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"Wer den Lacher bekommt, hat immer recht"

Heike Mund20. November 2013

Die Verleihung des Literaturpreises für grotesken Humor 2014 wird er nicht mehr erleben: Dieter Hildebrandt, Deutschlands bekanntester politischer Kabarettist, ist gestorben. Sein Humor bleibt unvergessen

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Kabarettist Dieter Hildebrandt am 10.04.2012 in Hamburg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wie kein Zweiter beherrschte der gelernte Schauspieler Dieter Hildebrandt die Kunst des gezielten Verhaspelns: nach einer scheinbar verunglückten Pointe kam meist die zweite hinterher – fast beiläufig und mit nachhaltigem Witz gepfeffert. Den Zuschauern blieb öfters das Lachen im Halse stecken. Mancher seiner politischen Seitenhiebe schaffte es sogar als zitierte Redepointe bis in den Bundestag. Er war in Deutschland eine Institution: als Demokrat aus Leidenschaft und als politischer Kabarettist.

Dafür bekam Dieter Hildebrandt im Laufe seines Lebens zahlreiche, sehr honorige Preise verliehen. Allein vier Mal den renommierten Grimmepreis für erstklassiges deutsches Fernsehen, zuletzt für sein Lebenswerk. In seiner berühmten Fernsehsendung "Notizen aus der Provinz" nahm er mit Sprachwitz und hintersinnigem Humor vor allem die sogennanten "Volksvertreter" im Bundestag und die Spezie der "Regierenden" aufs Korn. Dabei machte er aus seiner Nähe zur SPD keinen Hehl. Aber auch die "Genossen" sparte er bei seiner oft harschen Kritik nicht aus.

Begeisterung fürs Nachkriegskabarett

Geboren wurde Hildebrandt am 23.Mai 1927 im niederschlesischen Bunzlau. Gleich nach der Schule mußte er zur Wehrmacht und 1944 noch als Flakhelfer an die Front. Das Kriegsende erlebte er in britischer Gefangenschaft: kurz zuvor hatte er die Elbe durchschwommen und sich so in den Westen gerettet. 1950 ging er kulturhungrig, wie er später erzählte, nach München zum Studieren: Literatur- und Theaterwissenschaften interessierten ihn. Sein erster Kontakt zum Kabarett war eher zufällig: in der Münchner "Kleinen Freiheit", der ersten Kabarettbühne im zerbombten Nachkriegs-Deutschland, verdiente er sich Geld fürs Studium dazu – als Platzanweiser.

Münchner Lach- und Schießgesellschaft 1966 , vl.n.r. : Hans-Jürgen (Juergen) Diedrich , Klaus Havenstein , Dieter Hildebrandt , Jürgen (Juergen) Scheller, Ursula Noack , bei einer Probe zu 'Die Pharisäer proben den Aufstand'.,
Dieter Hildebrandt war Mitgründer der legendären Münchner Lach- und SchießgesellschaftBild: picture alliance/Keystone

Begegnungen mit dem Schriftsteller Erich Kästner und dem legendären deutschen Kabarettisten Werner Finck, der in der Nazizeit für seine politischen Programme zeitweise ins KZ kam, hatten ihre Wirkung auf den jungen Hildebrandt. Finck blieb immer sein Vorbild. 1955 gründete er nach erfolglosem Schauspiel-Unterricht das Studentenkabarett "Die Namenlosen". "Ich war nicht groß genug, nicht schön genug und ich konnte nichts richtig gut: deshalb bin ich zum Kabarett gegangen," erklärte er später seinen Lebensweg.

Politisches Kabarett im deutschen Fernsehen

Ein Jahr später entschied er sich, sein Hobby zum Beruf zu machen. Zusammen mit seinen Kollegen Ursula Herking, Klaus Havenstein und Hans-Jürgen Diedrich brachte er 1956 sein erstes eigenes politisches Kabarettprogramm raus: "Denn sie wissen nicht, was sie tun", hieß es. Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft war damit gegründet. Lange Jahre spielte die Kabarett-Truppe unter der genialen Regie von Sammy Drechsel: 19 Bühnenprogramme mit wechselnder Besetzung und 25 Livesendungen im Deutschen Fernsehen waren die Erfolgsbilanz. Hildebrandt war immer dabei, später mehr hinter der Bühne.

