Wettmafia im Visier
2. Dezember 2013Über mangelnde Beschäftigung kann Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann nicht klagen. Seit 2008 ermittelt er bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Bochum gegen Mitglieder einer Wettmafia, die nicht nur in Deutschland Fußballspiele manipuliert hat und weiter aktiv ist. Noch heute erhält Bachmann im Durchschnitt in der Woche drei Mitteilungen über mögliche Manipulationen von Spielen, denen er nachgeht.
Mit Ante Sapina muss sich einer der Drahtzieher erneut vor dem Landgericht Bochum verantworten. Daran, dass Sapina an der Manipulation von über 30 Fußballspielen in Deutschland, Belgien, Slowenien, Ungarn und der Schweiz beteiligt war, besteht kein Zweifel. Dafür wurde er schon 2011 zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Doch da der Bundesgerichtshof Fehler im ersten Verfahren beanstandet hat, kommt es zu einer Neuauflage des Prozesses.
Der Schaden, der Buchmachern durch diese Machenschaften der Wettmafia entstanden ist, beläuft sich auf über vier Millionen Euro. Doch der Sumpf sei trotz erster Erfolge und Verurteilungen noch längst nicht trocken gelegt, stellt Bachmann fest. "Wir können heute sagen, dass es um Schäden in Höhe von dreistelligen Millionenbeträgen geht. Also wir sind weit über 100 Millionen Euro pro Jahr an Schaden gekommen - wobei das unseres Erachtens nur die Spitze des Eisbergs ist."
Auch Tennis und Basketball betroffen
Manipuliert werden nach Bachmanns Kenntnis nicht nur Fußballspiele in Europa, sondern auch auf dem amerikanischen Kontinent, in Asien und Australien. Außerdem begnügt sich die Wettmafia nicht mehr nur mit Fußball. Aufgedeckt haben die Ermittler inzwischen auch Manipulationen von Tennis- und Basketballspielen. Zu tun habe man es, sagt Andreas Bachmann, mit ganz unterschiedlichen Täterstrukturen. "Einmal sind es Sportler, die am Ende ihrer Karriere stehen und noch ein paar Euro verdienen wollen. Andererseits sind es aber auch Personen aus dem Milieu des Glücksspiels, die versuchen, durch Fußballwetten ihre Gewinne zu maximieren."
Die Fußballbundesliga allerdings ist für die Wettbetrüger offenbar ein paar Nummern zu groß. So sei bei aufgezeichneten Telefonaten von nötigen Bestechungsgeldern in Höhe von 150.000 Euro pro Bundesligaspieler die Rede gewesen, erinnert sich der Bochumer Oberstaatsanwalt. Bei drei Spielern hätte das einen Aufwand von fast einer halben Million Euro bedeutet. Einschließlich weiterer Millionen für die Wetteinsätze habe sich das für die Täter wohl nicht gerechnet. Mit bekannten Folgen. "Man geht dann lieber in Ligen, wo 5000 bis 10.000 Euro pro Spieler gezahlt werden."
Junge Spieler sind besonders gefährdet
Das weiß auch Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV): "Mittlerweile versuchen Wettbetrüger auch hier in Deutschland, gezielt junge Spieler aus der A-Jugend-Bundesliga und den Regionalligen mit erheblicher krimineller Energie als leichte Opfer für Spielmanipulationen anzuwerben." Um dem einen Riegel vorzuschieben, schult die VDV die jungen Spieler schon in ihrer Berufsvorbereitungsreihe "Fit for Job".
Darüber hinaus, sagt Baranowsky, habe man gemeinsam mit dem DFB und der DFL die Kampagne "Spiel kein falsches Spiel" gestartet. "Dabei lernen die Spieler, welche Wettverbote und Regeln sie beachten müssen, wie sie sich bei Anwerbeversuchen von Kriminellen verhalten sollen, wo Manipulationsversuche gemeldet werden müssen und wo sie vertrauliche Hilfe bekommen." Zur Unterstützung in solchen Fällen haben DFB und DFL außerdem einen externen Ombudsmann eingesetzt.
Via Internet auf die Philippinen
Zu den Fußballverbänden, kann Oberstaatsanwalt Bachmann bestätigen, "hat sich ein sehr gutes Kontaktgeflecht aufgebaut." Das ändert nichts an den Aktivitäten der Wettmafia. Gesetzt werden solche Wetten im Internet unter Vermittlung von europäischen Wettanbietern vorwiegend in Österreich, England und Malta. Die meisten Wege aber, so Andreas Bachmann, führen auf die Philippinen. "Dort sitzen die weltgrößten Wettanbieter, die Umsätze von sechs Milliarden Euro im Jahr machen. Und da werden auch entsprechend hohe Gewinne erzielt." Insofern ist für Bachmann die internationale Kooperation das A und O, um Betrügern das Handwerk zu legen. Im Rahmen noch laufender Verfahren gab es Kontakte zu den Ermittlungsbehörden in 50 Ländern.
Ins Netz der Ermittler ging jüngst ein alter Bekannter von Ante Sapina. Der ehemalige Mitangeklagte und Kronzeuge Nureffin Günay wurde in der Türkei verhaftet. Dem 35-Jährigen wird zur Last gelegt, ein Wettportal geführt zu haben, das Spiele in ganz Europa angeboten hat. Manipulierte Spiele, bei denen Dutzende von Geldboten im Einsatz gewesen sein sollen. Als Firmensitz des Portals galt Malta, doch die Homepage von Günay wies als Landeskennung Asien aus.
Für Oberstaatsanwalt Bachmann geht es erst einmal darum, das neu aufgerollte Verfahren gegen Wett-Betrüger Sapina mit einem rechtskräftigen Urteil abzuschließen. Danach gibt es für ihn allerdings noch jede Menge Arbeit. Er muss Wettbetrügern auf die Spur kommen, die grenzüberschreitend mehrere 100 Millionen Euro bewegen.