Weltweite Lesungen für inhaftierten Lyriker
14. Januar 2016
Saudi-Arabien ist kein guter Ort für Schriftsteller. Die strenge Diktatur und die zweifelhaften Menschenrechte des Landes sind berüchtigt. Massenexekutionen, die Inhaftierung von Bloggern und Regimekritikern sowie die systematische Diskriminierung von Frauen und religiösen Minderheiten gehören zum Alltag. Ende letzten Jahres verglich ein Twitter-Benutzer Saudi-Arabien sogar mit der dschihadistischen Gruppe „Islamischer Staat“ (IS).
Jetzt findet sich erneut ein Schriftsteller auf der falschen Seite des saudi-arabischen Scharia-Gesetzes wieder. Ashraf Fayadh, ein palästinensischer Künstler, Schriftsteller und Mitglied der international anerkannten Künstlergruppe "Edge of Arabia", lebte in der südwestlichen Stadt Abha, etwa 1000 Kilometer von der saudi-arabischen Hauptstadt Riad entfernt.
In Abha arbeitete er als Kurator der Ausstellung "Mostly Visible", die die wichtigsten Werke der saudi-arabischen Kunstszene präsentierte. Die Schau war so populär, dass auch das Londoner Tate Modern, das weltweit größte Museum für moderne Kunst, Fayadhs Arbeit als Kurator lobte.
Im Jahr 2013 stritt sich Fayadh während eines Fußballspiels mit einem Freund. Während des Spiels wurde der jetzt 35-Jährige von der saudi-arabischen Polizei verhaftet. Angeblich habe er mit seiner Poesie Gott beleidigt, den Atheismus gepriesen und anti-islamische Empfindungen begünstigt.
Fayadh verfocht seine Werke und sagte, sie würden den Islam nicht verleugnen. Einen Tag nach der Verhaftung wurde er freigelassen, doch 2014 erneut verhaftet -aus den gleichen Gründen. Im Prozess verurteilte ihn der Richter zu vier Jahren Haft und 800 Peitschenhieben. Fayadh legte Revision ein und bekam einen zweiten Prozess. Doch auch beim zweiten Mal wurde er für schuldig befunden – und zum Tode verurteilt.
Unterstützung weltweit
Schriftsteller und Künstler rund um den Globus haben sich auf sozialen Netzwerken zusammengeschlossen, um den palästinensischen Poeten zu unterstützen. Sie verlangen Fayadhs sofortige Freilassung. Doch nicht nur einzelne Personen machen auf seine Notlage aufmerksam. Auch Organisationen, zum Beispiel PEN International, sorgen sich um sein Wohlbefinden.
Um ihr Ziel von Fayadhs Freilassung zu erreichen, übersetzte eine Gruppe von Aktivisten Fayadhs Werke aus dem Arabischen unter Anderem ins Englische und postete diese auf Twitter.
Einen Schritt weiter
Das Internationale Literaturfestival Berlin (ILB) ist der Meinung, dass mehr getan werden muss. Die Initiatoren des Festivals posteten Ende November auf Facebook, dass Fayadhs Gedichte öffentlich gelesen werden sollen. Das Event findet am 14. Januar statt. Über Twitter ruft das ILB zur Teilnahme auf.
"Wir empfinden das Hinrichten eines jungen Künstlers wegen seiner künstlerischen Arbeit als große Ungerechtigkeit", so das ILB. Auch Marcia Lynk Qaley, eine arabische Literatur-Bloggerin und Aktivistin, setzt sich für den Lyriker ein. "Fayadh ist ein wichtiger Poet, der einen frischen Blick auf die Welt hat. Er ist ein Teil von uns und wir müssen zusammenhalten."
Kurz danach übernahm das Brooklyn Museum in New York diese Anregung. Die Zahl der Organisationen, die an einem ähnlichen Vorhaben interessiert waren, wuchs stetig.
Das ILB-Hauptevent soll in Berlin stattfinden. Gleichzeitig sind für Donnerstag, den 14. Januar, weitere Events an 121 Standorten in 43 Ländern geplant – von Singapur bis Bolivien, Österreich und China.
Keine Illusionen
Die öffentlichen Lesungen haben weltweite Aufmerksamkeit erzielt, und die Organisatoren der Events sind sich der Tatsache sehr bewusst, welchen Einfluss die Events auf Fayadhs Fall haben – oder auch nicht haben – könnten. Das ILB sagt, es sei klar, dass Saudi-Araber "nicht zu beeindrucken" seien. Das wurde kürzlich wieder besonders deutlich, als Riad die diplomatischen Beziehungen mit dem Iran beendete. Das ILB ist der Meinung, dass solche Ungerechtigkeiten des islamischen Regimes sichtbar gemacht werden müssen.
Bloggerin Lynx Qualey betonte, dass die Veranstaltung am 14. Januar mehr fordere als nur Fayadhs Befreiung. Es sei eine Möglichkeit zu zeigen, wie Schriftsteller, Dichter und Blogger in manchen Ecken der Welt behandelt werden. "Es ist wichtig, dass wir für Schriftsteller auf der ganzen Welt zusammenhalten", fügt sie hinzu.
Leider ist Ashraf Fayadhs Geschichte keine Seltenheit: Der Blogger Raif Badawi wurde zu zehn Jahren Gefängnis und 1.000 Peitschenhieben verurteilt, nachdem Behörden befanden, dass er den Islam beleidigt habe. Hier ist die komplette Liste von öffentlichen Lesungen auf der ganzen Welt.