Wie Autobauer ihre Absatzzahlen schönen
4. April 201644 Millionen Autos fahren auf deutschen Straßen, mehr als jeder zweite Deutsche hat ein Auto. "Der deutsche Markt besteht also aus Ersatzbedarf, und der liegt bei knapp über drei Millionen Fahrzeugen im Jahr", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Car-Instituts der Universität Duisburg-Essen.
Jedoch übersteigt das Angebot auf dem deutschen Automarkt seit Jahren die Nachfrage. Um das Ungleichgewicht zu kaschieren, greifen die Autohersteller in die Trickkiste: Sie melden die Fahrzeuge selber an. Diese stehen ein paar Tage später bei den Händlern als Tageszulassung zum Verkauf. Mit anderen Worten: Autokonzerne "kaufen" ihre Produkte selbst, um sie gleich danach wieder ihren Kunden anzubieten - mit Rabatten von bis zu 25 Prozent.
Jeder dritte Wagen ist eine Eigenzulassung
Über 30 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland gehen auf Eigenzulassung zurück. Das geht aus einer aktuellen Studie des Car-Instituts hervor. "Man will dadurch die Produktion ausgelastet haben. Denn ein stillstehendes Band ist viel teurer als 25 Prozent Rabatt", erklärt Dudenhöffer das Motiv der Autobauer.
Da Rabatte die Gewinne schmälern, stellt sich die Frage, warum die Konzerne nicht einfach die Überkapazitäten abbauen. Sie wollten ihre Marktposition halten und den Aktionären zeigen, dass sie gut seien, sagt Dudenhöffer gegenüber der Deutschen Welle: "Also schummelt man sich erfolgreich."
Entfacht wurde die Rabattschlacht vor allem durch Volkswagen. Die in Tschechien hergestellten Skodas haben die gleiche Technik und Qualität wie andere VW-Wagen, die in Wolfsburg vom Band rollen, nur sind die Skokas viel preisgünstiger. Das zwingt den Autobauer bei seinen VW-Modellen zu Rabatten. Autoexperte Dudenhöffer nennt das "Kannibalisierung im eigenen Haus".
Gefährlicher Herdentrieb
Wenn der Marktführer VW mit Rabatten auf den hauseigenen Wettbewerb reagiert, drängen die Kunden auch bei anderen Herstellern auf Preisnachlass. "Wenn sie alle in eine Richtung rennen, entsteht eine Art Lemming-Effekt", so Dudenhöffer.
So wie die Lemminge früher oder später über die Klippe springen, könnte die Rabattschlacht auch den einen oder anderen Autobauer in den Konkurs treiben. Noch drücken die Aktionäre ein Auge zu, da die Gewinne außerhalb Deutschlands die negativen Folgen der Trickserei hierzulande auffangen können. Vor allem dank China hat der weltweite Autoabsatz enorm zugelegt. "Im Jahr 2000 waren wir bei 50 Millionen verkauften Fahrzeugen. Nun sind wir bei 80 Millionen angelangt", sagt der Branchenexperte. Und der Markt wachse weiter, auch wenn das Tempo nachlässt.
Doch das globale Wachstum kann die Schwäche des deutschen Neuwagenmarktes nicht ewig ausgleichen. So werden die Autobauer die Praxis der Zahlenkosmetik irgendwann überdenken müssen. Ferdinand Dudenhöffer erinnert an das Geschäftsgeheimnis von Porsche zur Zeit von Wendelin Wiedeking, das heißt, bevor der Sportwagenhersteller von VW geschluckt wurde: "Wiedeking konnte die Schwankungen im Markt immer so überleben, ohne sich an der Rabattschlacht zu beteiligen."
Das Rezept klingt einfach: In schwachen Zeiten wurden einfach weniger Porsches gebaut, die dann weiterhin zu ordentlichen Preisen verkauft werden konnten. "Der Konzern hat nicht alles selber produziert, sondern Produktionsdienstleister gehabt, die die Spitzen im Markt abgedeckt haben", so Dudenhöffer. Das nennt man Flexibilität.