Wenn Bäume pflanzen schädlich wird
26. März 2021Die Pflanze Prosopis Juliflora kam in den 1980er Jahren nach Baringo County, einem Verwaltungsbezirk von Kenia. Den Hirten hier, ganz im Westen des Landes, hat man damals vor allem die Vorteile der Pflanze angepriesen.
Mathenge wird der holzige Strauch hier genannt. Schnell wächst er zu einem riesigen Baum. Er ist anspruchslos und kommt auch auf trockenem Boden zurecht. Daher hatten die Regierung sowie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen damals die Ansiedlung der aus Mittel- und Südamerika stammenden Pflanze gefördert. Damit wollte man die Wiederherstellung degradierter Trockengebiete unterstützen.
Anfangs war alles gut. Die Pflanzen wurden ein nützlicher Wall gegen Sandstürme. Sie lieferten reichlich Holz zum Kochen und Bauen und boten Futter für die Tiere, sagt Simon Choge, ein Forscher des Kenya Forestry Research Institute in Baringo County.
Aber 1997 nach den Regenfällen des El-Niño, einem durchschnittlich alle vier Jahre auftretenden Wetterphänomen, wurde alles anders. Die Mathenge-Samen wurden weit getragen. Die Pflanze breitete sich dadurch aggressiv aus. Die heimische Fauna hatte dem nichts entgegen zu setzen.
Undurchdringliche Dickichte überwucherten die Weideflächen, verdrängten die einheimischen Arten und erschöpften die Wasserquellen. Die Dornen der Bäume durchbohrten die Hufe des Viehs. Die süßen harten Schoten verursachten Karies und Zahnausfall bei denen, die davon fraßen, sodass die Tiere oft starben.
"Jetzt haben die Menschen keine Lebensgrundlage mehr", sagt Choge.
Dabei wurden die groß angelegten Mathenge-Pflanzprogramme als idealer Weg angepriesen, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen. Aus Baringos weiten Grasflächen ist inzwischen eine Gegend voller Mathenge-Bäume geworden. Experten warnen inzwischen, dass das Pflanzen von Bäumen mehr schaden als nützen könnte.
Seit der Kolonialzeit haben falsche Vorstellungen über Trockengebiete und das Ignorieren des indigenen Wissens der Einheimischen dazu geführt, dass Bäume dort gepflanzt werden, wo sie normalerweise nicht vorkommen. Das zerstört nicht nur die Ökosysteme vor Ort, sondern auch die Lebensgrundlage der Menschen, die dort leben. Heute, wo das Pflanzen von Bäumen als idealer und einfacher Weg zur Bewältigung der Klimakrise gesehen wird, scheint sich dieser Fehler zu wiederholen.
Artenvielfalt in Trockengebieten
Trockengebiete machen etwa vierzig Prozent der Landoberfläche der Erde aus. Es gibt sie vor allem in Afrika und Asien. Dazu gehören Savannen-, Gras-, Busch- und Wüstenlandschaften. Dort herrschen Wasserknappheit, es gibt saisonale Klimaextreme und immer wieder unvorhersehbare Regenfälle. Aber die Gebiete sind reich an Pflanzen und Tieren, die auf einzigartige Weise an diese Extreme angepasst sind.
Etwa 2,3 Milliarden Menschen und die Hälfte des weltweiten Viehbestands leben in diesen Regionen. Fast 50 Prozent aller landwirtschaftlichen Nutzflächen befinden sich in Trockengebieten. Über die Jahrtausende haben sich auch die Menschen an die Extreme der Trockengebiete angepasst.
Das haben sie nur deshalb geschafft, weil sie wussten, sich mit den Risiken zu arrangieren. Die Menschen haben gelernt, Wetterschwankungen und Ungewissheiten zu ihrem Vorteil zu nutzen, sagt Ced Hesse vom International Institute for Environment and Development in London. Dort forscht der Wissenschaftler über die Lebensbedingungen in Trockengebieten.
Das reicht von der idealen Ausnutzung der unterschiedlichen Jahreszeiten, um die bestmöglichen Erträge auf den Feldern zu erwirtschaften bis hin zur gezielten Zucht von Tieren, die den schwierigen klimatischen Bedingungen gewachsen sind. So haben die Bewohner von Trockengebieten "ein unglaubliches indigenes Wissen darüber entwickelt, wie sie die Gegebenheiten der Natur zu ihrem Vorteil nutzen können", so Hesse.
Indigenes Wissen und die Kolonialzeit
In ihrem Buch "The Arid Lands: History, Power and Knowledge " schreibt die Geschichtsprofessorin Diana K. Davis von der Universität Kalifornien über Trockengebiete. Sie beschreibt darin, wie dieses indigene Wissen lange ignoriert und missachtet wurde. In den Kolonien wurde einfach angenommen, dass Trockengebiete Ödland seien und dort wegen der Überweidung und Abholzung durch die Einheimischen keine Bäume wachsen würden.
