wir hoffen, dass die Touristen kommen"

Er zeigt auf seine jungen Kollegen an der Tür. Mit 700 Euro im Monat fangen sie an. Ein Beamter bekomme 2000 Euro Einstiegsgehalt. Michalis legt die Zigarette weg, mit seiner Ruhe ist es kurzfristig vorbei. Was er jetzt tun wird? Nichts - ausharren, hoffen dass die Touristen auch im Sommer kommen, die Preise halten, so wie alle auf Kreta. Wenn sie die Preise erhöhen würden, erklärt Michalis, dann würden die Touristen eben nach Spanien oder in die Türkei fahren. Aber eines sei klar: Dieses Jahr machen sie wegen der gestiegenen Steuern alle weniger Gewinn.

Irini Markaki-Milolidaki, Chefin des Hotels Irini Mare in Agia Galini, Kreta (Foto: Miriam Klaussner)
Hotelchefin Markaki-Milolidaki hat ihre eigene KrisenstrategieBild: DW/Miriam Klaussner

Im einzigen Viersternehotel im Ort gönnt sich die quirlige Hotelbesitzerin Irni gerade eine Verschnaufpause. Sie sitzt an einem der edlen weißen Tische in der Hotelbar - in weniger edlen Turnschuhen und Jeans. Vor ihr ein frisch gepresster Orangensaft. Bis Oktober wird sie nun keinen freien Tag mehr haben - wie alle in der Branche, erzählt sie. Irini hat den Tourismus hier im Süden Insel aufgebaut - und ihr Hotel, 250 Betten. Beim Stichwort Krise wird die sonst so gut gelaunte Frau ernster, ihre Gesten heftiger, sie spricht aus was alle denken. "Es kommt hier nur Ruhe rein wenn die Leute, die die Krise verursacht haben, ins Gefängnis kommen." Irinis kurze Locken wirbeln durch die Luft, ihren Saft hat sie noch nicht angerührt. Um die Krise etwas zu entschärfen, überlegt sie, könnte Sie ihr Hotel jetzt ganzjährig öffnen, statt wie jetzt nur von April bis Oktober. Selbst wenn weniger Touristen im Sommer kommen würden - mit einer zweiten Saison könnten sie das wieder wettmachen. Doch davon muss sie noch die anderen Hoteliers überzeugen.

Autorin: Miriam Klaussner

Redaktion: Gero Rueter