Mit CO2-Speicherung helfen, die Klimaziele zu erreichen?
20. Januar 2023Heute ist es auf der Welt im Durchschnitt 1,2 Grad wärmer als 1880. Bis Ende des Jahrhunderts könnten es nach derzeitigen Prognosen um 2,7 Grad sein.
Hauptverantwortlich für den Temperaturanstieg ist die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre. Das CO2 wird dort nicht abgebaut, die Konzentration steigt und das bremst die Abstrahlung von Wärme ins Weltall - die Erde heizt sich deshalb auf. Der CO2-Anteil in der Luft stieg in den letzten 170 Jahren von 0,029 auf 0,042 Prozent (288 ppm auf 418 ppm).
CO2-Ausstoß muss gestoppt und CO2 entfernt werden
Um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten und die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die CO2-Emmisionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas sehr schnell sinken. Zusätzlich muss laut Weltklimarat CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden.
"Es geht nicht um entweder – oder", betont ein internationales Forscherteams, dass jetzt im ersten globalen Report "State of Carbon Dioxide Removal (CDR) die verschiedenen Möglichkeiten zur CO2-Entfernung analysiert hat.
Die Autoren betonen, dass die CDR-Methoden keine Wunderwaffe gegen die Erderhitzung sind und der CO2-Ausstoß gleichzeitig schnell sinken muss. "Aber die Ergebnisse dieses Berichts sind eindeutig: Wir müssen auch die CO2-Entfernung erhöhen, indem wir Ökosysteme wiederherstellen und verbessern und neue CO2-Entfernungsmethoden schnell skalieren", sagt Koautor Steve Smith von der Universität Oxford. "Es entstehen viele neue Methoden mit Potenzial."
Laut der Studie müssen bis 2100 zwischen 450 und 1.100 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Die Menge sei abhängig davon, wie schnell der Menschheit die CO2-Minderung in den nächsten Jahrzehnten gelingt.
Nun gehe es darum, die verschiedenen Methoden der CO2-Entfernung anzukurbeln, betonen die Forscher und dafür brauche es dringend umfassende politische Unterstützung, die bisher fehlt: "Innovation braucht Zeit, Upscaling braucht Zeit, und wenn wir nicht jetzt mit dem Bau dieser Anlagen beginnen und entsprechende politische Pläne entwickeln, werden wir es nicht schaffen", sagt Jan Minx vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC. Nur wenige Regierungen haben bisher Projekte zur CO2 Speicherung in ihre nationalen Klimapläne aufgenommen.
CO2-Entfernung durch weltweite Aufforstung
Das nächste Jahrzehnt sei entscheidend für die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen der CO2-Entfernung, betonen die Forscher. Derzeit wird der überwiegende Teil der aus der Atmosphäre entfernten CO2-Emissionen - fast 2 Milliarden Tonnen - durch Methoden in der Landnutzung erreicht.
Eine Maßnahme zur Bindung von CO2 ist die planmäßige Aufforstung von Wäldern. Während junge Bäume wachsen, könnte damit laut Studien weltweit etwa 3,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr gebunden werden, rund 10 Prozent der derzeitigen CO2 Emissionen. Dafür würden sehr große Flächen gebraucht - insgesamt soviel wie das Gebiet der gesamten USA, so eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich
Mit viel Humus im Boden CO2 binden
Eine weitere natürliche Lösung ist Humus. Die dunkle, reichhaltige organische Substanz im Boden entsteht durch die Zersetzung von Pflanzen und Tieren, deshalb ist in Humus ist viel Kohlenstoff enthalten.
Durch die Industrialisierung der Landwirtschaft ging in den letzten Jahren jedoch viel Humus im Boden verloren. Es dauert, bis sich neuer Humus bildet, doch mit Zwischenfruchtanbau, tiefwurzelnden Pflanzen, Einarbeiten von Ernteresten und Verzicht von tiefem Umpflügen lässt sich der Humusgehalt im Boden wieder deutlich steigern. Laut einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) könnte mit einem weltweiten Humusaufbau zwischen zwei und fünf Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr gebunden werden.
