Westen verurteilt Hongkongs "Sicherheitsgesetz"-Verschärfung
20. März 2024Die Europäische Union (EU), die Vereinten Nationen (UN) und mehrere Staaten des Westens haben die Erweiterung des sogenannten Sicherheitsgesetzes in Hongkong verurteilt. "Es ist beunruhigend, dass ein so folgenschweres Gesetz im Schnellverfahren durch die Legislative gepeitscht wurde, obwohl ernsthafte Bedenken bestehen, dass viele seiner Bestimmungen mit internationalen Menschenrechtsstandards unvereinbar sind", sagte der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk. Die Verabschiedung des Gesetzes ohne einen gründlichen Beratungsprozess und sinnvolle Konsultationen sei ein Rückschritt für den Schutz der Menschenrechte in Hongkong.
Die EU äußerte sich in einer separaten Erklärung besorgt über mögliche Auswirkungen auf die Bewohner von Hongkong. Die neuen Vorgaben könnten "die Aushöhlung der Grundfreiheiten und des politischen Pluralismus verschärfen", so der Außenbeauftragte Josep Borrell. Dies werfe auch Fragen auf zur langfristigen Attraktivität der Inselmetropole als internationales Geschäftszentrum. Die EU forderte die Sonderverwaltungszone auf, das Vertrauen in das hohe Maß an Autonomie zu stärken, das bei der Übergabe Hongkongs von Großbritannien an China 1997 zugesichert worden war.
"Abschied von der einst offenen Gesellschaft"
US-Außenamtssprecher Vedant Patel sagte, die Maßnahmen könnten den Abschied von der einst offenen Gesellschaft Hongkongs beschleunigen. Der britische Außenminister David Cameron erklärte, diejenigen, die in Hongkong lebten oder Geschäfte machten, würden es künftig schwerer haben. Die Änderungen verfestigten "die Kultur der Selbstzensur", die schon jetzt die soziale und politische Landschaft Hongkongs bestimme. Seine australische Amtskollegin Penny Wong warnte den chinesischen Chefdiplomaten Wang Yi bei dessen Besuch in Canberra, die Änderungen verstießen gegen internationale Verpflichtungen.
Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking wies die Reaktionen aus dem Westen als "Verleumdung" zurück. Er fügte hinzu, China werde sich jeder "Einmischung von außen" in die Angelegenheiten Hongkongs widersetzen. Das Büro für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten des chinesischen Staatsrats erklärte, das Gesetz werde "den Wohlstand und die Stabilität Hongkongs sichern" und die Interessen ausländischer Investoren sowie Demokratie und Freiheit schützen.
Machtbefugnisse im Kampf gegen kritische Stimmen
Der aus pekingtreuen Abgeordneten bestehende Legislativrat hatte die Vorlage am Dienstag einstimmig angenommen. Das sogenannte Artikel-23-Paket tritt am Samstag in Kraft. Es ergänzt das bestehende "Sicherheitsgesetz" und führt neue Strafen ein. Verrat, Sabotage, Aufruhr, Diebstahl von Staatsgeheimnissen und Spionage werden künftig mit bis zu lebenslanger Haft bestraft. Damit erhalten die Behörden weitere Machtbefugnisse, um gegen kritische Stimmen vorzugehen.
Das ursprüngliche "Sicherheitsgesetz" für die Sonderverwaltungszone Hongkong war 2020 auf Druck der chinesischen Regierung eingeführt worden. Es gilt als massivster Eingriff in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Rückgabe an China nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" für mindestens 50 Jahre versprochen worden war.
Gefängnisstrafe für Besitz eines Buches
Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Gesetz seinerzeit als Mittel zur Unterdrückung der Opposition. Ebenso wiesen sie nun dessen Aktualisierung zurück. Das Artikel-23-Paket läute in Hongkong "eine neue Ära des Autoritarismus" ein, schrieb Maya Wang von Human Rights Watch (HRW) im Onlinedienst X. Jetzt könne sogar der Besitz eines kritischen Buches über die chinesische Regierung zu jahrelangen Gefängnisstrafen führen. Hongkongs Regierung solle ihren "aggressiven Angriff auf Grundrechte" beenden. Zugleich forderte HRW, ausländische Regierungen müssten mit gezielten Sanktionen gegen Hongkonger Beamte antworten.
jj/se (dpa, afp, rtr)