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Klima: Warum einige Arten besonders wichtig sind

Stuart Braun
16. Dezember 2022

Wölfe, Elefanten oder Torfmoos: Schlüsselarten sind entscheidend für das Überleben von Ökosystemen und zur Bekämpfung des Klimawandels.

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Kopf eines europäischen Wolfs von vorne
Bild: Bernd Thissen/dpa/picture alliance

Alle Tier- und Pflanzenarten sind wichtig für die Natur. Einen besonders großen Einfluss haben jedoch sogenannte Schlüsselarten, sie sind besonders wichtig für die biologische Vielfalt.Ein Beispiel: Wölfe. Nachdem die Menschen im letzten Jahrhundert den Wolf in Europa und den USA fast ausgerottet hatten, veränderte das die Ökosysteme der Wälder. Große Huftiere wie etwa Hirsche und Elche hatten plötzlich keine Fressfeinde mehr, sie vermehrten sich viel schneller als vorher, fraßen zu viel Vegetation und zertrampelten Gebiete, die sie vorher nicht betreten hatten.

Die nun deutlich größere Huftier-Populationen veränderten die Landschaften stark und zerstörten Lebensräume, die für andere Arten wie etwa Singvögel wichtig waren. Vermehrtes Abgrasen führte zu verstärkter Erosion, das veränderte den Lauf von Flüssen, was wiederum ganze Ökosysteme an den Küsten beeinflusste.  

Inzwischen sind viele solcher Schlüsselarten vom Aussterben bedroht - damit sind ganze Ökosysteme in Gefahr, die sie bisher reguliert haben.

Nahaufnahme Antarktischer Krill (Euphausia superba)
Krill sind Mini-Krebse, die nur wenige Zentimeter lang werden und zwei Gramm leicht sind. Blauwale fressen davon etwa 7000 kg pro TagBild: Steve Jones/Stock Trek Images/imago

Was sind Schlüsselarten?

In den frühen 60er Jahren führte der US-amerikanische Ökologe Robert Paine ein grundlegendes Experiment dazu durch. Nachdem er eine bestimme Art muschelfressender Seesterne aus einem Küstenabschnitt entfernt hatte, vermehrten sich die Muscheln derart stark, dass sie miteinander in Konkurrenz um den Lebensraum traten. Die Biodiversität des Gebiets reduzierte sich in Folge stark, so dass teils nur noch eine Muschelart dort lebte. Seeanemonen und andere Arten waren dagegen verschwunden. Für Paine ein klares Zeichen, dass Seesterne eine bedeutende Funktion für die Artenvielfalt in küstennahen Ökosystemen haben.

Den Seestern bezeichnete er als Schlüsselart für dieses Ökosystem, wie der Schlussstein oben in einem gemauerten Torbogen, der alle anderen Steine zusammenhält. Schlüsselarten sind oft Raubtiere, die ganz oben in der Nahrungskette stehen. Doch das gilt nicht für alle Schlüsselarten, manche sind auch ganz weit unten im Nahrungskreislauf: Krill zum Beispiel, eine kleine, fast durchsichtige antarktisches Krebsart, sie reguliert die Nahrungskette des Südlichen Ozeans und ernährt viele Tierarten von Walen bis hin zu Pinguinen und Vögeln. 

Krill ist eine der reichhaltigsten Nahrungsquellen auf unserem Planeten, ohne den Mini-Krebs würden ganze Meeresökosysteme kollabieren. Andere Schlüsselarten sind auch als Ingenieure von Ökosystemen bekannt, dazu gehört zum Beispiel der Biber. Er baut Dämme und legt gleichzeitig tiefe Tümpel and, die als Lebensräume für junge Fische, Schildkröten und Frösche dienen.

Warum ist Plankton wichtig?

Was passiert wenn Schlüsselarten aussterben?

Schlüsselarten sind oft besonders bedroht, dazu gehören beispielsweise auch amerikanische Jaguare oder die Elfenbeinbaum-Koralle, die Futter und Lebensraum für tausende Weichtier- und Fischarten bietet.

Der Jaguar, der einst durch ein riesiges Gebiet von Mexiko bis Argentinien streifte, ist die größte Raubkatze auf dem amerikanischen Kontinent. Er hält Pflanzenfresser wie Hirsche und große Wasserschweine in Schach. Dadurch wird auch die Vegetation erhalten und die Bodenerosion begrenzt. Fehlt die Raubkatze, hat das weitreichende Auswirkungen.

