Minister schlägt Zuwanderungsmarketing vor
14. April 2015Bundesinnenminister Thomas de Maizière will die Werbetrommel rühren. Und das an ungewohnter Stelle, wie er auf einem Kongress in Berlin verriet. "Wir müssen da gezielt Werbung machen für unser Land, wo wir wollen, dass Menschen zu uns kommen", sagte der Minister auf einem Kongress mit Zuwanderungsexperten. Das "Zuwanderungsmarketing" werde gebraucht, weil die Fachkräfte-Prognosen für den deutschen Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren ohne Zuwanderung düster aussähen. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung rechnete jüngst vor, dass die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland bis zum Jahr 2050 um elf Millionen sinken könnte, sofern es keine gezielte Einwanderung gibt. Von heute rund 45 Millionen Jobs wären dann nur noch 29 Millionen Arbeitnehmer hierzulande übrig. Die Schlussfolgerung für den Minister lautet: Deutschland muss attraktiver für hochqualifizierte Zuwanderer werden. "Wir Deutschen reden zu viel über das Erlauben. Über das Einladen und das Ankommen reden wir wenig."
Beim "Zuwanderungsmarketing" Unternehmen in der Pflicht
Mehr Werbung sei nötig, obwohl Deutschland schon heute eines der beliebtesten Zuwanderungsländer der Welt sei, so der Minister. 8,2 Millionen Menschen mit ausländischem Pass lebten derzeit in Deutschland. Und noch viele mehr, die in der zweiten oder dritten Generation aus Migrantenfamilien stammten. Die Bürgerkriege im Irak und in Syrien haben vor allem in den letzten beiden Jahren die Flüchtlingszahlen in Deutschland drastisch ansteigen lassen. Wurden im vergangenen Jahr rund 200.000 Asylanträge hierzulande gestellt, könnten es in diesem Jahr laut Schätzungen sogar 300.000 Anträge sein. "In keinem Land der Welt werden mehr Asylanträge gestellt als in Deutschland", so der Innenminister. Während in jüngster Zeit viel und kontrovers über die konkrete Hilfe und Unterbringung für diese Flüchtlinge debattiert wurde, will der Minister in den kommenden Monaten grundsätzlicher werden. Das "moderne Einwanderungsland" Deutschland müsse jetzt darüber sprechen, wie die Zuwanderung gestaltet werden soll.
Dabei könne diese Werbeoffensive nicht alleine Aufgabe des Staates sein, sondern müsse auch von der weltweit extrem erfolgreichen deutschen Wirtschaft mitgetragen werden, so der Minister. "Die deutschen Unternehmen sind sehr kreativ darin, deutsche Produkte in die ganze Welt zu exportieren“. Warum sei die deutsche Wirtschaft dann bislang so wenig kreativ, den richtigen Menschen im Ausland einen Arbeitsplatz in Deutschland anzubieten?", fragte der Minister an die Adresse der Wirtschaftsvertreter. Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, sicherte dem Minister zu, dass auch die Wirtschaft sich an einer solchen Imagekampagne beteiligen würde. Woran es bei den Unternehmen bislang hapert, darauf hatte er allerdings auch keine Antwort. Zusammen mit den Auslandskammern gelte es, über neue Konzepte der Fachkräftegewinnung nachzudenken.
Debatte um neues Einwanderungsgesetz
Ein neues Einwanderungsgesetz mit klaren transparenten Regeln könnte den Rahmen dafür bieten, glauben manche. Darunter auch die Sozialdemokraten aus der Regierungskoalition. Unter ihnen ist auch Aydan Özoğuz, SPD-Integrationsministerin der Bundesregierung. Bisher müssten Zuwanderer oft einen Juristen direkt an ihrer Seite haben, um sich durch den Wust an Formularen und Vorschriften hindurchzumanövrieren. Ein Einwanderungsgesetz könne hier für mehr Transparenz sorgen - für Zuwanderer und Einheimische gleichermaßen, so die Staatsministerin. "Kein Mensch versteht in unserem Land, wer eigentlich kommt und wer geht und warum". Nicht wenige Menschen hierzulande dächten sogar, so die Staatsministerin, es sei alles völlig unkontrolliert. Das schüre natürlich unnötig Ängste, was von rechtspopulistischen Bewegungen wie Pegida ausgenutzt würde.
