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Whistleblower sucht Unterschlupf

Jennifer Fraczek13. Juni 2013

Der Whistleblower Edward Snowden ist auf der Flucht - und vorerst in Hongkong untergetaucht. Vielleicht kann er dort bleiben. Aber welche Länder nehmen überhaupt Flüchtlinge wie ihn auf, und was sind ihre Motive?

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Der Whistleblower Edward Snowden (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden, Wikileaks-Gründer Julian Assange, der chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng, der venezolanische Oppositionsführer Carlos Ortega - es gibt allein in jüngster Zeit einige Beispiele für Menschen, die in einem Land Asyl suchen, weil sie in einem anderen eine Bestrafung fürchten. Snowden ist nach Hongkong geflohen, die drei anderen haben sich in Botschaften von Ländern geflüchtet, die sie - erst einmal - in Ruhe lassen. Chen Guangcheng durfte schließlich in die USA ausreisen, Ortega ging nach Costa Rica.

Assange, der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, befindet sich seit einem Jahr in der ecuadorianischen Botschaft in London. Es gibt einen schwedischen Haftbefehl gegen ihn, Vergewaltigungsvorwürfe stehen im Raum. Assange befürchtet, dass er von der schwedischen Regierung an die USA ausgeliefert und dort wegen der Veröffentlichung Tausender geheimer US-Militär- und anderer Dokumente für lange Zeit ins Gefängnis muss.

Die Botschaft Ecuadors in London (Foto: Reuters)
Seit einem Jahr Assanges Zuhause: die Botschaft Ecuadors in LondonBild: Reuters

"Jeder Staat kann selbst entscheiden"

Ecuador hat ihm Asyl gewährt. Doch inwieweit darf ein Land überhaupt festlegen, ob es einem Flüchtling Asyl gewährt oder nicht?

"Grundsätzlich kann jeder Staat selbst darüber entscheiden, wem er politisches Asyl gewährt - es sei denn, das ist aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages geboten oder ausgeschlossen", so der Rechtswissenschaftler Thilo Marauhn von der Universität Gießen zur Deutschen Welle. Das heißt: Wenn ein Land beispielsweise der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten ist und der Betroffene etwa wegen seiner politischen Überzeugungen verfolgt wird, muss das Land seine Bitte um Asyl erfüllen. So eine Pflicht gibt es nicht, wenn das Land entweder die Konvention nicht unterstützt oder der Betroffene eben kein politischer Flüchtling ist.

Gibt es keine Pflicht, ihm Asyl zu gewähren, hat das Land trotzdem die Möglichkeit, ihn aufzunehmen. Dann kommt es darauf an, ob es ein Auslieferungsabkommen gibt. Laut dem Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Hongkong zum Beispiel hat Hongkong die Möglichkeit, die Auslieferung zu verweigern, wenn der Verdacht besteht, dass Snowden wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt wird.

Thilo Marauhn von der Universität Gießen (Foto: Franz Möller)
Thilo Marauhn: Snowden wird wahrscheinlich ausgeliefertBild: Franz Möller

"Das kann Edward Snowden in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen. Aber meine Einschätzung ist, dass er damit im Ergebnis nicht erfolgreich sein wird, sondern seine Auslieferung nur verzögern kann", sagt Marauhn.

Politische Instrumentalisierung

Im Fall Snowden muss also abgewartet werden, zumal es noch gar keine Anklage gegen ihn in den USA gibt. Julian Assange hat ihm trotzdem schon mal empfohlen, Asyl in Ecuador zu beantragen. Russland prüft offenbar auch, ob Snowden aufgenommen werden kann.

Die Asyl-Bereitschaft von Staaten, denen Menschenrechtler zumindest eine eingeschränkte Meinungsfreiheit bescheinigen, erklären sich Experten mit der politischen Botschaft eines solchen Schritts. "Dass andere Länder das tun, ist der Tatsache geschuldet, dass normalerweise die demokratischen Staaten politische Flüchtlinge aus China, Burma, Russland oder anderen Staaten aufnehmen. Wenn diese wiederum Flüchtlinge aus den USA aufnehmen, wollen sie damit sagen: Schaut her, Amerikaner, offenbar ist es mit eurer Freiheit auch nicht so weit her, ihr produziert auch politische Flüchtlinge", sagte Sylke Tempel von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik der Deutschen Welle.

Sylke Tempel von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (Foto: Marco Limberg)
Sylke Tempel: manche Staaten instrumentalisieren die AsylfrageBild: Marco Limberg

Auch Bobby Fischer ging ins Exil

Mitunter wird um die Frage Asyl oder Auslieferung lange diplomatisch gerungen - selbst wenn es sich bei den Gesuchten um Kriegsverbrecher oder Despoten handelt. Der frühere DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker kam Ende 1991 für ein halbes Jahr in der chilenischen Botschaft in Moskau unter, bevor er an Deutschland ausgeliefert wurde. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fanden zahlreiche Nationalsozialisten in Lateinamerika Unterschlupf. Paraguay etwa war unter der Diktatur des deutschstämmigen Offiziers Alfredo Stroessner, die von 1954 bis 1989 dauerte, ein Zufluchtsort für deutsche Nazis und gestürzte lateinamerikanische Gewaltherrscher.

Ein eher skurriler Fall war der des US-amerikanischen Schachweltmeisters Bobby Fischer, der in Jugoslawien ein Turnier spielte, damit gegen ein US-Wirtschaftsembargo verstieß, sich daraufhin mit seinem Heimatland überwarf und schließlich in Island Asyl fand - wobei die isländischen Offiziellen damals betonten, es handle sich hierbei um eine Geste der Solidarität gegenüber einem außergewöhnlichen Meister, nicht gegenüber seinen politischen Ansichten.