Wetterwarnungen so genau wie nie zuvor
14. Juli 2016"Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist." Diese verballhornte deutsche Bauernregel weist humoristisch auf ein Problem hin, das Meteorologen seit jeher haben: Bei jeder Wettervorhersage gibt es fast immer auch Gebiete, für die diese Vorhersage nicht oder nur teilweise zutrifft.
Besonders kritisch ist dies bei Unwetterwarnungen, beispielsweise vor Glatteis, Starkregen mit Überflutungsgefahr, Orkan, schwerem Schneefall oder Gewittern. Denn dann müssen Bürger, Feuerwehr und Katastrophenschutz reagieren - Gefahrbereiche wie Wälder meiden, Überflutungsgebiete evakuieren oder einfach nur besser Zuhause bleiben.
Wenn der angekündigte Sturm nur ein stärkerer Wind bleibt
Tritt dann aber das Unwetter gar nicht ein, kann es recht peinlich werden, wie dieses Jahr beim Rosenmontagsumzug in Düsseldorf. Der war wegen eines angekündigten Sturms abgesagt worden. Hinterher stritten die Düsseldorfer darüber, ob es nicht doch eine Überreaktion war. Es war zwar an dem Tag etwas windiger als sonst, aber längst kein wirklich gefährlicher Sturm.
Dabei ist Deutschland - was Unwetterwarnungen angeht - schon seit einiger Zeit sehr gut aufgestellt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat ein Warnsystem, mit dem Betroffene Unwetterwarnungen für bestimmte Landesteile per Email, als SMS auf das Handy oder über eine Smartphone-App bekommen können. Im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern war hier das Warnnetz schon sehr detailliert gestaltet.
Warnungen nur noch an die, die sie wirklich brauchen
Aber es geht noch besser. Deshalb hat der DWD sein System jetzt verfeinert. In Zukunft werden Warnungen nicht mehr für ganze Landkreise ausgesprochen, sondern für einzelne Gemeinden. Es gibt in Deutschland etwa 400 Landkreise, aber 10.000 Gemeinden. Damit wird das System um etwa das 25-fache präziser.
"Es hat sich gezeigt, dass eine Warnung auf der Basis von Landkreisen oft zu grob ist, " erklärt DWD-Meteorologe Hans-Joachim Koppert "Es gibt Landkreise, da liegen zwischen dem östlichen und westlichen Rand fast 70 Kilometer. Wenn wir vor einem Gewitter in einem Landkreis warnen, das am östlichen Ende entsteht, sieht ein Bürger am westlichen Ende vielleicht nur einen blauen Himmel."
Das bisherige System war nämlich auf die Organisation des Katastrophenschutzes zugeschnitten. Und der ist auf Landkreisebene organisiert. Aber das haben viele Bürger gar nicht verstanden, sagt Koppert: "Die denken sich dann: Was soll das eigentlich?"
Ein anderes Beispiel: Gilt etwa eine Warnung vor schweren Sturmböen nur für Gebiete hoch oben im Gebirge, ist es unsinnig, einen riesigen Landkreis zu warnen, dessen größte Fläche tiefer gelegen ist. Dann reicht es auch, nur den einen Ort zu warnen, der wirklich auf einer Hochebene liegt.
Nicht alles den Computern überlassen
Die Berechnung der Wettermodelle übernehmen heute Computer. Sie verarbeiten eine riesige Fülle von Messdaten aus der ganzen Welt. Aber dann folgt Handarbeit: "Wir setzen den Menschen an eine Stelle, wo er einen echten Mehrwert generiert und eine wesentliche Verbesserung in diesem Vorhersagesystem erzielen kann", sagt Koppert. Der Schlüssel zu einer präzisen Unwetterwarnung sei der Meteorologe mit seinem Verständnis der Wetterlage.
Und nicht jede Vorhersage ist gleichermaßen einfach. "Wenn wir eine Dauerregenlage oder ein winterliches Sturmtief mit hohen Windgeschwindigkeiten haben, können wir Tage im voraus warnen, weil diese Situation relativ gut vorhersagbar sind", sagt der Meteorologe. Anders sieht es aber mit sommerlichen Gewittern aus. "Die Atmosphäre weiß jetzt noch nicht, wo sie in zwei oder drei Stunden ein Gewitter entstehen lässt. Da sind wirklich chaotische Vorgänge am walten. Wir können Gewitter nur vorhersagen, wenn es zumindest ansatzweise schon zu sehen ist."
Der dreidimensionale Blick in die Atmosphäre
Aber Koppert ist zuversichtlich, dass es auch für solche schwierigen Vorhersagen in Zukunft Lösungen geben wird. Schon jetzt ist es möglich, mit einem dichten Netz von Niederschlagsradaren ein nahezu dreidimensionales Bild der Atmosphäre zu erzeugen, auf dem die Dichte von Regen, Schnee oder nebligem Niederschlag auf verschiedenen Höhen zu erkennen ist.
In Zukunft könnten Daten von bestehenden GPS-Bodenstationen dieses Bild noch anreichern. Sie könnten Informationen über die dreidimensionale Verteilung von Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre liefern. Das ist möglich, weil der Funk-Signalweg zwischen Bodenstation und Satellit durch die Luftfeuchtigkeit beeinflusst wird.
Soweit ist es noch nicht, aber die regional genaueren Unwetterwarnungen stehen ab sofort jedem auf der DWD Webseite zur Verfügung. Eine neue Unwetter-Warn-App soll dann ab Anfang August bereitstehen.