WFP warnt vor Hungersnot in Afghanistan
28. Januar 2022Afghanistan sei nach 20 Jahren Konflikt mit den Taliban bereits eines der ärmsten Länder der Welt gewesen, sagte David Beasley, Direktor des UN-Welternährungsprogramms (WFP), in einem Interview mit der DW. Aber die Situation habe sich seit der Machtübernahme der Taliban drastisch verschärft. Im ersten Winter unter deren Herrschaft sei die Lage katastrophal. Rund 23 Millionen Menschen, also mehr als die Hälfte der 40 Millionen Einwohner Afghanistans, seien akut von Hunger bedroht.
Kinder werden aus Not verkauft
Die Lage sei so schlimm, dass viele Familien zwischen Nahrung und Heizung wählen müssten, sofern sie überhaupt die finanziellen Mittel dazu hätten. Bei einem Besuch in Afghanistan habe er persönlich mit einer Mutter gesprochen, die ihm gesagt habe, dass sie ihre Tochter verkaufen musste, um Lebensmittel für ihre Familie zu bekommen, sagte Beasley der DW.
Beasley nennt Superreiche Profiteure der Pandemie
Die Taliban hätten dem WFP erlaubt, in Afghanistan zu arbeiten. Das größte Problem für die UN-Organisation sei nicht der Zugang zu den Notleidenden, sondern die Finanzierung der Hilfsprojekte.
Beasley rief die Reichsten der Welt dazu auf, bei der Lösung der aktuellen Hungerkrise zu helfen. Während der Corona-Pandemie hätten die Milliardäre verdient wie niemals zuvor. Über 5,2 Milliarden Dollar Nettovermögen seien pro Tag hinzugekommen. Alles, was das Welternährungsprogramm brauche, sei der Vermögenszuwachs eines Tages, um die kurzfristige Krise zu bewältigen.
Humanitäre Hilfe könne jedoch keine langfristige Lösung für Afghanistan sein, betonte Beasley. Die müsse darin bestehen, einen Weg zu finden, die Wirtschaft des Landes wiederzubeleben.
UNICEF: Tödlicher Kreislauf für Kinder in Afghanistan
Laut Kinderhilfswerk UNICEF Deutschland ist davon auszugehen, dass viele Kinder in Afghanistan den Winter nicht überleben. Von "Hunger, eisiger Winterkälte und unvorstellbarer Not" berichtet Geschäftsführer Christian Schneider. Die humanitäre Hilfe müsse massiv ausgeweitet werden.
Jede Familie, mit der UNICEF gesprochen habe, berichte, dass sie nicht genug zu essen habe. "Meist gibt es nicht mehr als Brot mit Tee und Zucker", berichtet der UNICEF-Geschäftsführer. Viele Mütter seien so schwach, dass sie ihre Kinder nicht mehr stillen könnten.
Akute Mangelernährung, Krankheiten, der lang andauernde Winter und der unzureichende Zugang zu sauberem Trinkwasser erzeugen nach Einschätzung von UNICEF einen tödlichen Kreislauf für Kinder. Acht von zehn Menschen trinken demnach verschmutztes Wasser, mit gravierenden Folgen für die Gesundheit. 13 Millionen Kinder in Afghanistan brauchten humanitäre Hilfe.
"Immer wieder begegnen wir Kindern, die mit offenen Sandalen kaum geschützt durch den Schnee laufen", sagte Schneider. Die Krise in Afghanistan dürfe "nicht länger auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden".
qu/pg (dw, kna)