Pflanzenkohle bindet CO2 und macht Böden fruchtbar
Als vielversprechende Technik der CO2-Bindung sehen einige Wissenschaftler Pflanzenkohle. Bei der Herstellung von Pflanzenkohle wird organisches Material mit Hilfe von Hitze, Druck und Ausschluss von Sauerstoff verkohlt. In pulverisierter Form wird diese Biokohle anschließend auf Ackerböden gestreut. Dort wirkt sie als Dünger, bindet Wasser, steigert die Ernten und erhöht den Kohlenstoffgehalt im Boden sehr langfristig.
Bei einer globalen Anwendung mit dieser Technik könnte zwischen 0,3 und 6,6 Milliarden Tonnen CO2 jährlich gebunden werden.
CO2 aus der Luft filtern und unterirdisch speichern
Eine Methode, die deutlich mehr CO2 binden könnte, ist das unterirdische Speichern von CO2. Es wird zum Beispiel in Norwegens Ölfeldern praktiziert. Das Verfahren ist aber auch umstritten, weil das CO2 im Untergrund zu Erdbeben führen und langfristig entweichen kann.
Eine weitere Speicher-Methode wird in Island praktiziert. CO2 wird dort mit Basalt gebunden und zu Stein umgewandelt. Diese Verbindung ist stabil.
Vor dem Speichern muss das CO2 aus der Umgebungsluft mittels chemischer Prozesse gewonnen werden. Einige Anlagen (Direct Air Capture) dafür gibt es bereits in Europa. Das Potential ist groß, eine Mengenbegrenzung gibt es nicht.
Der Nachteil sind die Kosten. Das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC geht von Kosten zwischen 100 und 300 US Dollar pro Tonne CO2 aus, je nach verwendeter Technologie. Dagegen ist die Wiederaufforstung mit nur etwa 50 US-Dollar pro eingelagerter Tonne CO2 finanziell vergleichsweise deutlich günstiger.
Einige Forschende prognostizieren, dass mit einer Massenfertigung der Anlagen zur Kohlenstoff-Abscheidung die Preise bis 2050 auf 50 Euro pro Tonne sinken könnten.
Die Technik gilt als eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz.
Mit Biomasse Strom erzeugen und CO2 speichern
Eine andere Möglichkeit der CO2-Entfernung aus der Luft funktioniert mittels Biomasse. Pflanzen werden angebaut und im Kraftwerk verfeuert, um Strom zu produzieren. Aus dem Abgas des Kraftwerks wird dann CO2 entzogen und tief in der Erde eingelagert.
Das große Problem dieser Technik (BECCS) ist der immense Flächenbedarf. Aus diesem Grund sehen viele Experten diese Technik kritisch. Unter den CO2-Entfernungstechnologien wird sie laut Felix Creutzig vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC deshalb nur "eine kleine Rolle" einnehmen.
Mit Mineralien CO2 im Steinstaub binden
Bei diesem Verfahren werden Karbonat- und Silikatgesteine abgebaut, gemahlen und auf landwirtschaftliche Flächen oder ins Meer ausgebracht. Im Laufe der Jahre bindet sich durch natürliche Prozesse CO2 an diesen Steinstaub und wird eingelagert.
Mit dieser Methode liegt das CO2-Bindungspotential laut Forschungsergebnisse bei zwei bis vier Milliarden Tonnen pro Jahr.
Problematisch bei dieser Methode sind die zerstörerischen Auswirkungen der Bergbauanlagen zur Gewinnung der Karbonat- und Silikatgesteine .
Am 19.1.2023 wurde der globale Report "State of Carbon Dioxide Removal" veröffentlicht. Dieser Artikel von 2020 wurde deshalb überarbeitet und aktualisiert.