Westsahara-Konflikt: Der Druck wächst
5. Dezember 2018Groß sind die Erwartungen nicht. Sie mögen doch bitte offen für den Dialog sein, forderte UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Teilnehmer der am Mittwoch dieser Woche beginnenden Westsahara-Gespräche in Genf auf. Guterres bitte die Unterhändler darum, die Konferenz "in gutem Glauben, ohne Vorbedingungen und in konstruktiver Haltung" in die Diskussionen zu gehen, erklärte sein Sprecher.
Neuen Schwung soll der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler in die Gespräche bringen. Er war im August 2017 zum neuen UN-Beauftragten für den Westsahara-Konflikt ernannt worden. In Genf will er mit Vertretern der Konfliktparteien und der Nachbarländer des Gebiets mögliche Lösungsansätze erörtern.
Doch die Fronten gelten als derart verhärtet, dass die Chancen eines Durchbruchs als minimal gelten. "Das Hauptziel ist eine Übereinkunft, dass weitere Gespräche notwendig sind", umreißt der "Economist" die Erwartungen an das Treffen. "Aber sogar das könnte ein harter Brocken sein."
Die Rolle Horst Köhlers
Selbst eine Verabredung zu weiteren Gesprächen wäre schon ein Erfolg, sagt auch Isabelle Werenfels von der Forschungsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP). Schon der Umstand, dass das Treffen überhaupt stattfinde, sei ein Fortschritt.
Eine wichtige Rolle bei den Gesprächen komme dabei dem UN-Sonderbeauftragten Köhler zu, so Werenfels. Generell spiele die Persönlichkeit eines Vermittlers bei derartigen Konflikten eine große Rolle. Das gelte insbesondere für Horst Köhler: "Ihm ist es bislang gelungen, als neutral zu gelten und sich nicht von der einen oder anderen Seite vereinnahmen zu lassen." Das sei einigen seiner Vorgänger nicht gelungen. "Horst Köhler bringt zudem aufgrund seiner vorhergehenden Positionen als Bundespräsident und IWF-Chef erhebliche Autorität mit. Er hatte zuvor bedeutendere Positionen inne als seine Vorgänger."
Ein Konflikt und seine Geschichte
Die Wurzeln des Westsahara-Konflikts reichen an den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. 1912 hatten sich die Kolonialmächte Spanien und Frankreich auf zwei Protektoratsgebiete in Nordwestafrika geeinigt, die zusammen etwa dem Einflussgebiet des marokkanischen Sultans entsprachen. Spanien erhielt einen Küstenstreifen im Norden und den Südteil des Gebiets, der etwa dem heutigen Westsahara entspricht. Im Norden blieben Spanien nach der Unabhängigkeit Marokkos nur die beiden Küstenstädte Ceuta und Melilla. In Westsahara gab Spanien seine Rolle als Besatzungsmacht erst 1976 auf. Noch im selben Jahr rief die Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario die "Demokratische Arabische Republik Sahara" aus. Daraufhin annektierte Marokko zwei Drittel der nördlichen Landesteile der Westsahara, später dann die gesamte Region.
Während der darauffolgenden Kämpfe flohen zahlreiche Polisario-Kämpfer nach Algerien, das sich traditionell als Schutzmacht von Unabhängigkeitsbewegungen versteht. In der im äußersten Westen Algeriens gelegenen Stadt Tindouf leben knapp 200.000 Flüchtlinge aus Westsahara, außerdem hat dort die Exilregierung ihren Sitz.
Im Jahr 1991 einigten sich Marokko und die Frente Polisario auf einen Waffenstillstand. Dieser wird von der "United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara" (MINURSO) überwacht. MINURSO soll außerdem ein Referendum durchführen, in dem die Bürger der Republik zwischen der Zugehörigkeit zu Marokko und der Unabhängigkeit wählen sollen.
Sich überlagernde Konflikte
Schwierig sei der Westsahara-Konflikt vor allem darum, weil sich in die Spannungen zwischen Marokko und der Polisario zusätzlich die zwischen Marokko und Algerien mischten, sagt Isabelle Werenfels. Zwischen Marokko und Algerien bestünde eine erhebliche Animosität. "Da geht es auch um den Einfluss in Subsahara-Afrika sowie ganz allgemein um die regionale Vormachtstellung." Die Spannungen spiegelten sich in historischen Grenzstreitigkeiten und bis heute zuweilen aggressiver Rhetorik zwischen den Nachbarn wider. "Letztlich geht es sehr stark um den Konflikt zwischen Marokko und Algerien", sagt Werenfels.
Ähnlich sieht es auch die Politologin Amani Al-Taweel vom "Al-Ahram Center for Political and Strategic Studies" (ACPSS) in Kairo. Beide Staaten hätten sich lange Zeit wenig bewegt. Jetzt aber könnte sich das ändern, erwartet Al-Taweel. "Algerien nimmt inzwischen zur Kenntnis, dass die Republik Sahara bislang nicht von allen Staaten anerkannt ist. Zugleich will Marokko die Beziehungen zu Algerien verbessern. Das deutet auch der König in seinen Äußerungen an. Beiden Seiten ist zudem bewusst, dass der Westsahara-Konflikt die Integration des gesamten Maghreb behindert.
Druck der USA
Das Treffen in Genf dürfte auch auf Druck der USA zustande gekommen sein. Im April dieses Jahres hatte die Trump-Regierung den UN-Sicherheitsrat massiv in Frage gestellt. Weil dieser sich nicht habe einigen können, sei es auch der MINURSO-Mission nicht möglich, den Konflikt zu lösen können, erklärte im August dieses Jahres Amy Tachco, politische Koordinatorin der USA bei den Vereinten Nationen: "MINURSO ist eine Friedensmission, die ihre Aufgabe schon vor langer Zeit hätte erledigen sollen." Der Sicherheitsrat habe es zugelassen, dass die Westsahara ein Beispiel für einen eingefrorenen Konflikt aus dem Schulbuch darstelle.
Tatsächlich hätten sich die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat im Westsahara-Konflikt bislang nicht einigen können, sagt Isabelle Werenfels. Auch in der EU herrsche keine einheitliche Haltung. Nun hätten die Amerikaner ihre ehedem starke Unterstützung für die Mission leicht abgeschwächt, sagt die SWP-Forscherin: "Das hat die derzeitige Gesprächsrunde überhaupt erst ermöglicht."
Schwierige Annäherung
Marokko habe sich bereits einmal bewegt und einen Autonomie-Plan vorgelegt, so Werenfels. "Der war für die andere Seite allerdings nicht akzeptabel. Denn für sie gibt es im Grunde nur eine Option: die Unabhängigkeit." Es dürfte schwierig werden, diese beiden Positionen einander anzunähern, erwartet Werenfels. Einstellen müssten sich beide Seiten aber darauf, dass der Druck zu Kompromissen auf sie wachse.
Die Lösung könnte am Ende eine Konföderation sein, erwartet Amani Al-Taweel: "Sie könnte bedeuten, dass Westsahara enger an Marokko heranrückt und dabei ein höheres Maß an Selbstbestimmung genießt, dafür aber auf völlige Unabhängigkeit verzichtet."