1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

WHO: Nicht zu tolerierende Barbarei

5. April 2017

Was bei dem Luftangriff auf die Stadt Chan Scheichun in Syrien genau geschah, ist noch ungeklärt. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass Nervengift freigesetzt wurde.

https://p.dw.com/p/2ak5s
Helfer versorgen Opfer des mutmaßlichen Giftgasangriffs in Chan Scheichu
Helfer versorgen Opfer des mutmaßlichen Giftgasangriffs in Chan ScheichunBild: picture-alliance/ZUMA Wire/Syria Civil Defence

Die Opfer des Luftangriffs vom Dienstag auf die syrische Rebellen-Stadt Chan Scheichun weisen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Symptome der Einwirkung von Chemiewaffen auf. Das augenscheinliche Fehlen äußerer Verletzungen und andere Anzeichen deuteten auf "phosphororganische Chemikalien" hin, zu denen auch die sogenannten Nervenkampfstoffe gehörten, teilte die WHO in Genf mit.

"Diese Form von Waffen ist durch internationales Recht verboten, weil sie eine untolerierbare Barbarei darstellt", betonte der Leiter des WHO-Nothilfeprogramms, Peter Salama.

Mehr als 70 Todesopfer

Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London stieg die Zahl der Todesopfer des Angriffs inzwischen auf mindestens 72. Unter den Toten sind demnach 20 Kinder und 17 Frauen. Bislang war von 58 Toten die Rede gewesen. Von den mehr als 160 Verletzten werde viele in der Türkei medizinisch behandelt.

Eine bei dem Angriff verletzte Frau wird in einem Krankenhaus in der Türkei versorgt
Eine bei dem Angriff verletzte Frau wird in einem Krankenhaus in der Türkei versorgt Bild: picture-alliance/abaca/E. Turkoglu

Aufständische machten die syrische Armee für den Angriff verantwortlich. Auch Russland stellt eine Beteiligung der Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad an der Attacke nicht mehr in Abrede. Nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums traf der Angriff syrischer Kampfjets eine Werkstatt, in der die Opposition Giftgasmunition herstellt.

Das gehe aus Aufnahmen der russischen Luftraumbeobachtung hervor. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, Russland werde Assad und die Regierungstruppen im Kampf gegen die Rebellen weiter unterstützen.

Opposition: Moskau lügt

Die syrische Opposition nannte die russische Darstellung, Rebellen hätten in Chan Scheichun Giftgas hergestellt, eine "Lüge". Der Vize-Chef des Oppositionsbündnisses Syrische Nationale Koalition, