Wie der Terror sich finanziert
26. April 2018Packt sie an ihren Einnahmen - unterbindet den Elfenbeinhandel! Es schien wie ein Durchbruch im Kampf gegen den Terror, als 2013 bekannt wurde, dass die somalische Terrororganisation Al-Shabab sich nicht unwesentlich durch illegalen Handel mit Elfenbein finanzierte. Die Schlussfolgerung lag auf der Hand: Man unterbindet den Handel, und schon hat man die dschihadistische Herausforderung zumindest zu Teilen gemeistert. Es war die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton, die den Kampf gegen die Elfenbeinhändler zum Bestandteil des Krieges gegen den Terror erklärte. Erst später wurde klar, dass man auf diese Weise zwar gegen Al-Shabab vorgehen könnte - nicht aber etwa gegen Al-Kaida und den "Islamischen Staat" (IS) in Irak und Syrien - aus dem einfachen Grund, weil es dort keine Elefanten gibt, folglich auch der Elfenbeinhandel keinerlei Rolle spielt.
Immerhin: Die Anekdote birgt einige Lehren für den Kampf gegen den Terror und gegen die Geldmittel, die diesen überhaupt erst ermöglichen. Einer der wichtigsten Grundsätze: Terrororganisationen nisten sich in die wirtschaftlichen Strukturen der Orte und Regionen ein, in denen sie operieren. Shabab verkauft Elfenbein aus Ost-Afrika, die Taliban produzieren und schmuggeln Opium, und der IS im Irak verkaufte Erdöl, solange er die dortigen Fördergebiete kontrollierte. Für die in Westafrika operierenden Terrororganisationen ist der Diamantenhandel wichtig. In der Sahelzone wiederum spielt der Zigarettenhandel erhebliche Summen ein.
"Canyon im internationalen Finanzsystem"
Bislang hatten westliche Staaten vor allem versucht, die Transferkanäle der Terrorgelder trockenzulegen. Dabei waren sie bestenfalls mäßig erfolgreich, schreibt der Terrorexperte Peter Neumann in einem Aufsatz für die New Yorker Zweimonatszeitschrift "Foreign Affairs". Erstaunlich sei das nicht: Einerseits seien die Verbindungen einzelner Personen zu Terrornetzwerken teils sehr schwer nachzuverfolgen oder nachzuweisen. Konten liefen auf die Namen von Strohmännern, vorzugsweise aus den unteren Hierarchien. Die seien Banken und Behörden als Terroristen nicht bekannt.
Außerdem sei es für die Banken unmöglich, alle einzelnen Transaktionen auf einen potentiell terroristischen Hintergrund zu überprüfen. Vor allem aber würden viele Terrorgelder niemals über das globale Finanzsystem laufen. Stattdessen bedienten sich die Dschihadisten des in vielen arabischen Ländern beliebten Hawwala-Systems, das es erlaubt, Geld über vertrauenswürdige Mittelsmänner zu transferieren. Dschihadisten müssten die Risse im internationalen Finanzsystem nutzen, soll Bin Laden einmal gesagt haben. "Das Hawwala-System ist aber kein Riss. Es ist ein ganzer Canyon", so der Al-Kaida-Chef weiter.
Darum, schlägt Neumann vor, müssten die Finanzquellen der Terroristen mit einer ganz anderen Methode trocken gelegt werden: Der Bevölkerung müsse immer weniger lohnend erscheinen, sich auf kriminelle Geschäfte einzulassen, die auch die Grundlage für die Geschäfte der Terroristen sind. "Entwicklung zu fördern, lokale Verwaltungsleistungen zu verbessern, die Korruption zu bekämpfen: all dies wird in Zukunft viel wichtiger sein, als Terroristen daran zu hindern, das internationale Finanzsystem zu nutzen", so Neumann in Foreign Affairs.
Eingebunden in lokale Ökonomien
Der Handel der Shabab-Milizen mit dem Elfenbein deutet ein weiteres Prinzip der terroristischen Ökonomie an: Kontrolliert eine terroristische Organisation ein Territorium, steigen ihre Einnahmen. Eindrücklich zeigt sich das an der Geschichte des IS: Von Ende des Jahres 2013 an kontrollierte er immer größere Gebiete in Syrien und im Irak. Damit stiegen auch die Einnahmen: Verfügte die Terrororganisation 2013 noch über nicht einmal 500 Millionen US-Dollar, waren es ein Jahr später gut 1,9 Milliarden US-Dollar.
