Wasserknappheit: Abwasser als Lösung
22. März 2018Wasser ist endlich. Es ist eine Ressource, um die zunehmend gerungen wird. Länder auf der ganzen Welt leiden unter Wasserknappheit – auch in Europa. Etwa ein Drittel des Gebiets und etwa 11 Prozent der europäischen Bevölkerung leiden unter Wassermangel.
Klimawandel und steigende Temperaturen werden das Problem in den kommenden Jahren noch verstärken, prophezeien Wissenschaftler. Umso dringender suchen Experten überall nach einer Lösung des Wasserproblems. Eines bekommt dabei immer mehr Aufmerksamkeit: Abwasser.
"Es besteht kein Zweifel darin, dass das Potential der Rückgewinnung von Wasser sehr groß ist. Wie groß genau, das wissen wir noch nicht", sagt Steven Eisenreich, Professor für Geochemie und Umwelt an der Universität Brüssel, gegenüber der Deutschen Welle.
Die Idee ist simpel: Normalerweise wird Abwasser behandelt, von Nährstoffen befreit und dann gereinigt wieder in Gewässer, Flüsse und Seen entlassen.Bei der Wiederverwendung von Abwasser aber wird das Schmutzwasser so gründlich gereinigt, dass es direkt wieder genutzt werden kann.
Das geschieht bereits in verschiedenen Ländern, beispielsweise in den USA und Australien. Rund ein Drittel des aufbereiteten Abwassers wird für die landwirtschaftliche Bewässerung verwendet. Dem gegenüber stehen 20 Prozent, mit denen Landschaften bewässert werden, also beispielsweise Rasen und Golfplätze.
Insgesamt wird bisher nur sehr wenig Abwasser so gut aufbereitet, dass es wiederverwendet werden kann. Im Jahr 2011 wurden auf der ganzen Welt rund 7 km³ Abwasser erneut benutzt. Das macht nur etwa 0,6 Prozent der gesamten globalen Wassernutzung aus.
Ein gigantisches Potential, das ungenutzt bleibt. Denn die erneute Nutzung von Abwasser hat klare Vorteile: "Eine effiziente Nutzung von Abwasser reduziert die Menge an Grundwasser, die für die Landwirtschaft benutzt wird. Außerdem werden die Flüsse weniger verschmutzt, wenn weniger Abwasser wieder dorthin gelangt", sagt Eisenreich. "Es ist also ein Vorteil für die Wassermenge, als auch für die Qualität des Wassers."
Auch der Präsident des Weltwasserrats, Benedito Braga, sieht im "Recyceln und Wiederverwenden von Abwasser einen wichtigen Mechanismus zur Bewältigung der Wasserknappheit." Er denkt sogar noch einen Schritt weiter und verweist auf Namibia. Dort würde gereinigtes Abwasser sogar wieder als Trinkwasser genutzt.
Das würde aber nicht überall akzeptiert werden. Auch in Europa sind die Bedenken, Abwasser sei nicht reinlich genug, hoch. "Die Technologie, Abwasser in Trinkwasser zu verwandeln, ist da. Aber es gibt keinen Rückhalt dafür. Und es ist nicht absehbar, dass es diesen in Zukunft geben wird", sagt Eisenreich.
Alternative Wasserquelle
Anders sieht es in der Landwirtschaft aus. Gerade in Regionen, die unter Wasserknappheit leiden, kann Abwasser zu einer echten Alternative werden. Israel beispielsweise verfügt über sehr wenig Wasser. Gleichzeitig ist das Land führend darin, sein Abwasser wiederzuverwenden, denn 90 Prozent des Abwassers wird erneut genutzt. Damit leidet Israel zwar unter Wasserknappheit, hat gleichzeitig aber eine ausgereifte Praxis bei der Wasserwiederverwendung.
Wenn der sogenannte "Wasserstress-Index" bei über 20 Prozent liegt, bedeutet das, dass ein Land sich im Wasserstress befindet. Das betrifft auch Staaten in Europa, nicht nur im Süden. Belgien ist ein Beispiel für ein mitteleuropäisches Land im Wasserstress. Andere Staaten wie Bulgarien leiden auch unter Wasserknappheit, nutzen aber kaum die Ressource Abwasser.
Kostenintensiv und aufwendig
Abwasser wieder zu verwenden ist teuer, denn die Kläranlagen müssen modern und effizient sein. Das kann sich bisher nicht jedes Land leisten. Abwasser wird grundsätzlich in drei Schritten gereinigt. Erst nach der dritten, der tertiären, Behandlung ist das Abwasser frei von allen zusätzlichen Nährstoffen, die den Wasserkreislauf der Gewässer durcheinander bringen könnten.
Damit Abwasser aber ohne Umwege erneut benutzt werden kann, muss es noch gründlicher gereinigt werden. Etwa in 40 Prozent der Kläranlagen Europas wird das Abwasser in allen drei Phasen gereinigt. Diese hätten also auch die Voraussetzungen, um das Abwasser so gründlich zu reinigen, dass es direkt beispielsweise für die Bewässerung von Grünanlagen eingesetzt werden könnte. "Es ist aber deutlich zu erkennen, dass die Länder in Europa seit einiger Zeit sowohl mehr Schmutzwasser sammeln, als auch dieses in höherer Qualität behandeln", sagt Caroline Whalley, Projektmanagerin bei der Europäischen Umweltagentur.
Auf der Agenda
Tatsächlich ist die Behandlung von Abwasser seit einem Entwurf der Europäischen Kommission im Jahr 2012 zu einer Priorität innerhalb der Europäischen Union geworden. Seitdem haben viele europäische Staaten in Abwasser-Infrastruktur investiert. Mit Erfolg. In Griechenland wurde noch im Jahr 2005 gerade einmal 10 Prozent des Abwassers weitergehend behandelt, im Jahr 2015 waren es schon 89 Prozent, die tertiär behandelt wurden. Andere Staaten wie Rumänien müssen hingegen noch aufschließen.
Die meisten europäischen Länder, die unter Wasserknappheit leiden, haben Abwasser bereits als wertvolle Ressource erkannt. Malta beispielsweise verwendet rund 90 Prozent seines Abwassers erneut. Das Problem: Es gibt keine einheitlichen Standards. "Es gibt schon europäische Staaten, die Wasser wiederverwenden. Dabei richten sie sich nach Standards, die sie sich selbst überlegt haben", sagt Eisenreich. 2016 wurde aus diesem Grund eine Initiative mit minimalen Qualitätsanforderungen an Abwasser erarbeitet. Bindend sind die Vorschläge noch nicht.
Somit ist es auch weiterhin jedem europäischen Mitgliedsstaat selbst überlassen, wie weit es die Ressource Abwasser nutzen möchte. Dass Abwasser aber überhaupt als Ressource ins Bewusstsein gerückt ist, ist bereits ein Erfolg. Weltweit gesehen gelangt noch immer 80 Prozent des Abwassers ohne angemessene Aufbereitung zurück in die Umwelt. Eine gigantische Verschwendung - die sich die Länder angesichts eines wandelnden Klimas und größerer Wasserknappheit nicht mehr lange werden erlauben können.