Wettbetrug – Fortsetzung folgt
7. Februar 2013Die Ermittler von Europol haben in Den Haag eine Bombe gezündet, der sie den Namen Operation "Veto" gaben. Sie scheint geeignet zu sein, den Profi-Fußball schwer zu erschüttern - wieder einmal. Die Dimensionen des Bestechungsskandals lassen erschrecken. Vor allem weil die von der europäische Polizeibehörde veröffentlichten Zahlen nur die Spitze des Eisberges zu sein scheinen. Chris Eaton, ehemaliger FIFA-Ermittler gegen Wettbetrug, kennt den südostasiatischen Wettmarkt und dessen Einfluss auf den europäischen Fußball. Für ihn ist alles nur eine Frage des Kapitals.
Nach seiner Tätigkeit für die FIFA spezialisierte sich der frühere Polizist auf den südostasiatischen Wettmarkt. Er will herausfinden, wie viel Geld dort eingesetzt wird, nach welchen Mechanismen dies geschieht und inwiefern Kriminelle davon profitieren. Dabei ist er auf eine simple Regel gestoßen: "Sie manipulieren alles, wozu sie Zugang haben. Je mehr Geld auf ein bestimmtes Spiel gesetzt ist, umso größer ist das Interesse, dieses Spiel zu manipulieren."
Simple Marktreaktion
Eaton hält die verschobenen Spiele in Europa und anderen Regionen der Welt für kaum mehr als eine "Marktreaktion auf die Leute, die wetten". Die Wetter würden entscheiden, welches die bedeutendsten Fußballspiele seien. Man könnte annehmen, dass die bedeutsamsten Spiele die der Premier League seien oder die der anderen großen europäischen Ligen in Spanien, Frankreich oder Deutschland. Aber oft wird auch auf australische Ligaspiele oder welche aus Süd- und Mittelamerika gewettet. Viel Geld werde bei Volleyballwetten und im Baseball in Korea eingesetzt, weiß Eaton. "Die südostasiatischen Wetter wetten auf alle möglichen Sportarten."
Das Feld, in dem gewettet wird, ist also groß. Die Wege des Geldes führen jedoch in immer die gleiche Richtung. "Die Zentren sind Manila auf den Philippinen, Hongkong und Macao", meint Eaton. 70 Prozent des bei den Wetten eingesetzten Geldes stammt auch aus Südostasien, und hier vornehmlich aus China, hat er beobachtet. "Aber bestimmt 30 Prozent stammt von Europäern, Afrikanern und Südamerikanern und dies hauptsächlich per Internet, SMS und auf anderen elektronischen Wegen", fügt er hinzu.
Entscheidungskriterien für den Betrug
Natürlich sind für Eaton nicht die Wetter schuld am Wettbetrug. Sie gehörten schließlich mit zu den Opfern, wenn Spiele nicht sportlich entschieden würden, worauf sich die Wetter in ihren Einschätzungen verließen, sondern durch Betrug. Aber ihre Einsätze liefern den Wettbetrügern eine Entscheidungsgrundlage. Denn da, wo viel Geld auf ein bestimmtes Resultat gesetzt wird, lohnt es sich, ein Spiel so zu beeinflussen, dass ein anderes Ergebnis herauskommt.
Eaton hat dabei Entscheidungsabläufe ausgemacht, in denen die Gier nach Geld mit der fachlichen Einschätzung, wo Manipulationen leichter zu erreichen sind, abgewogen wird. Nicht immer schließlich sind die profitabelsten Spiele auch die, die man leicht beeinflussen kann. Dafür gelten andere Kriterien. "Vom kriminellen Gesichtspunkt aus ist jeder Sport mit einem leichten Zugang zu Spielern und Schiedsrichtern interessant, um das Resultat zu manipulieren", erklärt der Ex-FIFA-Ermittler.
Funktionäre verstärkt bestochen
Dabei hat Eaton in jüngster Zeit eine Verlagerung der Einflussversuche festgestellt: "Sie haben nicht aufgehört, Spieler zu bestechen. Sie machen das weiter. Aber sie konzentrieren sich verstärkt auf zwei andere Aspekte: das Bestechen von Schiedsrichtern und Funktionären." Schließlich würden die Funktionäre von Verbänden und Ligen über Spielansetzungen und den Einsatz der Schiedsrichter entscheiden. "Wenn man einen Funktionär besticht, kontrolliert man viel vom Auswahlprozess."
Die Männer, die das organisieren, sitzen weiterhin vor allem in Singapur und Malaysia. Ihre Hintermänner und Investoren aber, jene also, die die Wetten so platzieren, dass andere Wetter betrogen und Wettanbieter selbst nicht aufmerksam werden, vermutet Eaton in den finanziellen Hotspots von Manila, Hongkong und Macao. Er hält den dort organisierten Betrug für ambitionierter, komplexer und schwerwiegender als die Spielmanipulationen selbst.
Noch sind die europäischen Fahnder von Europol nicht einmal richtig bis Singapur vorgedrungen. Sie haben ein paar Helfershelfer in Deutschland und Italien, Slowenien und Ungarn dingfest gemacht, mehr aber nicht. Beim nächsten Skandal sollte man also weniger überrascht sein als diesmal.