Weltmeister mit Schutzanzügen
25. Juli 2013Wir schreiben die frühen 1970er Jahre. Der sogenannte "Kalte Krieg" erreicht einen traurigen Höhepunkt nach dem anderen. Die Angst vor einem Atomkrieg ist ein ständiger Begleiter. Firmengründer Hasso von Blücher und sein Geschäftspartner haben eine Vision, wie sie helfen und gleichzeitig Geld verdienen können. In mühevoller Kleinarbeit entwickeln sie neuartige Schutzanzüge. Im Falle eines Atomangriffs soll damit der Bevölkerung die Flucht aus radioaktiv verseuchten Gebieten gelingen.
Das Bundesamt für Zivilschutz will ursprünglich die Schutzanzüge in großen Mengen kaufen, entscheidet dann aber anders und das Geschäft platzt – für die Jungunternehmer eine Katastrophe. "Wir standen kurzzeitig vor dem Nichts", erinnert sich der Firmengrüner im Gespräch mit der DW. "Unser Kapital war verbraucht und wir mussten uns etwas einfallen lassen." Dann sei man umgeschwenkt auf die Herstellung von Schutzanzügen für militärische Zwecke.
Entbehrungsreiche Jahre
Nach entbehrungsreichen Jahren gelingt dann doch noch der Durchbruch. Die Bundeswehr bestellt Schutzanzüge gegen atomare, biologische und chemische Bedrohungen. Nach und nach kommen andere Auftraggeber hinzu. Mittlerweile ist die Firma Blücher globaler Marktführer, mehr als zehn Millionen Schutzanzüge wurden bislang in alle Welt verkauft.
Die Schutzwirkung der Anzüge beruht auf einer speziellen Filtertechnik. Auch in anderen Geschäftsfeldern des Unternehmens kommt sie zum Einsatz. Filtersysteme von Blücher holen etwa aus Trinkwasser letzte Spuren von Verunreinigungen heraus.
Es wurde eine Technologie entwickelt, um in Flugzeugen die Verbrennungsgase zu filtrieren, die teilweise zu Ohnmachten bei Piloten geführt haben. Außerdem gibt es Verfahren, die bei der Rohstoffgewinnung eingesetzt werden - beispielsweise von Gold oder Silber. "Das sind alles Prozesse, die mit unserer Adsorbtions-Technik - einer bestimmten Filtertechnik - möglich sind", erläutert Hasso von Blücher.
Weltspitze im Nischenmarkt
Die Blücher GmbH mit Hauptsitz in Erkrath bei Düsseldorf besetzt mit ihrer Technologie eine extrem kleine Marktnische. Produziert wird in Brandenburg und in den USA. Weltweit arbeiten 190 Mitarbeiter für das Unternehmen. Konkurrenz gibt es kaum, denn Großunternehmen setzen in Sachen Filtertechnik meist auf herkömmliche Aktivkohle als Medium. Der Wirkungsgrad dieser Kohle reicht für die meisten Filtervorgänge aus, kann aber mit der Wirkung des speziellen Hochleistungs-Granulats der Firma Blücher nicht mithalten. Hersteller von herkömmlicher Aktivkohle denken dafür in ganz anderen Dimensionen.
"Die machen Massengeschäft", sagt von Blücher. Eine dieser größeren Firmen, mit der sein Unternehmen auch zusammenarbeite, liefere 20.000 Tonnen Filterstoffe pro Jahr. Bei Blücher lägen die Mengen im Bereich von lediglich einigen hundert Tonnen oder manchmal auch bei 1000 bis 2000 Tonnen pro Jahr. "Aber wir sind dafür zwanzig Mal so teuer."
Qualität und Zuverlässigkeit
Der Unternehmer Hasso von Blücher, Jahrgang 1941, umschreibt sein Erfolgsgeheimnis mit der Formel: Durch Qualität und Zuverlässigkeit Vertrauen schaffen. Dieses Leitmotiv spielte auch eine wichtige Rolle, als er mit dem US-Militär ins Geschäft kam - für nicht-amerikanische Unternehmen eigentlich fast unmöglich. Das ist bereits mehr als 20 Jahre her. Wie von Blücher erzählt, hatte es kurz vor seinem Gesprächstermin Fälle von Betrug und Korruption in der Branche gegeben.
Sein erstes Gespräch mit den Verantwortlichen des Marine-Corps habe in deren Behörde stattgefunden. Anschließend ging man zum Mittagessen in ein kleines mexikanisches Restaurant. "Nichts besonderes", wie von Blücher betont. Der Kellner legte am Ende der Mahlzeit dem Deutschen – wie selbstverständlich – die Rechnung auf den Tisch. Einer inneren Stimme folgend schob er die Rechnung aber zurück und sagte: Die Herren zahlen selbst. "Und das war die erste grandiose vertrauensbildende Maßnahme", erzählt der Unternehmer mit einem leichten Schmunzeln in der Stimme.
Amerikanisches Traditionsverständnis
Noch heute zählen die Amerikaner zu seinen besten Kunden. Auf ihre Initiative entstand auch der Zusatz im Firmenlogo: "Innovation since 1214" (Innovation seit 1214). Natürlich existiert das Unternehmen nicht seit 800 Jahren – wohl aber das alte Adelsgeschlecht, dem der Firmengründer entstammt.
"Das ist ein kleiner Gag, den unsere amerikanischen Partner vehement forderten. Ich war etwas zögerlich, weil ich es etwas zu albern fand", so Blücher. Aber die Amerikaner bestanden darauf. Der Effekt sei jedenfalls noch immer beeindruckend: "Leute, die uns neu kennenlernen, fragen immer danach."
Der Hintergrund ist, dass die Familie Blücher im Jahre 1214 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Nach dieser Erklärung wollen die Leute dann natürlich regelmäßig wissen, worin denn die Innovation in dieser langen Zeit bestehe. Auf diese Frage wartet der adelige Vollblutunternehmer nur. Er antwortetet dann mit schelmischem Grinsen im Gesicht: "Die Innovation besteht darin, dass jede Generation alleine, ohne jegliche fremde Hilfe entdeckt hat, wie man sich fortpflanzt."