CDU-Minister de Maizière, der für mögliche Gesetzesänderungen zuständig wäre, hält nichts von einem neuen Gesetz. "Mit rechtlichen Änderungen, auch mit Vereinfachungen, wird es uns nicht gelingen, wesentlich mehr Fachkräfte und Hochqualifizierte in unser Land zu bringen", argumentiert er. Der Innenminister sagte zu, alle Verbesserungsvorschläge zu prüfen. Doch nicht nur der Minister bezweifelte, dass ein neues Gesetz Fortschritte brächte. "Diejenigen, die meinen, dass in einem Einwanderungsgesetz dann alles leicht, transparent und verständlich sein wird, die irren", sagte Professor Christine Langenfeld, Vorsitzende des Sachverständigenrates für Migration.
Zuwanderung nach Kulturkreis sortiert?
Dabei bahnt sich bereits jetzt eine Kontroverse um die Frage an, in welchen Ländern dieses vom Minister angekündigte deutsche Zuwanderungsmarketing lanciert werden sollte. Der Minister machte keinen Hehl daraus, dass er besonders in jenen Ländern werben möchte, die dem christlich-europäischen Kulturkreis nahe stehen. "Ich finde das legitim, dass ein Einwanderungsland auch schaut, wer passt am ehesten zu uns?" Sein Argument: Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für Zuwanderer sei höher, je näher diese dem eigenen Kulturkreis seien. Gegen eine solche Argumentation, die neue Gräben mit muslimisch geprägten Ländern aufwerfen könnte, dürfte sich schon bald Widerstand formieren.
Ein sensibles Thema, nicht zuletzt, weil die Medien in den vergangenen Wochen und Monaten besonders viel über die hässliche Seite des Einwanderungslandes Deutschlands berichten mussten. Noch immer macht die rechtspopulistische Bewegung Pegida im Land Stimmung gegen jedwede Zuwanderung von Flüchtlingen. Und der Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Tröglitz in Sachsen-Anhalt stellt auch nur den letzten von einer Reihe von ausländerfeindlichen Anschlägen im ganzen Land dar. "Das sind verheerende Bilder und wir müssen alles dafür tun, dass es nicht weiter zu diesen Bildern kommt", so de Maizière.
EU muss Zuwanderung besser gestalten
Der Innenminister sieht neben all dem, was das Einwanderungsland Deutschland selbst tun kann, aber auch die Europäische Union in der Pflicht. Angesichts von über 50 Millionen Flüchtlingen weltweit, so der Minister, brauche es gemeinsame europäische Antworten. Bereits im Mai will die Europäische Kommission für die 28 Mitgliedsstaaten der EU eine Europäische Migrationsagenda vorstellen. Darin soll das bisherige Dublin II genannte Flüchtlingssystem überprüft werden, welches von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird und die Aufteilung der Flüchtlinge zwischen den EU-Staaten regelt. Daneben soll über legale Einwanderungswege gesprochen werden und über eine verstärkte Bekämpfung des Menschenhandels an den EU-Außengrenzen, so der Minister. Schon im Juli könnten dann auf einem Gipfel der europäischen Innen- und Außenminister erste Beschlüsse fallen. Professor Demetrios Papademetriou gab dem deutschen Minister als Gastredner von der Washingtoner Denkfabrik "Migration Policy Institute" einen Ratschlag mit auf Weg: Zuwanderung müsse aktiv gestaltet werden, oder sie scheitere. Noch bleibe dafür in Deutschland aber Zeit, sagte der Amerikaner mit griechischen Wurzeln.