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Wie die Bundesliga der Premier League geholfen hat

Matt Pearson
17. Juni 2020

Nach fast 100 Tagen Unterbrechung wegen der Corona-Pandemie rollt in der Premier League von Mittwoch an wieder der Ball. Was hat die reichste Fußball-Liga der Welt von der Bundesliga gelernt?

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UEFA Champions League | FC Chelsea - Bayern München
Bild: Getty Images/AFP/B. Stansall

Die Premier League ist es normalerweise nicht gewohnt, die zweite Geige neben der Bundesliga zu spielen. Doch seit dem 16. Mai war sie dazu gezwungen, weil die Bundesliga als erste der fünf Top-Ligen Europas ihre Corona-Pause beendete und mit Geisterspielen unter strengen Auflagen den Spielbetrieb wieder aufnahm. Die ganze Fußballwelt blickte deswegen nach Deutschland, die Bundesliga feierte Rekord-Einschaltquoten. Am Mittwoch kehrt auch die Premier League zurück - mit zwei Nachholspielen: Aston Villa gegen Sheffield United und FC Arsenal gegen Manchester City. 

Am Sonntag könnten dann der FC Liverpool und sein deutscher Trainer Jürgen Klopp die Chance erhalten, den ersten Premier-League-Titel der "Reds" seit 30 Jahren vorzeitig perfekt zu machen. Liverpool spielt beim Stadtrivalen FC Everton und nicht, wie vorher angedacht, an neutraler Stelle in Southampton. Die örtliche Polizei erklärte, die Sicherheitsbedenken gegen das Spiel im Goodison Park, dem Stadion des FC Everton, seien minimal. 

Genau nach Deutschland geschaut

Auch wenn der Lockdown in Großbritannien etwas gelockert wurde, ist die Coronavirus-Epidemie auf der Insel längst noch nicht ausgestanden. Nach Informationen der Johns-Hopkins-Universität in den USA (Stand 16. Juni 2020) liegt das Land mit knapp 300.000 registrierten Infektionen weltweit an Position fünf, fast 42.000 Todesfälle wurden registriert - nur in den USA und Brasilien starben mehr Menschen an COVID-19. Im Vergleich dazu hatte Deutschland die Infektion bereits besser im Griff, als Mitte Mai der Ball in der Bundesliga wieder rollte.

Fußball Champions League - Gruppe E - KRC Genk v Liverpool
Abklatschen soll vermieden werden - selbst wenn Jürgen Klopp (l.) und Sadio Mané (r.) mit Liverpool den Titel holenBild: Reuters/P. Childs

Die Verantwortlichen der Premier League haben deshalb sehr genau nach Deutschland geschaut. Zwar sagte ein Ligasprecher der DW, Grundlage für den Neustart seien die Leitlinien der britischen Regierung und die Vorschrift der Gesundheitsbehörden. Doch Premier-League-Chef Richard Masters hatte bereits im Mai gegenüber der Zeitung "Daily Mirror" erklärt, dass der Blick auf die Bundesliga sehr hilfreich gewesen sei: "Die Deutschen sind uns offensichtlich ein paar Schritte voraus. Wir können von ihnen lernen und aus ihrem Erfolg Zuversicht schöpfen." Masters wies dabei auf das Modell der Bundesliga für Geisterspiele hin und darauf, wie die Partien im Fernsehen übertragen würden.

Feine Unterschiede

Die Premier League folgte in ihrem Konzept in einigen Punkten dem Vorbild der Bundesliga. So dürfen sich im Stadion und dessen direktem Umfeld nur insgesamt rund 300 Personen aufhalten. Fast im gleichen Wortlaut wie die deutsche Liga fordert die Premier League zudem, dass sich Spieler und Personal regelmäßigen COVID-19-Kontrollen unterziehen müssen, dass die Mannschaften auf dem Weg ins Stadion Distanz halten oder auch vor dem Anpfiff auf den sonst üblichen Handschlag mit dem Gegner verzichten sollen.

Doch es gibt auch kleinere Unterschiede - etwa bei den Regelungen für den Gebrauch von Schutzmasken. Während die Bundesliga-Spieler zunächst verpflichtet waren, außerhalb des Spielfelds stets Masken zu tragen, müssen die Premier-League-Profis bei der Ankunft in den Stadien, in den Umkleidekabinen und auf der Auswechselbank keine Schutzmasken anlegen.

Im Vergleich zur Bundesliga gab es in der englischen Liga zum Neustart deutlich mehr kritische Stimmen aus den Spielerreihen. Brightons Stürmer Glenn Murray nannte die Pläne "absurd". Auch der Brasilianer Willian vom FC Chelsea äußerte seine Bedenken: "Ehrlich gesagt, nach dem, was ich sehe, fühlen sich viele Spieler - ich würde sagen, die Mehrheit - nicht wohl bei dem Gedanken, jetzt sofort zurückzukehren." Auch eine Reihe von schwarzen Spielern, darunter Watford-Kapitän Troy Deeney und Chelsea-Mittelfeldspieler N'Golo Kante, zögerten zunächst, ins Training zurückzukehren. Sie verwiesen darauf, dass sich das Virus in Großbritannien unverhältnismäßig stark unter ethnischen Minderheiten ausgebreitet habe.

Chance zur Veränderung?

Inzwischen scheint sich die Besorgnis jedoch weitgehend gelegt zu haben, zum einen weil sich das Virus auch in Großbritannien offenbar langsamer ausbreitet, zum anderen aber möglicherweise auch wegen des erfolgreichen Bundesliga-Comebacks nach der Corona-Unterbrechung.

Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) verwies auf "viele Komplimente aus aller Welt", die er nach dem Neustart der Bundesliga erhalten habe. Der DFL-Chef wies gleichzeitig jedoch mit Blick auf die gravierenden Finanzprobleme einiger Vereine in der Corona-Krise darauf hin, dass der Spitzenfußball seine Funktionsweise überprüfen müsse.

In der durch und durch kommerzialisierten Premier League steht diese Diskussion noch aus - auch wenn Ralph Hasenhüttl, österreichischer Trainer des FC Southampton, erwartet, "dass nach dieser Krise nachhaltiges Wirtschaften mehr Anerkennung finden wird in den Vereinen", nicht zuletzt, weil "die Fernsehgelder eher nach unten gehen" würden - wie er dem deutschen Fachmagazin "Kicker" sagte.

Der frühere Trainer des FC Ingolstadt und von RB Leipzig könnte Recht haben. Es könnte allerdings auch sein, dass sich Hasenhüttl noch nicht ganz an die Gepflogenheiten der Premier League gewöhnt hat.