Erneuerbare Energien
26. August 2007Künftig soll sich Klimaschutz im Reich der Mitte nicht mehr nur auf solche kurzfristigen Aktionen beschränken. Dafür will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ab Sonntag (26.8.) bei ihrer Reise nach China werben. Bei ihren Treffen mit Staats- und Parteichef Hu Jintao sowie Premierminster Wen Jiabao will sie die Basis dafür legen, dass China bei der UN-Klimakonferenz auf Bali im Dezember konkrete Zugeständnisse in der Klimapolitik macht.
Umweltorganisationen drängten Merkel vor Antritt ihrer Reise zu Erfolgen: "Wir beobachten ein Wirtschaftswachstum von über zehn Prozent, das mit einer dramatischen Steigerungsrate von Kohlendioxydemissionen einher geht", sagt Greenpeace-Klimaexperte Carsten Smid. Seit dem vergangenen Jahr ist China der größte Kohlendioxid-Produzent der Welt und im Jahr 2006 lag der chinesische Anteil am weltweiten Ausstoß bei 14,9 Prozent.
Merkel kein gutes Vorbild
Doch die wirtschaftliche Entwicklung und die Bekämpfung der Armut haben für die Regierung in Peking absolute Priorität. Das bevölkerungsreichste Land der Erde empfindet es deshalb als unfair, auf der Schwelle zur Industrienation durch Belehrungen in Sachen Klimaschutz ausgebremst zu werden. Zudem müsse man die Verhältnismäßigkeit beachten, argumentiert Peking: Ein Chinese stößt durchschnittlich drei Tonnen Kohledioxyd jährlich aus, ein Europäer zehn Tonnen.
Smid von Greepeace hält zudem die Kanzlerin mit ihren Vorschlägen zum Klimaschutz für wenig glaubwürdig: "Warum sollten die Chinesen klimapolitische Verpflichtungen eingehen, die Frau Merkel in Deutschland noch nicht einmal selbst durchsetzen kann?", fragt er und verweist auf die Kabinettsitzung in Meseberg, wo Bundesumweltminister Gabriel in dieser Woche eingestehen musste, dass Deutschland die angestrebten 40 Prozent Verminderung des klimaschädlichen Kohlendioxids bis 2020 nicht erreichen werde und dies dennoch als "Quantensprung" bezeichnete. "Die Regierung schafft ja noch nicht mal ihre eigenen Ziele und das macht die Chinesen skeptisch", so Smid.
Die Wirtschaft wittert Chancen
Nach wie vor trägt in China Strom aus Wind, Biomasse oder Solarenergie nur rund zwei Prozent zur Stromerzeugung bei. Daran hat auch das seit 2006 geltende Erneuerbare Energien-Gesetz nichts geändert. Dennoch wittert die deutsche Wirtschaft einen neuen Wachstumsmarkt: "Wir begrüßen den Entschluss Chinas, auf erneuerbare Energie zu setzen", sagt Milan Nitzschke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Deutsche Hersteller von Windenergieanlagen sind bereits seit Jahren in China vertreten, wie etwa die Nordex AG, die als eines der ersten Unternehmen dort Windkraftanlagen produzierte. "Wir beobachten, dass das Umweltbewusstsein der Chinesen stark gestiegen und dadurch auch der Markt für Erneuerbare Energien stark gewachsen ist", sagt der Vorstandsvorsitzende Thomas Richterich: "In den nächsten Jahren wird der chinesische Markt für Windkraft einer der größten der Welt werden", so seine Prognose.
Das Investitionsvolumen in deutsche Technologie beträgt zurzeit nach Schätzungen des Bundesverbandes Windenergie (BWE) rund eine Milliarde Euro, das Potenzial bis 2020 mindestens 30 Milliarden Euro. Noch etwas brach liegen die Felder Solarenergie und Erdwärme. Das finanzielle Potenzial allein in der Erdwärme schätzt die Branche auf mehrere 100 Milliarden Euro.
Problem des Patentschutzes
Trotz des großen Potenzials sind deutsche Unternehmen zögerlich: "Viele Firmen betrachten den Markt mit Vorsicht, weil sie Angst vor Nachbauten ihrer Technologie haben", sagt BEE-Geschäftsführer Nitzschke. Deutsche Unternehmen gingen deshalb häufig von Beginn an Kompromisse ein, indem sie mit den Chinesen über Joint Venture gemeinsame Sache machen würden. Getreu dem Motto: Ehe die Chinesen unsere Technik kopieren, stellen wir sie ihnen lieber zur Verfügung und verdienen mit daran.
Zunehmende Verstöße gegen das Patentrecht hemmten Investitionsbereitschaft und die Entwicklung erneuerbarer Energien, so Kritiker: Sie erwarten von Bundeskanzlerin Merkel, dass sie sich bei ihrer China-Reise auch für den Schutz geistigen Eigentums stark macht. Umweltexperte Smid hingegen fordert: "Wir müssen das Wissen, das wir in der Kohlendioxyd freien Energieerzeugung haben, weltweit teilen, damit das Klima geschützt wird und alle einen Nutzen haben." Wenn die Chinesen in der Lage wären, eigene Systeme aufzubauen, dann würden sie sich auch mehr im Klimaschutz engagieren, vermutet Smid: "Es ist völlig illusorisch zu glauben, dass Deutschland die ganzen Windenergieanlagen nach China liefern kann."
Merkels China-Reise hält er für eine "symbolische Reise": Die Kanzlerin setze auf "Symbolpolitik", das habe er bereits bei ihrer Grönland-Reise beobachtet: "Weil man mit Klimaschutz derzeit Wählerstimmen gewinnen kann. Leider handelt es sich um bloße Umweltrhetorik anstatt konkreter Maßnahmen und das kritisieren wir an dieser Reise."