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Wenig Vertrauen in Matteo Renzi

Kirstin Hausen24. Februar 2014

Italiens neuer Ministerpräsident hat am Montag um die Unterstützung des Parlaments für seine Reformen geworben. Medien, Bürger und selbst Parteikollegen stehen Renzi skeptisch gegenüber. Was kann sich in Italien ändern?

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Italien neue Regierung in Rom Parlament Ministerpräsident Matteo Renzi
Bild: Reuters

"Subito" - "sofort" - ist eines von Matteo Renzis Lieblingswörtern. Italiens neuer Ministerpräsident, mit 39 Jahren der jüngste in der Geschichte des Landes, will Reformen. Und zwar "subito": Eine Reform pro Monat hat er versprochen - und eine radikale Wende.

Bleibt alles anders?

Wie er das anstellen will, bleibt sein Geheimnis, denn seine parlamentarische Mehrheit stützt er auf dieselben Koalitionspartner wie Vorgänger Enrico Letta, den er vor wenigen Tagen aus dem Amt gedrängt hatte. Und die mögen das Eiltempo des ehemaligen Bürgermeisters von Florenz gar nicht. Sonst hätten sie die Wahlrechtreform, die Matteo Renzi als erstes in Angriff nehmen will, längst verabschiedet. Oder sie hätten Ernst gemacht mit der Umstrukturierung der öffentlichen Verwaltung und dem Abbau der ausufernden Bürokratie. Für Italien wären das Meilensteine.

Die italienischen Medien sind skeptisch, bemängeln die geringe politische Erfahrung der Kabinettsmitglieder. "Alles lastet auf Renzis Schultern", schreibt der "Corriere della Sera" aus Mailand. Und die Zeitung "La Stampa" aus Turin bezweifelt, dass die Regierung die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg in den Griff bekommt. Auch viele Bürger fragen sich, was sich denn wirklich ändern wird im Vergleich zur Vorgänger-Regierung unter Enrico Letta.

Matteo Renzi Kabinett Rom 22.02.2014 (Foto: Getty Images)
Das Kabinett RenziBild: Getty Images

Verhaltene Reaktionen in der Bevölkerung

"Wir haben doch nur ein anderes Gesicht an der Spitze. Renzi steht für die Politik, die auch Letta verkörpert hat", sagt ein Restaurantbetreiber auf dem "Corso Como" in Mailand. Die meisten Passanten reagieren sehr verhalten auf die Nachrichten aus Rom. "Das ist schon wieder ein Regierungschef, der gar nicht gewählt wurde", beschwert sich eine junge Frau vor dem Schaufenster eines Schuhgeschäftes.

In der Tat haben die Italiener nun schon die dritte Regierung, die nicht an der Wahlurne zustande kam. Stattdessen bestimmt immer häufiger Staatspräsident Giorgio Napolitano, wer das Land führen soll. Im November 2011 setzte er Mario Monti an die Spitze eines nicht gewählten Kabinetts aus Fachleuten, um das Land aus der finanziellen Krise zu holen. Und nachdem die Parlamentswahlen im Februar 2013 in einem Patt endeten und es trotz wochenlanger Verhandlungen zu keinem Regierungsbündnis kam, schmiedete Napolitano eine große Koalition aus Renzis Mitte-links-Partei, der PD, und der Partei von Silvio Berlusconi - unter Vorsitz von Renzis Parteikollegen Enrico Letta. Matteo Renzi ist damit der dritte Ministerpräsident ohne Mandat der Wähler. Und er will bis zum Ende der Legislaturperiode regieren, verkündet er selbstbewusst.

Matteo Renzi Premierminister Italien (Foto: Getty Images )
Wird es nicht leicht haben: Matteo RenziBild: Getty Images

Neuwahlen oder Durchregieren?

Meinungsumfragen deuten darauf hin, dass sich die Italiener Neuwahlen im Herbst wünschen. Und nicht nur sie - auch in Renzis eigener Partei melden sich Kritiker zu Wort. "Wir hatten die Hoffnung, er könne unsere Partei zum Wahlsieg führen. Dafür braucht es aber Wahlen!" sagt ein Parteikollege Renzis der Deutschen Welle. Ein früherer Weggefährte von Matteo Renzi, der Parlamentarier Pippo Civati aus Monza, fürchtet einen Rechtsruck der Partei und wirft Renzi vor, sein politisches Programm auf die Wünsche des rechten Lagers auszurichten. "Berlusconi freut sich am meisten über den neuen Regierungschef", sagte Civati in einem Zeitungsinterview: "Renzi ist dort, wo er jetzt ist, weil er politisch verbrannt werden soll!"

Berlusconi: Renzis Freund oder Feind?

Berlusconi könnte darauf spekulieren, dass sich Matteo Renzi in den nächsten Monaten verschleisst. Denn die Probleme des Landes sind enorm und auch der energiegeladene Florentiner mit der Vorliebe für rasche Lösungen hat keinen Zauberstab. So wäre sein Stern bereits erloschen, bevor die nächsten Wahlen anstehen.

Obwohl Berlusconi rechtskräftig verurteilt ist und seinen Sitz im Senat räumen musste, bestimmt er die italienische Politik nach wie vor mit. Nun verlangen er und seine Getreuen von Matteo Renzi Reformen, die sie selbst in den Jahren ihrer Amtszeit nicht angegangen sind. Nur wenn Renzi bald Erfolge vorweisen kann auf dem Weg zur Umgestaltung des Landes, wird er sich halten können. Aber dazu braucht er die Unterstützung der anderen Parteien. Die Zustimmung der stark im Parlament vertretenen 5 Sterne Bewegung des ehemaligen Komikers Beppe Grillo hat Matteo Renzi nicht. Grillo fertigte den neuen Regierungschef als Teil der Kaste ab, die er bekämpfe. So muss sich Renzi auf die gleichen Koalitionspartner verlassen wie sein Vorgänger Letta, oder gar Silvio Berlusconis "Forza Italia" einbinden. Einfach wird das Regieren dadurch nicht.

Silvio Berlusconi (Foto: Getty Images)
Trotz Verurteilung mischt er noch kräftig mit: Silvio BerlusconiBild: Getty Images