Innerhalb dieses Jahres hatte der IS ein Gebiet unter seine Herrschaft gebracht, in dem sechs bis acht Millionen Menschen leben. Dort konnte er zum Einen ungehindert die Bestände der Banken an sich reißen und auf den Besitz von Minderheiten und Geflüchteten zugreifen. Zum Anderen konnte er Steuern, Abgaben und Tarife erheben sowie Strafgelder kassieren. All das, zusammen mit dem Erdölgeschäft sowie Schenkungen vermögender Sympathisanten etwa von der Arabischen Halbinsel, ließ das IS-Vermögen rasch ins Ungeheure wachsen. Ebenso rasch schwand es aber auch wieder - nachdem nämlich arabische und westliche Streitkräfte die besetzten Gebiete zurückerobert und den IS vertrieben hatten. So verfügte der IS im Jahr 2016 - nach den Rückschlägen, die ihm die internationale Militärallianz zugefügt hatte - "nur" noch über rund eine Milliarde Dollar.
Die reichsten Terrororganisationen
Eine erhebliche Rolle spielt neben der Kontrolle über ein mehr oder minder großes Terrain auch die Förderung durch Finanziers. Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" hat im Januar dieses Jahres ein Ranking der reichsten terroristischen Organisationen erstellt, verbunden mit einer ausführlichen Analyse. Demnach ist die weltweit reichste Terrororganisation die schiitische Hisbollah. Sie profitiert ganz erheblich von der Atomvereinbarung, die der Iran im Sommer 2015 mit den UN-Vetomächten und Deutschland abgeschlossen hatte. Die Aufhebung der Sanktionen brachte neue Gelder ins Land. Die ließ das Mullah-Regime zu Teilen in den Syrienkrieg und die Aufrüstung der Hisbollah fließen. Erhielt diese vor wenigen Jahren noch rund 200 Millionen US-Dollar jährlich aus dem Iran, sind es nun 800 Millionen. Insgesamt kommt die Hisbollah auf ein Vermögen von 1,1 Milliarden US-Dollar.
Zudem hat die Hisbollah sich nach den lokalen Kriminalitätsstrukturen längst in globale Strukturen eingenistet. Die US-amerikanische Antidrogenbehörde DEA konnte nachweisen, dass die schiitische Terrororganisation stabile, seit den 80er Jahren kontinuierlich gewachsene Beziehungen zu Drogenproduzenten und -schmugglern in Südamerika hat. Die Einnahmen für die frommen Kämpfer - Hisbollah heißt auf Deutsch "Partei Gottes" - belaufen sich Schätzungen zufolge auf mehrere hundert Millionen US-Dollar jährlich. Auch im internationalen Immobilienhandel und im Markt für Gebrauchtwagen sind die Gottesmänner aktiv.
An zweiter Stelle stehen die Taliban. Auch sie gründen ein Großteil ihres Vermögens auf den Drogenanbau. Inzwischen umfassen die von ihnen kontrollierten Opium-Anbaugebiete eine größere Fläche als die Coca-Gebiete in Lateinamerika. Einnahmen aus Bodenschätzen und Entführungen sowie Schenkungen wohlmeinender Förderer ergänzen das Geschäftsmodell.
Aufbruch in digitale Welten
Nicht nur im physischen, auch im virtuellen Raum lassen sich Geschäfte machen. Im August 2017 enttarnten US-amerikanische Sicherheitsbehörden ein weltweites Finanznetz, über das eine IS-Gruppe Gelder für den Dschihad in den Vereinigten Staaten organisierte. Über ein gefälschtes E-Bay-Konto hatte ein US-Bürger knapp 9000 Dollar für diesen Zweck gesammelt. Mit einem Teil der Summe kaufte er einen Laptop, ein I-Phone und andere digitale Instrumente, die ihm helfen sollte, seine Kommunikation mit ISIS-Mitgliedern im Ausland zu tarnen.
Längst haben Terrororganisationen sich mit den Möglichkeiten digitalen Gelderwerbs vertraut gemacht. "Mit dem Gebrauch von Krypto-Währungen und dem so genannten Darknet sind Terrororganisationen inzwischen in der Lage, kreative Mittel zum Gelderwerb zu entwickeln", sagt Joseph Fitsanakisn, Sicherheitsexperte an der Coastal Carolina University, in der Forbes-Dokumentation. "Sie verkaufen etwa illegal hochgeladene Musik, Filme und Videospiele, dazu gefälschte Markenprodukte - etwa Kleidung, elektronische und pharmazeutische Artikel. Ebenso handeln sie mit gefälschten Eintrittskarten für hochrangige Sportereignisse sowie Konzerte."
Die mit dem Anti-Terrorkampf befassten Sicherheitsbehörden sind auch bei der Eindämmung der Finanzströme von Terrororganisationen enorm gefordert. Denn diese legen eine Kreativität und ethische Indifferenz an den Tag, gegen die auf legale Maßnahmen setzende Rechtsstaaten es mitunter schwer haben.