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Afrikas Bürgerrechtler leben gefährlich

Philipp Sandner2. Juli 2014

Der Arabische Frühling von 2011 hat in ganz Afrika Protestwellen losgetreten. Aktivisten aus vier Ländern berichten auf dem Deutsche Welle Global Media Forum, was davon nach drei Jahren übrig bleibt.

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Jugendliche protestieren mit verbundenen Händen vor der Wahl in Angola im August 2012 (Foto: ).
Bild: picture-alliance/dpa

Aktivisten in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba haben ihre ganz eigene Begrüßungsformel: "Wie geht es euch in Zone neun?" So berichtet der äthiopische Blogger Eshete Bekele Tekle - und liefert die Erklärung gleich mit: In Addis Abeba gebe es ein Gefängnis, das in acht Zonen eingeteilt sei. "Doch außerhalb gibt es auch keine Freiheit. Darum ist die ganze Stadt ein Gefängnis - die Zone neun." Im Frühjahr 2011 hatte sich in Äthiopien eine Protestbewegung gegen die Regierung des damaligen Premierministers Meles Zenawi gebildet. Unter dem Leitspruch "Beka" - "Es reicht!" sollte es Großdemonstrationen und einen "Tag des Zorns" geben - nach dem Vorbild der nordafrikanischen Aufstände des Arabischen Frühlings. Der Vorwurf: Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung der Meinungsfreiheit.

Premier Zenawi zeigte sich damals unbeeindruckt von den Plänen. Eine Revolution wie in Ägypten sei in seinem Land schlicht nicht möglich. Er sollte Recht behalten: Die Protestwelle verebbte in dem autokratischen Staat, bevor die Massen auf die Straße gingen. Verschärfte Internetzensur trug ihren Teil dazu bei. Nach dem überraschenden Tod des Premierministers im August 2012 hofften viele Äthiopier, dass sich die Verhältnisse entspannen würden. Doch nichts habe sich geändert, sagt Tekle der Deutschen Welle. "Die Regierung hält alle Fäden in der Hand. Es gibt Korruption und Misswirtschaft, Macht und Reichtum sind nicht gerecht verteilt." Der Wandel könne nur von der Bevölkerung ausgehen, sagt der Blogger - und zeigt sich ratlos angesichts der totalen Kontrolle.

Hartes Durchgreifen gegen Proteste

Der Blogger traf beim Deutsche Welle Global Media Forum auf Aktivisten und Regierungskritiker aus Simbabwe, Angola und dem Tschad. In einer Podiumsdiskussion debattierten sie über die Proteste, die infolge des Arabischen Frühlings in ganz Afrika aufflammten. Meist wurden sie brutal niedergeschlagen, bevor sie Fuß fassen konnten. So auch in Angola: Dort töteten Sicherheitskräfte drei Aktivisten bei Demonstrationen gegen Präsident José Eduardo dos Santos. "Diktatoren halten zusammen. Auch Diktatoren betreiben Networking", sagt Rafael Marques de Morais, der Gründer der Anti-Korruptions-Website Maka Angola. Angola kaufe Diamanten aus Simbabwe, um so den dortigen Präsidenten Robert Mugabe zu stärken. So decke ein korruptes Regime das andere.

Rafael Marques de Morais am 01.06.2014 beim DW Global Media Forum (Foto: DW/J. Beck).
Webaktivist Rafael Marques de MoraisBild: DW/J. Beck

Mugabe regiert Simbabwe seit 1980 - zunächst als Premierminister und ab1987 als Präsident. Der heute Neunzigjährige ließ sich 2013 wiederwählen. Doch die Vorwürfe aus dem In- und Ausland sind groß: Massive Menschenrechtsverletzungen, Misswirtschaft und Unterdrückung der Opposition sind an der Tagesordnung.

"Ich habe viele Wahlen in Simbabwe erlebt, aber keine Demokratie", sagt Aktivistin Jenni Williams. Sie gründete 2003 die Frauenrechtsbewegung Women of Zimbabwe Arise (WOZA), die inzwischen rund 85.000 Mitglieder zählt. Ihre Organisation sei bekannt für den friedlichen Widerstand, betont Williams, die 2012 von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ausgezeichnet wurde. Das Entscheidende sei, "auf der richtigen Seite der Dinge" zu stehen. Die Aktivistin, die wegen ihrer offenen Kritik an der Regierung über 50 Mal in Haft war, berichtet, wie sie einmal von einem Sicherheitsbeamten angesprochen wurde: "Warum sind Sie heute so ruhig? Bitte veranstalten Sie mehr Proteste!"

Menschenrechtlerin Jenni Williams aus Simbabwe beim DW Global Media Forum 2014 in Bonn (Foto: DW/V. Kleber).
AI-Preisträgerin Jenni WilliamsBild: DW/V. Engels

Ziel: Machtwechsel oder Bürgerbeteiligung?

Nicht immer sind die Aktivisten einer Meinung. "In Afrika ist Politik etwas für Betrüger", sagt Marques de Morais. Um das zu ändern, müssten "gute Menschen in der Zivilgesellschaft" die Macht einfordern. Jenni Williams widerspricht: "Diese Macht will ich gar nicht! Ich will nur meine Kinder zur Schule schicken können, ich will, dass sie Arbeit finden." Ihre Aufgabe als Bürgerin sei es, dies vom Staat einzufordern. "Das ist ein wichtiger Raum in der Gesellschaft - Lasst ihn uns besetzen!" In Tunesien, Ägypten und Libyen hatten die Massenproteste 2011 Regierungswechsel herbeigeführt. Doch die Aufbruchsstimmung ist in diesen Ländern schon verflogen: Die neuen Machthaber vertrauen erneut mehr auf ihre Sicherheitskräfte als auf Bürgerbeteiligung. Ein Grund, dass es in Simbabwe noch keinen Umsturz gegeben habe, sei, dass man chaotische Verhältnisse wie in Nordafrika vermeiden wolle, sagt Williams.

Zu den Panelgästen gehörte auch der tschadische Journalist Eric Topona. Vergangenes Jahr war der damalige DW-Korrespondent im Tschad inhaftiert worden - der Vorwurf lautete "Gefährdung der Verfassungsordnung". Die Teilnehmer des Global Media Forum 2013 forderten daraufhin in einem Appell seine Freilassung.

"Der tschadische Präsident Idriss Déby möchte, dass man ihm Geschenke macht", sagte Topona. Die Rolle von Journalisten sei es aber, auf Missstände hinzuweisen. Dazu gehöre es auch, Korruption und Armut zu benennen, so Topona: "Die Menschen müssen etwas zu essen haben." Mit dieser Haltung musste er in seiner Heimat um sein Leben fürchten. Zurzeit arbeitet Topona für das französische Programm der Deutschen Welle in Bonn.

Eric Topona
Journalist Eric ToponaBild: E. Topona

Auch in seinem deutschen Exil wird Topona nicht müde, die Missstände in seinem Heimatland anzusprechen. Die Berichterstattung internationaler Medien wie der Deutschen Welle sei auch vor Ort eine große Hilfe, betont Aktivistin Williams. Doch ihr geht es vor allem darum, die Bürgerrechtsbewegungen vor Ort zu stärken. Williams kritisiert, dass die Debatte sich oft auf die Rolle der sozialen Netzwerke beschränke. "Protest beginnt nicht in den sozialen Netzwerken", sagte Williams. "Protest beginnt, indem man Menschen anspricht, ihre Probleme versteht und sie einbindet."