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Widerstand gegen Sanktionen wächst

Christoph Hasselbach4. September 2014

Die EU will Russland mit weiteren wirtschaftlichen Strafmaßnahmen in die Schranken weisen. Doch einige Mitgliedsstaaten machen sich Sorgen ums Geschäft, einige auch um kalte Wohnzimmer.

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Russische Bank mit Stoppschild Foto: picture-alliance/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Das Entsetzen bei der EU ist groß: Russland ist militärisch immer offener und mit immer mehr Soldaten in der Ostukraine präsent. Alle Gesprächsangebote an Moskau haben bestensfalls für eine kurze Atempause und ein paar warme Worte von Präsident Wladimir Putin gesorgt, zum Teil ging der russische Vormarsch sogar während der Verhandlungen weiter. Eine militärische Intervention, selbst Waffenlieferungen an die ukrainische Armee, kommen für die EU-Staaten nicht infrage.

Also wollen sie die Sanktionsschraube noch weiter anziehen. Bereits jetzt ist die EU bei der dritten Sanktionsstufe angelangt, die nicht nur einzelne Personen und Unternehmen, sondern ganze Wirtschaftszweige trifft. Dazu gehören der Finanzbereich, Rüstungsgüter und andere wichtige technische Branchen. Russland seinerseits hat darauf mit einem weitgehenden Embargo für europäische Lebensmittel reagiert, das manche Länder hart trifft.

Frankreich kann Kriegsschiffe auch später liefern

Europäische Unternehmer und Gewerkschaften haben die bisherige Sanktionspolitik mehr oder weniger widerwillig mitgetragen. Doch je näher eine konkrete Entscheidung über neue Strafmaßnahmen rückt, desto größer wird der Widerstand. Immerhin, Frankreich hat jetzt die Auslieferung des ersten der beiden Hubschrauberträger an Russland gestoppt. Die Schiffe werden in einer französischen Werft gebaut, das erste sollte im Oktober der russischen Marine übergeben werden. Obwohl die EU solches klassisches Kriegsgerät eigentlich seit den Juli-Sanktionen auf dem Verbotsindex hat, hatten die EU-Staats- und Regierungschefs auf französischen Druck hin beschlossen, bereits zugesagte Aufträge dürften noch abgewickelt werden.

Kriegsschiff in der Werft Foto: J.-S.Evrard/AFP/Getty Images
Einer der beiden Hubschrauberträger der "Mistral"-KlasseBild: J.-S.Evrard/AFP/Getty Images

Es geht hier um die Riesensumme von mehr als einer Milliarde Euro, die die angeschlagene französische Industrie gut gebrauchen kann. Doch es hagelte Proteste. Manche Europaabgeordnete machten sogar den verzweifelten Vorschlag, die EU solle Frankreich die Schiffe abkaufen, um Russland solche wirkungsvollen Offensivwaffen vorzuenthalten. Jetzt erst hat die französische Regierung eingelenkt. Präsident François Hollande hat in einer Stellungnahme gesagt: "Die Bedingungen für die Auslieferung sind nicht gegeben. Russlands jüngstes Vorgehen richtet sich gegen die Grundlagen der europäischen Sicherheit." Hollande hat aber eine spätere Lieferung nicht ausgeschlossen. Das wäre von den Sanktionen durchaus gedeckt, wenn auch politisch hochbrisant.

Problem Gasabhängigkeit

Widerstand gegen neue Sanktionen kommt jetzt unter anderem von Österreich, Tschechien und der Slowakei. Viele österreichische Banken sind stark im Russlandgeschäft engagiert. Tschechien fürchtet um seine Maschinenbauexporte. Begründung: Eine Abgrenzung von einer grundsätzlich erlaubten zivilen zur verbotenen militärischen Nutzung sei schwer vorzunehmen. Bei der Slowakei geht es zum Beispiel um Stahlröhren, die das Land gern weiter an Moskau verkaufen will. Es leidet aber auch unter dem russischen Einfuhrstopp für sein Obst.

Polen dagegen ist bei Lebensmitteln vielleicht noch stärker betroffen, nimmt die Geschäftsrückgänge aber hin. Es gehört zu den Ländern, die eine besonders harte Gangart gegenüber Moskau einschlagen, auch weil Polen noch sehr gut die Zeit unter sowjetischer Besatzung kennt. Wieder andere EU-Länder haben ein Sonderproblem: Finnland oder die baltischen Staaten sind fast vollständig von russischen Gaslieferungen abhängig und wären unmittelbar betroffen, sollte Moskau ihnen als Vergeltung den Gashahn zudrehen.

Verständnis bei den Linken für Putin

Doch der Widerstand gegen neue Sanktionen zumindest zum jetzigen Zeitpunkt kommt auch aus dem Europaparlament, sogar von höchster Stelle. Parlamentspräsident Martin Schulz spricht sich in einem Interview mit der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" zwar nicht grundsätzlich gegen sie aus, betont aber, der Gesprächsfaden mit Russland dürfe "gerade in Krisenzeiten nicht reißen". Bereits die bestehenden Sanktionen träfen Russland hart. Im Moment müsse es vor allem darum gehen, "eine Eskalation zu vermeiden". Offenbar möchte er mindestens noch damit warten. Der Sozialdemokrat Knut Fleckenstein rät den EU-Regierungen, weitere Sanktionen "nur nach sorgfältiger Auswertung der Fortschritte hin zu einer politischen Lösung" zu beschließen. Putins Friedensplan solle "eine Chance bekommen". Deutlich ablehnend gegen Sanktionen ist die Linke im Europaparlament. Und nicht nur das, die Fraktion sieht geradezu eine Verschwörung gegen Putin im Gange. Ihre außen- und sicherheitspolitische Sprecherin Sabine Lösing sieht das "Säbelrasseln" nicht beim russischen Präsidenten, sondern bei EU und NATO: "Putin wird systematisch zum eiskalten, größenwahnsinnigen Sonderling stilisiert - Dämonisierung des politischen Gegners ist ein altbekanntes Mittel medialer Manipulation."

Obststand Foto: DW/E. Winogradow
Lebensmittel aus der EU werden in Russland MangelwareBild: DW/E. Winogradow

Das Problem für die EU ist auch der Zwang zur Einstimmigkeit: Nur einer der 28 Mitgliedsstaaten müsste "nein" sagen, um verschärfte Sanktionen scheitern zu lassen. Die Hürde für eine Entscheidung ist also hoch. Zumindest nach außen will die EU aber sowohl Entschlossenheit als auch Einigkeit zeigen. Als Ergebnis dürfte ein Beschluss stehen, der die Sanktionen nur wenig verschärft und den EU-Staaten nicht allzu weh tut, der aber damit auch gegen Russland wenig ausrichten dürfte.