Fast alle Texte schrieb er selbst, mit wachsender Lust an pointierter und bissiger Kritik am politischen Geschehen in der westlich orientierten Bundesrepublik. "Politiker beherrschen die Kunst, so viele Worte zu machen, daß sie hinterher die Wahl haben, zu welchem sie stehen wollen," war einer seiner legendären Bühnensätze. Einschaltquoten von über 50% waren damals keine Seltenheit: jeder zweite Deutsche saß zeitweise vor dem Fernseher, wenn die "Lach- und Schießgesellschaft" auftrat. Die DDR-Regierung nahm er auch gern augenzwinkernd ins Visier.

Gemeinsam mit Bruno Jonas steht Dieter Hildebrandt (r) am 6.3.2000 im Studio der Sendung "Scheibenwischer" in Berlin. Der deutsche Kabarettist, Schauspieler und Autor Hildebrandt feiert am 23.5.2002 seinen 75. Geburtstag. Hildebrandt ist Mitbegründer und langjähriges Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Im Fernsehen wurde er durch die ZDF-Reihe "Notizen aus der Provinz" bekannt. Seine Live-Sendung "Scheibenwischer", die 1980 an den Start ging, ist unterdessen ein Dauerbrenner. Foto: Jens Kalaene/dpa (zu dpa:"Kabarettist Dieter Hildebrandt ist tot" vom 20.11.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die Sendung "Scheibenwischer": erfolgreiches Polit-Kabarett im FernsehenBild: picture alliance/Keystone

Einschaltquoten bis 50%

Die Arbeit fürs Fernsehen bekam für Dieter Hildebrandt eine immer größere Bedeutung. Und er fürs Fernsehen. Seine "Notizen aus der Provinz" (ZDF) begleiteten Wahlkämpfe, Regierungsbildungen und Niederlagen bundesdeutscher Politiker mit scharfzüngiger Analyse und Wachheit. "Mich regte vor allem auf, dass sich über manchen Mißstand keiner mehr aufregt," sagte er rückblickend über sein jahrzehntelanges Engagement. "Politik ist doch nur noch der Spielraum, den die Wirtschaft ihr läßt."

Zunehmende Proteste aus den Unionsparteien CDU und CSU zwangen den überzeugten Sozialdemokraten Dieter Hildebrandt 1980 zu einer längeren "Sendepause". Danach wechselte er zum Sender Freies Berlin (SFB), der ihm mit der ARD-Sendung „Scheibenwischer“ für Jahrzehnte ein neues Forum für seinen nachhaltigen Humor bot. 2003 feierte Hildebrandt mit 76 seinen Abschied von dieser, im deutschen Fernsehen äußerst erfolgreichen Sendung – unisono als „Meister des politischen Kabaretts“ gewürdigt, der immer „pfeilgerade ins Zentrum der Politskandale“ traf. Auch seine Gegner zollten ihm am Schluß Respekt.

Dieter Hildebrandt bei seinem letzten Auftritt am 17. Juli 2013 an der Passauer Ortsspitze anlässlich einer Benefiz-Veranstaltung zugunsten der Hochwasser-Geschädigten in Passau. Der Kabarettist starb in der Nacht zum 20.11.2013 im Alter von 86 Jahren in einem Münchner Krankenhaus. Erst am 19.11. war bekanntgeworden, dass Hildebrandt schwer an Krebs erkrankt war. Foto: Rudolf Klaffenböck/dpa (zu dpa Kabarettist Dieter Hildebrandt ist tot vom 20.11.2013)
Dieter Hildebrandt bei seinem letzter Auftritt 2013Bild: picture-alliance/dpa

„Hauptsache man kommt noch allein auf die Bühne“

Aber Dieter Hildebrandt kannte keinen künstlerischen Ruhestand. Noch mit 80 ging er quer durch die Republik auf Tournee und suchte wieder den Kontakt zum Publikum. Seine zahlreichen Bücher ("Denkzettel", "Ich kann doch nichts dafür", "Vorsicht Klassik") bescherten nicht nur ihm als Autor Erfolg, sondern auch seiner altersgemäßen Form des Bühnenauftritts: sitzend, an einem kleinen Tisch, auf dem zur Not ein Manuskript als Gedächnisstütze lag. Dazwischen war er bis zuletzt ganz der "Alte" – bissig, pointiert und bei allem Witz hellwach am politischen Geschehen um ihn herum interessiert. Der Applaus entschädigte ihn für alle Mühen.