Laut Davis waren solche Ansichten in allen französischen und britischen Kolonien verbreitet - vom Maghreb über das südliche Afrika und den Nahen Osten bis hin nach Indien. Sie dienten als Rechtfertigung für verschiedene Programme und eine Politik, die zum Teil gegen die indigene Bevölkerung gerichtet war.
Diese Annahmen wiederum ebneten den Weg für die Umwidmung von Trockengebieten in Ackerland oder auch in Naturschutzgebiete, sagt Susanne Vetter, Professorin für Pflanzenökologie an der Rhodes Universität in Südafrika. Es wurden zahlreiche Bäume gepflanzt, oft invasive fremde Arten. Man glaubte, so die vermeintlichen Probleme der Trockengebiete lösen zu können.
So waren die sozialen Auswirkungen als auch die Umweltkosten für diese Umwidmung der Flächen am Ende groß: Degradierung, Versalzung, Verlust von Produktivität und Biodiversität. Die Ausbreitung von invasiven Arten und erschöpfte Wasserquellen waren die Folgen.
Trotz jahrzehntelanger Fortschritte in der Forschung rund um Trockengebiete gelingt es noch immer nicht, diesen falschen Annahmen zu begegnen. Das Gegenteil ist der Fall. Noch immer werden sie von politischen Entscheidungsträgern, den Medien und in den Lehrplänen an den Universitäten bekräftigt, sagt Hesse. "Viele der Probleme in den Trockengebieten rühren daher, dass man versucht, sie mit viel Geld in Investitionen und Technologien in etwas zu verwandeln, was sie so nicht sind", so Hesse.
Wiederaufforstung - aber richtig
Vetter sieht genau dieses Problem bei verschiedenen groß angelegten Pflanz-Initiativen, die im vergangenen Jahrzehnt gestartet wurden. Unter anderem zielen die Bonn Challenge und die African Forest Landscape Restoration Initiative (AFR100) auf Länder in Afrika, Asien und Südamerika, die größtenteils von Savannen und Grasland bedeckt sind.
"Es wichtig, die Wälder in Afrika wiederherzustellen", sagt Urs Schaffner, Leiter des Bereiches Ökosystemmanagement bei CABI, einer internationalen gemeinnützigen Organisation mit Sitz in der Schweiz, die mit ihrer Forschung die Lebensbedingungen von Millionen Kleinbauern verbessern will. Gemeinsam mit Choge wollen die Wissenschaftler die Mathenge-Invasion in Baringo im Rahmen des Woody Weeds-Projekts in den Griff kriegen.
Dabei ist das Wie entscheidend. Statt sich auf Zahlen zu fixieren sei es wichtiger, "am richtigen Ort die richtige Pflanze in den Boden zu bringen", sagt Schaffner.
Besonders besorgniserregend ist für Vetter und Schaffner die Aufforstung mit nicht heimischen Baumarten. Die können ein Land regelrecht verwüsten, so wie mit Mathenge in Baringo in Kenia geschehen.
Auch bei Fragen rund um die Abschwächung des Klimawandels werden die Trockengebiete noch immer unterschätzt. "Gesundes Grasland kann die gleiche Menge an Kohlenstoff speichern wie Wälder", sagt Schaffner. Bislang sei noch zu früh, um zu wissen, welche Auswirkungen die derzeitigen Pflanz-Initiativen haben werden. Dennoch gibt ihre Erfahrung ihr Anlass zur Sorge, da sie "das Potenzial haben, schief zu gehen".
Mit der Idee zur Wiederherstellung von Waldlandschaften, den die Bonn Challenge verfolgt, "darf es jedoch keine Umwandlung natürlicher Ökosysteme geben", sagt Chris Buss, Direktor des IUCN-Programms zur Erhaltung der Wälder, in dem die Bonner Initiative angesiedelt ist. "Grasland oder Savannen mit Baumpflanzungen zu bedecken, würde nicht als Wiederherstellung von Waldlandschaften gelten." Stattdessen, so Buss, beinhaltet das Projekt neben der Aufforstung eine Mischung weiterer Maßnahmen wie die Sanierung von Landschaften oder die Verjüngung der Natur.
Die Wiederherstellung des Grünlands
Für die Menschen in Baringo ist der Schaden durch die Mathenge-Invasion gewaltig. Im Jahr 2006 verklagten sie die kenianische Regierung deswegen und forderten eine Entschädigung. Obwohl sie damals vor Gericht gegen die Regierung gewannen, wurden nur wenige Maßnahmen umgesetzt .
Heute arbeiten die am meisten von der Mathenge-Invasion betroffenen Gemeinden daran, die weitere Ausbreitung zu verlangsamen und bei seiner Vernichtung zu helfen. An seiner Stelle pflanzen sie einheimische Arten, um das Grasland in der Region wiederherzustellen, berichtet Forscher Choge.
Er hofft, dass es gelingt, den größten Teil des Bestandes in den nächsten zwanzig Jahren zu entfernen, gibt aber zu, dass die Herausforderung groß ist. "Es ist sicher nicht einfach, aber wir werden unser Bestes versuchen."