Wer ist Russlands neuer Verteidigungsminister Beloussow?
13. Mai 2024Zum Anfang seiner fünften Amtszeit als Präsident stellt Wladimir Putin sein Land noch stärker auf die Kriegswirtschaft um. Ein Ökonom ohne Armeeerfahrung soll ihm nun dabei helfen.
Putin nominierte Andrej Beloussow, den bisherigen stellvertretenden Ministerpräsidenten, für den Posten des Verteidigungsministers. Die Zustimmung des Parlaments gilt als sicher. Der bisherige Verteidigungsminister Sergej Schoigu soll Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates werden.
Beloussow hat nicht mal Wehrdienst absolviert. Doch mit seiner Wahl will sich Putin besser für den Zermürbungskrieg gegen die Ukraine aufstellen.
"Heutzutage gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen ist", kommentiert Kreml-Sprecher Dmitri Peskow den Wechsel. Auch "die Wirtschaft des Machtblocks" solle besser "in die Wirtschaft des Landes" integriert werden.
Für diese Aufgabe sei Beloussow "ein nachvollziehbarer Kandidat”, sagte die russisch-US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Nina Chruschtschowa gegenüber der DW. Beloussow habe sich anscheinend als ruhiger und professioneller Technokrat profiliert.
"Einerseits wird er von Marktökonomen nicht abgelehnt, andererseits verpflichtet er sich dem Vorrang des Staates in der Wirtschaft”, so Chruschtschowa. Wer ist also der Mann, der mitten im Krieg Russlands Verteidigungsressort übernimmt?
Beloussow: Enger Vertrauter Putins
Andrej Beloussow, in Moskau als Sohn eines Ökonomen geboren, ist 65 Jahre alt. Er folgte dem Vorbild seines Vaters und studierte ebenfalls Wirtschaftswissenschaften.
Danach forschte er zu Marktprognosen an der Russischen Akademie der Wissenschaften. Er hat die Regierung beraten und diente zwischen 2006 und 2008 als stellvertretender Wirtschaftsminister.
Entscheidend für seine Karriere war das Jahr 2008. Damals ernannte Putin, der vom Amt des Präsidenten in das des Ministerpräsidenten wechselte, ihn zum Chef seiner Wirtschaftsabteilung. So hatte er direkten Kontakt zu Putin. Seitdem wird Beloussow dem engen Umfeld des russischen Präsidenten zugeordnet.
Seine direkte Abhängigkeit von Putin sowie die Tatsache, dass Beloussow keiner der Fraktionen gehört, die um Einfluss im Kreml kämpfen, soll ihn auch weniger anfällig für Korruption machen. Gerade seinem Vorgänger Schoigu wurde oft Korruption vorgeworfen. Zuletzt wurde Schoigus Stellvertreter sogar verhaftet, was viele Beobachter zurecht als ein Zeichen für seine baldige Abberufung gedeutet haben.
Technokrat, der Krim-Annexion unterstützt hat
Seitdem er als Putins Mann gilt, war Beloussow Wirtschaftsminister (von 2012 bis 2013), Wirtschaftsberater des Präsidenten (2013 bis 2020), und zuletzt seit 2020 erster stellvertretender Ministerpräsident. Auf diesen Positionen hat er die russische Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre maßgeblich geprägt. Er ist als Befürworter von staatlichen Investitionen in die Wirtschaft bekannt.
Im Jahr 2014 soll er als einer der wenigen Wirtschaftsexperten rund um Putin die Annexion der Krim unterstützt haben, berichtete vor einigen Jahren das russische Portal "The Bell”. Beloussow soll Russland auch als "umringt von Feinden” sehen, hieß es weiter. Diese Weltanschauung darf auch für seine Nähe zu Putin sorgen.
"In den letzten Jahren war Beloussow von der Idee der technologischen Souveränität Russlands besessen", schreibt die unabhängige russische Journalistin Farida Rustamowa, die sich auf russische Eliten spezialisiert, im Messengerdienst Telegram.
So wurde unter der Führung von Beloussow das Konzept der technologischen Entwicklung bis 2030 verfasst. Bis dahin, so Beloussows Plan, soll Russland in der Lage sein, Chips, hochpräzise Maschinen, medizinische Geräte und Software, Flugzeuge und Drohnen herzustellen, schreibt Rustamowa.
Rüstungsindustrie soll für Wirtschaftswachstum sorgen
Schon als stellvertretender Premierminister setzte sich Beloussow stark für die Entwicklung der einheimischen Drohnenindustrie ein. Mehrmals kritisierte er, dass wichtige Teile der Produktionskette im Ausland liegen.
"Beloussow interessiert sich für Innovationen bei Waffensystemen, und es ist klar, dass dies eine seiner Prioritäten sein wird”, erläutert Alexandra Prokopenko vom Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin im DW-Interview.
Auf der anderen Seite soll von den enormen Verteidigungsausgaben die gesamte russische Wirtschaft profitieren, so der Plan des Kremls. Das Budget des Sicherheitsblocks liegt laut Sprecher Dmitri Peskow schon bei 6,7 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts.
"Die Priorität des Kremls ist derzeit der Krieg”, sagt Prokopenko, die früher für die russische Zentralbank gearbeitet hat. "Und sie glauben an den militärischen Keynesianismus, also an die Tatsache, dass man mit Hilfe der Investitionen in den militärisch-industriellen Komplex das Wirtschaftswachstum für lange Zeit ankurbeln kann”. Der neue Mann im russischen Verteidigungsministerium soll also helfen, den Krieg für Russland rentabler zu machen.
Mitarbeit: Alexei Strelnikow