Wer läuft London den Rang ab?
Ein möglicher Brexit könnte London die Stellung als wichtigsten Finanzplatz Europas kosten. Quer durch Europa bringen sich potenzielle Nachfolger bereits in Stellung. Wir stellen sie Ihnen vor.
London: Vorbei mit dem Standortvorteil
Rund 350.000 Menschen arbeiten am Finanzplatz London, die Stadt ist bislang die erste Wahl für internationale Banken: Sie können ihre Produkte in der ganzen EU verkaufen und müssen sich dabei nur an die vergleichsweise laxen britischen Finanzmarktregeln halten. Mit dem Standortvorteil könnte es bei einem EU-Austritt vorbei sein.
Paris: Weniger Staat wagen
"Kommen Sie nach Paris und nutzen Sie dort ihre Chancen!", steht einen Tag nach dem Brexit-Votum in großformatigen Anzeigen der digitalen Financial Times. Die französische Hauptstadt hat bereits einen großen Finanzplatz und Präsident Hollande stellte in Aussicht, die strengen steuerlichen Regeln im Land anpassen zu wollen.
Frankfurt: Kurze Wege
Frankfurt, Sitz der EZB und wichtiger europäischer Börsenplatz, konkurriert mit Paris unter anderem um die Ansiedlung der Europäischen Bankenaufsicht EBA, die bisher in London sitzt. Die Stadt ist durch den internationalen Flughafen perfekt angebunden, die Wege - auch zu Europas Finanzaufsehern - sind kurz. Allerdings gilt die Stadt bei vielen internationalen Managern als langweilig.
München: Mal was Neues
Auch München wittert seine Chance im Rennen um den EBA-Standort: In einem Brief habe der bayrische Finanzminister Markus Söder Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gebeten, sich auf EU-Ebene für den Umzug der Behörde nach München einzusetzen, schreibt die Süddeutsche Zeitung. München ist nach Frankfurt der zweitgrößte deutsche Finanzplatz.
Luxemburg: Niedrige Steuern
Die EBA gehöre nach Luxemburg, argumentiert hingegen die Regierung des Großherzogtums. Sie beruft sich auf einen Beschluss von 1965, in dem es heißt, dass die EU-Finanzorgane nach Luxemburg gehen. Banken, Fonds und Versicherungsgesellschaften lockt das Land mit günstigen Steuern, marktfreundlichen Regeln und einer unkomplizierten Verwaltung.
Amsterdam: Attraktiv für Asiaten
Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem bringt im Finanzplatz-Gerangel die Hauptstadt seines Heimatlandes Niederlande ins Spiel: Asiatische Finanzunternehmen dürften jetzt nach Frankfurt oder Amsterdam gehen, sagte er dem Sender RTL. Die holländische Zeitung De Volkskrant schreibt, dass sich mehrere asiatische Unternehmen bereits für den Umzug in die Niederlande entschieden hätten.
Dublin: Hier spricht man Englisch
In Irland spricht man Englisch - einer der vielen Standortvorteile Dublins. Wie auch Luxemburg ist Irland bereits ein Zentrum der Fondsbranche in Europa; in Dublin haben viele Technologiekonzerne und die Europazentralen von Google und Facebook ihren Sitz. Unternehmen zahlen auf der Insel gerade einmal 12,5 Prozent Steuern.
Breslau: Fernab des teuren Pflasters
London verliert nicht erst seit dem Brexit-Referendum an Attraktivität: Schon seit Jahren verlegen Banken tausende Stellen an weniger hochpreise EU-Standorte. Seit 2007 hat die Schweizer Credit Suisse einen Sitz im polnischen Breslau; im vergangenen Oktober kündigte die Bank an, knapp 2000 Stellen in London zu streichen. Die Schweizer Großbank UBS beschäftigt 1600 Leute im polnischen Krakau.
Düsseldorf: Vodafone ist "welcome"
Europas Städte werben nicht nur um Finanzunternehmen: Düsseldorf etwa macht dem britischen Mobilfunkriesen Vodafone bei seinen Überlegungen zu einen neuen Hauptsitz Avancen. "Düsseldorf ist seit langem Sitz der größten Landesgesellschaft im weltweiten Vodafone-Verbund und ein idealer Standort mitten im europäischen Binnenmarkt. Welcome", warb Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Garrelt Duin.
Berlin: Lebendige Gründerszene
Wissenschaftler aus Cambridge und Oxford fürchten um ihre europäischen Forschungsgelder, Londoner Start-ups um Startgelder der Europäischen Investitionsbank. Und schon will Berlin um die britischen Gründer werben: Ab Montag schaltet die Ansiedelungs-Agentur Berlin-Partners eine Website frei, die gezielt für britische Unternehmen die wichtigsten Fragen klären will, meldet die Süddeutsche Zeitung.