Weltmeisterschaften oder Menschenrechte?
19. Februar 2013Wie ein glühender Pilz leuchtet die Minsk-Arena bei Nacht, strahlt die hochmoderne Allzweckhalle über all die Sowjetbauten der weißrussischen Hauptstadt. Das Aushängeschild der Stadt, Dynamo Minsk, spielt hier vor 15.000 Zuschauern – Eishockey wohlgemerkt, kein Fußball. Denn Eishockey ist Volkssport in Weißrussland, verordnet vom autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko. 2014 wird in der Minsk-Arena die Eishockey-WM eröffnet. Und schon am Mittwoch (20.02.2013) beginnt nebenan, im neuen Velodrom die Bahnrad-WM.
Und weil Politik und Sport in Weißrussland immer eins sind, sagt der Präsident des Eishockeyverbands, Evgeni Vorsin, der lange Sportminister des Landes war, auch Sätze wie diese: "Unser Land steht der ganzen Welt offen. Jeder, der zur WM kommt, wird einen eigenen Eindruck unseres Landes bekommen, eines friedlichen, demokratischen und freien Landes."
Wie frei genau, war kürzlich nach einem Eishockeymatch zu erkennen: Auf die Frage, welche politischen Auswirkungen die WM für Weißrussland haben könnte, kann der Spieler von Dynamo Minsk gar nicht antworten, weil der Pressesprecher direkt einschreitet und betont, man würde hier nicht über Politik reden. Dabei hängen Sport und Politik in Weißrussland unmittelbar zusammen.
Europas letzte Diktatur
Das Land wird oft als "Europas letzte Diktatur" bezeichnet. Demonstranten werden geschlagen, festgenommen, gefoltert. Seit 1994 herrscht Präsident Lukaschenko. Er spielt selbst einmal in der Woche Eishockey. Seit seiner Amtsübernahme gab es an die 400 Hinrichtungen. Schon alleine deshalb sollten internationale Sportgroßereignisse wie jetzt die Bahnrad-WM oder die Eishockey-WM 2014 weiter in der Diskussion bleiben.
Viola von Cramon, die sportpolitische Expertin der Grünen im Bundestag und deren Sprecherin für die EU-Außenbeziehungen, kritisiert die WM-Vergaben an Weißrussland scharf. Man wisse natürlich "wie repressiv Lukaschenko auch in seinem Land regiert, wie er die Opposition unterdrückt." Dieses Großereignis werde ausschließlich dazu genutzt, die Macht von Lukaschenko zu zementieren, zu stärken.
So sieht das auch das Regierungsmitglied Ronald Pofalla. Der Kanzleramtsminister wurde schon im März letzten Jahres vor dem Bundestag ungewohnt deutlich. "Ich wünsche mir", sagte Pofalla damals, "dass diese Eishockey-Weltmeisterschaft in ein anderes Land verlegt wird." Zu dieser Aussage lässt das Kanzleramt ausrichten, stehe er auch heute noch.
Verlegung ausgeschlossen
Eine Verlegung der WM sei allerdings ausgeschlossen, heißt es von Seiten des internationalen Eishockeyverbands. Der sitzt in einer Villa im Zentrum von Zürich. Präsident Rene Fasel will eigentlich gar keine Interviews mehr geben, ist die Diskussion leid. Fasel betont nur, dass Weißrussland ein Eishockey-Land sei und das Recht habe, eine WM zu organisieren. "Und es ist nicht die Aufgabe des Sports, irgendwie einen politischen Druck auszuüben auf irgendetwas, das normalerweise die Politiker lösen sollen."
Der Präsident des Welt-Radsportverbandes, Pat McQuaid, hat bisher gar nichts zur Kritik an der Bahn-WM gesagt. In Weißrussland aber ist jedes Sportgroßereignis politisch, die Bahnrad-WM, vor allem aber Eishockey. Für das Turnier im Mai 2014 wird am Stadtrand gerade eine weitere Halle gebaut, für knapp 10.000 Zuschauer. Obwohl es schon acht Eishockey-Hallen gibt, alleine in Minsk. 31 sind es in ganz Weißrussland.
Diskussionen fortsetzen
Menschenrechte gelten hier wenig. Die letzte legale Menschenrechtsorganisation in Weißrussland – von der EU unterstützt – ist das Helsinki Komitee. Deren Vorsitzender Garry Pogonyaylo, schon des Öfteren inhaftiert, stellt klar, dass der Staat, also Präsident Lukaschenko, das Komitee jederzeit verbieten könne. "Dieses Regime ist verantwortlich für extreme Menschenrechtsverletzungen, sperrt Politiker ein, verbietet Massendemonstrationen. Freiheit gibt es in Weißrussland so gut wie nicht. Sportereignisse wie die Eishockey-WM sollten hier deshalb nicht stattfinden. Die WM sollte in ein demokratisches Land verlegt werden."
Weißrussland steht also weiterhin am mehr oder weniger öffentlichen Pranger. Dass die Bahn-WM jetzt in Minsk stattfindet, hatte der Weltradsportverband übrigens mitten in der öffentlichen Aufregung um weißrussische Hinrichtungen bekannt gegeben. Und schon 2009 veranstaltete die UEFA hier ihre U19-Frauen-Europameisterschaft. Diskussionen gab es jeweils keine. Aber das sollte sich ändern, Sportgroßereignisse haben in einem Staat, in dem Klatschen auf der Straße verboten ist, weil das ja zu Aufruhr führen könnte, nichts zu suchen.