In Uruguay und El Salvador ist der Jaguar jedoch bereits ausgestorben. In Argentinien ist er vom Aussterben bedroht, es gibt nur noch rund 200 Exemplare. 

Auch Elefanten sind eine Schlüsselart, sie erhalten die Graslandschaften der afrikanischen Savannen. Die Tiere roden Sträucher und entwurzeln kleine Akazienbäume, damit erhalten sie den Lebensraum für Weidetiere wie Antilopen, Impalas und Gazellen. Und wenn das größte Landsäugetier der Erde den Boden umpflügt und Wasserlöcher gräbt, profitieren davon auch Zebras und Giraffen, die so eine Chance haben, Dürreperioden zu überleben.

Durch Wilderei ist die Elefantenpopulation in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. 

Winzige gelbe Sumpf-Haubenpilze in Nahaufnahme im Torfmoos
Grüne Torfmoose speichern Wasser, bieten Lebensraum und helfen beim KlimaschutzBild: Dr. Matthias Theiß/dpa/DGfM/picture alliance

Auch Pflanzen haben Schlüsselfunktionen: So ist das auf den ersten Blick eher unspektakuläre grüne Torfmoos eine Schlüsselart. Durch seine exzellente Fähigkeit, Wasser zu speichern, ist es für den Bestand von Mooren von großer Bedeutung. Die Moospflanzen verlangsamen außerdem Verwesungsprozesse in Torfgebieten, wodurch diese weniger Kohlenstoffdioxid ausstoßen. Torfmoore sind global wichtig für das Klima, denn sie speichern große Mengen CO2. Werden sie zerstört, stoßen Moore Treibhausgase aus, anstatt sie zu binden.

Allein in Europa sind derzeit  22,5 % der Pflanzenarten in Mooren bedroht. Und die Wissenschaft zeigt klar: ohne die Moosarten könne die Ökosysteme im Moor nicht effektiv funktionieren.

Was wir von mehr Schlüsselarten haben und warum Otter und Wölfe Ökosysteme schützen

Der Seeotter ist eine Schlüsselart für Ökosysteme an den Küsten, im 19. Jahrhundert wurde er allerdings fast ausgerottet. Nachdem die Pelzjagd auf den Otter 1911 international verboten wurde, wuchsen die Populationen wieder, insbesondere an der nordamerikanischen Westküste. 

Seeigel und Krustentiere hatten dort ohne den Fressfeind die Seetangwälder überwuchert, diese konnten sich nun wieder regenerieren und boten wiederum Lebensraum für eine Vielzahl von Meeresarten, darunter Fische und wirbellose Tiere wie Tintenfische und Garnelen. Geschützte Seeotter sorgen heute von Kalifornien bis Alaska für ein artenreiche Unterwasserwelt.

Die Wölfe waren über 70 Jahre aus dem Gebiet des heutigen Yellowstone-Nationalparks vertrieben worden, bevor sie 1995 wieder eingeführt wurden. Die Idee war, ein angeschlagenes Ökosystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen. 

Die Wiederansiedlung des Raubtiers in dem größtenteils im US-Bundesstaat Wyoming gelegenen Park hat sich rasch ausgezahlt. 

Die Wölfe begrenzten die Zahl von Elchen und Hirschen, so konnte sich die Pflanzenwelt erholen. Die von Wölfen erlegten Tierkadaver dienten als Nahrung für eine Vielzahl von Arten wie Raben, Adlern und Bären. Weil sich Kojoten aus den wieder eroberten Wolfsrevieren zurückzogen, profitierten andere kleinere Raubtiere und Nagetiere, so der US National Park Service.

Weniger Huftiere, die den Boden zertrampelten, bedeutete auch, dass die Bodenerosion rasch zurückging und sich Pflanzenarten entlang der Flüsse regenerieren konnten. Dies wiederum brachte die Biber zurück, die sich um den Aufbau weiterer Ökosysteme kümmerten. 

"Es ist, als würde man einen Kieselstein einen Berghang hinunterkicken - ein einziger Kieselstein löst eine Lawine an Veränderungen aus", so der Biologe Doug Smith, der das Yellowstone Wolf Project leitet.

Redaktion: Tamsin Walker and Jennifer Collins

Dieser Text wurde auf Englisch geschrieben und ins Deutsche adaptiert

 

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.