Die Rückkehr der Gonorrhö
7. Juli 201778 Millionen Menschen stecken sich jedes Jahr mit Gonorrhö an. Der Erreger ist clever. Auf neue Antibiotika reagiert er mit Resistenzen. Und so warnt die WHO vor Erregerstämmen, die nicht behandelbar sind, Superkeime. Noch vor einigen Jahren war die Gonorrhö - auch als Tripper bekannt – aus dem Bewusstsein der meisten Menschen verschwunden. Jetzt ist sie wieder da, und sie breitet sich aus.
Man glaubte, die klassischen Geschlechtskrankheiten, zu denen auch Gonorrhö gehört, im Griff zu haben. Weltweit ist sie die dritthäufigste der sexuell übertragbaren Infektionen. "Alle sexuell übertragbaren Krankheiten – nicht nur die Gonorrhö – feiern ein nicht geahntes Comeback", erklärt Professor Norbert Brockmeyer von der Dermatologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum. "Dieser Anstieg ist sehr verwunderlich, weil wir eine eher steigende Tendenz beim Gebrauch von Kondomen sehen." Es handele sich vermutlich um sexuell hochaktive Menschen, so der HIV-Experte weiter. Besonders gefährdet seien die sogenannten MSM – Männer, die Sex mit Männern haben.
Unfruchtbarkeit kann eine Langzeitfolge sein
Übertragen wird die Gonorrhö vor allem beim Sex. Anal- und Vaginalverkehr gehören zu den Infektionswegen genauso wie ungeschützter Oralverkehr. Es gibt Unterschiede zur Ansteckung mit HIV. "Bei bakteriellen Infektionskrankheiten können Sie sich schon über Fingerkontakt anstecken. Wenn Sie Scheidenflüssigkeit an den Händen haben, dann können Sie sich so beispielsweise mit einer Syphilis oder einer Gonorrhö infizieren", erläutert Brockmeyer.
Beim Mann kommt es innerhalb einer Woche meist zu einem eitrigen Ausfluss aus der Harnröhre. Im schlimmsten Fall kann Tripper zur Unfruchtbarkeit führen. Bei Frauen macht sich eine Infektion auf ähnliche Art bemerkbar, manchmal passiert es aber auch, dass die Erkrankung ohne jegliche Symptome verläuft. Dann ist die Gefahr groß, dass sich die Gonorrhö weiter ausbreitet, weil sie eben nicht direkt behandelt wird. "Es kann dann zu einer Entzündung des kleinen Beckens kommen", erklärt Dr. Viviane Bremer vom Robert-Koch-Institut, "und anschließend auch zu einer Verklebung der Eileiter. Das heißt, dass die Frau keine Kinder mehr kriegen kann."
Bei Schwangeren, die sich mit Gonorrhö angesteckt haben, besteht die Gefahr, dass die Infektion auf das Neugeborene übertragen wird. "Bei Babys betrifft die Gonorrhö vor allen Dingen die Augen", so Bremer. Dann entwickeln sich beim Neugeborenen bereits wenige Tage nach der Geburt die Symptome: Die Lider sind geschwollen, die Augen sehr lichtempfindlich. Behandelt wird eine solche Infektion mit einem Antibiotikum.
Wenn nichts mehr wirkt
Lange war die Gabe eines Antibiotikums das Mittel der Wahl. Inzwischen zeigen internationale Überwachungsprogramme, dass immer häufiger Antibiotika-Resistenzen auftreten. Man könne natürlich noch auf Antibiotika-Kombinationen zurückgreifen, so Bremer. "Im Extremfall führt das aber dazu, dass man eine einfache Gonorrhö nicht mehr vernünftig therapieren kann." Alternativsubstanzen gibt es nicht, die Entwicklung eines Impfstoffes liegt in weiter Ferne.
Bewusstsein schaffen
Neben der Entwicklung wirkungsvoller Therapien setzt die STI-Gesellschaft auf wirkungsvolle Prophylaxe. So soll das Kürzel STI – Sexually Transmitted Infections – genauso in das Bewusstsein der Menschen gelangen wie HIV. Die HIV-Infektionen sind seit vielen Jahren relativ konstant, auch dank der unzähligen Aufklärungskampagnen. Deutschland habe weltweit die niedrigste Ansteckungsrate, so Brockmeyer: "Wir haben uns in den letzten Jahren gezielt auf HIV konzentriert. Mittlerweile aber gibt es immer häufiger Kampagnen, die sich mit altbekannten Erkrankungen wie Gonorrhö und Syphilis beschäftigen."
Was HIV und Aids ist, wissen die meisten. Anders sieht es bei den klassischen Geschlechtskrankheiten aus. Nicht vielen ist klar, welche überhaupt dazugehören und was hinter den verschiedenen Begriffen steckt, etwa wenn es um Chlamydien geht und um Hepatitis B, um Herpes Genitalis und Papillomavirus und auch um Syphilis und Gonorrhö. Aufklärung tut Not. Die Gefahr, sich mit HIV anzustecken, ist erheblich größer, wenn sich jemand bereits mit einer der klassischen Geschlechtskrankheiten infiziert hat.
Aufklärung tut not
Die verschiedenen Kampagnen richten sich vor allen Dingen an Jugendliche und junge Erwachsene. So will die STI-Gesellschaft etwa darüber aufklären, wie man sich verhalten sollte und wie man sich vor Ansteckung schützen kann. Aber es geht auch darum, an welchen Orten der Welt, welche Geschlechtskrankheiten gerade besonders verbreitet sind. Die Zeiten, in denen über Geschlechtskrankheiten nicht gesprochen wurde, sind zwar vorbei, auch die Zeiten, in denen sie in Verbindung mit dunklen Gassen, rauchigen Kneipen und Hinterhofbordellen gebracht wurden, aber der Vergangenheit gehören sie noch lange nicht an.