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Weltweiter Aufruf für freie Presse in Türkei

31. Oktober 2015

Rund 50 internationale Medien haben den türkischen Präsidenten Erdogan in einem offenen Brief gemahnt, die Pressefreiheit zu gewährleisten. Vor der Parlamentswahl am Sonntag prangern sie etliche Übergriffe an.

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Türkische Polizisten stehen Gülen-Anhängern vor den gestürmten TV-Sendern in Istanbul gegenüber (Foto: Reuters)
Türkische Polizisten stehen Gülen-Anhängern vor den gestürmten TV-Sendern in Istanbul gegenüberBild: Reuters/M. Sezer

Der offene Brief wurde von Chefredakteuren und anderen leitenden Vertretern aus mehr als zwei Dutzend Ländern unterzeichnet. Dazu gehören die US-Zeitungen "New York Times" und "Washington Post", die Nachrichtenagenturen AP und AFP, ARD und ZDF, die "Süddeutsche Zeitung", die "Welt"-Zeitungsgruppe, der TV-Sender N24, die italienische Zeitung "La Stampa", "Mainichi Shimbun" aus Japan und VICE Media.

Die unterzeichnenden Medien teilen die Besorgnis, dass die jüngsten Angriffe auf Medien und Journalisten in der Türkei "Teil einer konzertierten Kampagne sind, um jegliche Opposition oder Kritik an der Regierung im Vorfeld der Wahl zum Schweigen zu bringen". Das Versagen der türkischen Regierung, Journalisten während des Wahlkampfs zu unterstützen und zu schützen, "untergräbt das internationale Ansehen des Landes und schädigt sein Ansehen als Demokratie", schreiben die Autoren.

"Kultur der Straflosigkeit"

An den islamisch-konservativen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gewandt heben die Medienvertreter hervor: "Wir rufen Sie auf, ihren Einfluss geltend zu machen um sicherzustellen, dass Journalisten, ob türkische Staatsbürger oder Mitglieder der internationalen Presse, geschützt sind und es ihnen erlaubt wird, ihre Arbeit ohne Einschränkungen auszuüben." Dabei brachten die Chefredakteure auch ihre Sorge über die "Kultur der Straflosigkeit" bei Attacken auf Journalisten zum Ausdruck.

Die Chefredakteure führen eine Reihe von Angriffen auf Medien in den vergangenen zwei Monaten an. Dazu zählt die Attacke auf die Büros der Tageszeitung "Hürriyet", der Überfall auf den Journalisten Ahmet Hakan Coskun, die Festnahme von drei Journalisten, die für Vice News aus dem unruhigen Kurdengebiet im Südosten der Türkei berichtet hatten.

Staatliche Treuhänder greifen durch

Zudem verwiesen die internationalen Medienvertreter auf die Erstürmung des regierungskritischen Koza-Ipek-Medienkonzerns durch die Polizei in dieser Woche. Nach der Übernahme von Koza Ipek haben die staatlichen Treuhänder die Zeitungen des Konzerns vor der Parlamentswahl auf Regierungskurs gebracht. Die bisher regierungskritische "Bugün" erschien am Freitag mit einem staatstragenden Foto von Präsident Erdogan bei den Feiern zum Tag der Republik auf der Titelseite. Die "Millet" bildete Ministerpräsident Ahmet Davutoglu ab, der weiße Tauben mit einer "brüderlichen Botschaft" in den Himmel steigen lässt.

Die beiden zwischenzeitlich abgeschalteten Fernsehsender des Konzerns - Kanaltürk und Bugün - zeigten am Freitag Wohlfühlsendungen statt Nachrichten. Ein Gericht in Ankara hatte am Montag Treuhänder für die Koza-Ipek-Holding bestellt. Das Gericht wirft dem Mutterkonzern mit Sitz in Ankara Geldwäsche und Unterstützung der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen vor, die in der Türkei inzwischen als Terrororganisation eingestuft wird. Gülen gilt inzwischen als Erzfeind Erdogans. Dieser wirft dem im US-Exil lebenden Prediger vor, Polizei und Justiz unterwandert zu haben und die Macht an sich reißen zu wollen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" liegt die Türkei inzwischen nur noch auf Platz 149 von 180.

Schon wieder eine Wahl

Zum zweiten Mal innerhalb von knapp fünf Monaten sind die Türken an diesem Sonntag zur Wahl ihres Parlaments in Ankara aufgerufen. Erdogan hatte die Neuwahl ausgerufen, als nach der Abstimmung am 7. Juni keine Regierungskoalition zusammenkam. Bei der Wahl im Juni hatte die islamisch-konservative Regierungspartei AKP mit 40,9 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Sitze verfehlt. Grund dafür war, dass die pro-kurdische HDP mit 13,1 Prozent der Stimmen überraschend die Zehnprozenthürde überwand und ins Parlament einzog.

Der Verlust der absoluten Mehrheit war auch eine schwere Niederlage für Erdogan. Er hatte vor der Wahl im Juni für die von ihm mitbegründete AKP Wahlkampf betrieben, obwohl die Verfassung dem Staatsoberhaupt Neutralität vorschreibt. Erdogans Ziel ist die Einführung eines Präsidialsystems, wofür er aber eine starke AKP-Alleinregierung benötigt.

kle/qu (afp, dpa, ape)