Wer hilft Aceh, wenn die Helfer weg sind?
13. März 2005Gut zwei Monate ist es her, dass die indonesische Regierung den ausländischen Militärs in der Tsunami-Krisenprovinz Aceh eine Frist gesetzt hat: Spätestens bis zum 26. März müssen die letzten Kontingente aus der Krisenregion abgezogen sein. Ab dann würden nur noch die für den Wiederaufbau zuständigen internationalen Hilfsorganisationen vor Ort benötigt, ließ Indonesiens Sozialminister Alwi Shihab wissen.
Abzug der militärischen Helfer
Die Botschaft ist angekommen, die meisten Helfer in Uniform haben bereits den Heimweg angetreten, darunter die Streitkräfte aus Australien und der Schweiz. Für das von den australischen Truppen betriebene Lazarett gebe es inzwischen eine zivile Alternative, sagte der australische Verteidigungsminister Robert Hill. Darüber hinaus stellten die Vereinten Nationen ausreichend Hubschrauber zur Verfügung, so dass die australischen Helikopter nicht mehr gebraucht würden. Auch die deutsche Bundeswehr, die in Aceh ein Krankenhaus aufgebaut hat, wird Ende März nicht mehr vor Ort sein. Die ersten Sanitätssoldaten der Bundeswehr sind bereits nach Deutschland zurückgekehrt.
Kein Masterplan
Derzeit sind etwa 140 Organisationen aus über 80 Ländern in Aceh engagiert. UN-Koordinator Joel Boutroue ist sich sicher, dass die internationalen Hilfen über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden müssen. Hierfür gelte es, vor Ort Konzepte zu erarbeiten. Der angekündigte Masterplan für den Wiederaufbau sei zwar eine sinnvolle Sache, aber es könne nicht gemeint sein, dass mit dem 26. März die gesamte Nothilfe eingestellt werden solle. Diese müsse mit Sicherheit noch bis zum Sommer fortgeführt werden, sagt auch UNICEF-Sprecher Rudi Tarneden.
Nach wie vor erschweren Koordinations-Probleme die Hilfsaktionen. Bis heute sind die Konturen eines Masterplans nicht zu erkennen. Lokale Behörden misstrauen der Zentralregierung, die wiederum die absolute Kontrolle behalten möchte. "Es geht nicht gegen die Regierung. Es geht auch nicht gegen die lokalen Behörden, sondern es geht nur gemeinsam miteinander", sagt Rudi Tarneden.
Misstrauen und Kontrolle
Die indonesische Regierung hatte bereits kurz nach der Flutkatastrophe angekündigt, die ausländische Hilfe auf drei Monate begrenzen zu wollen. Hintergrund ist nach Meinung von Beobachtern die prekäre Sicherheitslage in Aceh, wo seit Jahrzehnten islamische Rebellen für einen unabhängigen Staat kämpfen. Nach wie vor stehen die Hilfsorganisationen in Aceh unter der Kontrolle der lokalen Behörden und des Militärs. Zu ihrer eigenen Sicherheit - heißt es in der Erklärung des Sozialministers. Eine konkrete Bedrohung wird von den Hilfsorganisationen allerdings nicht gesehen.
Nach Ansicht der Vereinten Nationen soll der Wiederaufbau stärker in nationale Hände übergehen. Für eine nachhaltige Entwicklung müssten die örtlichen Behörden ans Ruder, hieß es Ende Februar im UN-Koordinationsbüro für humanitäre Hilfe (OCHA). In einer Übergangsphase bis zur eigentlichen Wiederherstellung zerstörter Einrichtungen gehe es vorrangig etwa darum, neue Kräfte für Schulen und das Gesundheitswesen auszubilden. Die Flutwelle hatte auch hunderte Lehrer und Ärzte getötet. Die Bevölkerung vor Ort wird jedoch kaum ein Mitspracherecht bei der Organisation der Hilfsmaßnahmen haben.
Verschiedene Interessengruppen
Ein Missbrauch der Arbeit von Hilfsorganisationen ist nach Ansicht des Leiters der Katastrophenhilfe bei Caritas international, Jürgen Lieser, nicht auszuschließen. Humanitäre Hilfe trage manchmal dazu bei, bestimmte Unrechtsstrukturen zu verfestigen, Konflikte zu verlängern oder "manches gar erst aus dem Lot zu bringen", sagte Lieser in einem Interview mit der katholischen Zeitschrift "Herder Korrespondenz".
"Wir können nicht so tun, als fände unsere Hilfe im luftleeren Raum statt, als beeinflusse sie nicht die politischen, sozialen religiösen Verhältnisse", so Lieser. Man spüre etwa nach der Seebebenkatastrophe in der indonesischen Provinz Aceh, wie das Militär und die Befreiungsbewegung GAM versuchten, die Hilfe für ihre eigenen Interessen zu nutzen. Das müsse sehr genau beobachtet werden. Solchen Missbrauch auszuschließen, wäre aber nur um den Preis möglich, gar nichts zu tun. (wga/arn)