Wenn beim Wandern der Bär kommt
23. Februar 2018Es liegt tiefer Schnee auf 1700 Metern in den Karpaten, von Wanderweg keine Spur. Aber Radu Zaharie kennt sich aus, die Sonne scheint und der Ausblick ist großartig: "Im Norden sehen wir die Hermannstädter Senke und weit dahinter die Ostkarpaten. An sehr guten Tagen, gerade im Winter, kann man den ganzen Karpatenbogen bis in die Ukraine auf Entfernungen von über 600 Kilometern sehen."
Als Bergführer organisiert Radu Zaharie ein- und zweiwöchige Wanderungen von Hütte zu Hütte, im Winter auch Skitouren: "Bisher ist das ein Nischenangebot, aber immer mehr Gäste wollen die Karpaten auch im Winter kennen lernen."
Der Mensch ist für den Braunbären uninteressant
Radu Zaharie versucht wie viele andere in Rumänien, den Tourismus voranzubringen. Sein Fachgebiet ist das "sanfte Reisen", naturverbundenes Wandern in einem der ärmsten EU-Länder, das Einnahmen aus dem Tourismus dringend braucht. "Als Karpatenüberquerung käme zum Beispiel eine Kammwanderung in den Fagarascher Bergen in Frage, also im Königstein (Nationalpark Piatra Craiului), von Hütte zu Hütte", erzählt Radu Zaharie. "Es gibt Programme für verschiedene Zielgruppen. Manche Gäste wollen zum Beispiel mehr Komfort haben, also kein Pritschenlager auf einer Kammhütte, sondern eine Pension mit Sauna. Andere wiederum möchten vor allem wilde Tiere beobachten, insbesondere Braunbären."
Unterwegs können Wanderer durchaus Bären begegnen, aber davor sollten sie keine Angst haben, so der Experte. "Der Mensch ist für Braunbären uninteressant. Man muss sie schon sehr provozieren, damit sie gefährlich werden. Gemeint ist der europäische Braunbär, man sollte ihn auf keinen Fall mit Grizzlies verwechseln."
Deutscher Alpenverein als Vorbild
Im Vergleich zu den Alpen steckt der Bergtourismus in den Karpaten noch in den Kinderschuhen, aber Radu Zaharie versucht nach dem Vorbild des Deutschen Alpenvereins den Siebenbürgischen Karpatenverein SKV wiederzubeleben und engagiert sich für die Restaurierung historischer Hütten. Einige der schönsten stehen in und um Paltinis (Hohe Rinne), dem höchst gelegenen Bergkurort Rumäniens. "Sie gehören zu den ältesten Hütten, die wir in den rumänischen Karpaten finden können. Ende des 19. Jahrhunderts vom SKV in Eigenregie gebaut", erklärt Radu Zaharie. Allerdings stehen auch Plattenbauten aus der Ceausescu-Zeit hier. Dazu meint er: "Paltinis ist leider ein Beispiel dafür, wie man einen Bergkurort verschandeln kann."
"Wir lernen wie kleine Kinder"
Aber, sagt Radu Zahirie, das hat eben auch seinen Reiz, wenn nicht alles perfekt und entwickelt ist - und unberührte Natur gibt es in den Karpaten genug. "Ich fühle mich wie ein unbeholfenes Kind bei der touristischen Erschließung dieser Region, versuche aber die Augen zu öffnen, um mich zu orientieren. Es sind die ersten Schritte des Ökotourismus-Verbands "Naturfreunde Rumäniens". Wir lernen wie kleine Kinder."
Apropos Kinder: Wenn die Braunbären Junge haben, sollte man beim Wandern aufpassen, denn die Tiere verteidigen ihren Nachwuchs vehement, wenn sie Wanderer als gefährlich einstufen. Glücklicherweise verstecken sich die Bären in dieser Zeit. Meist sieht man dann nur ihre Spuren im Schnee.
Rolf Borchard (Deutschlandfunk)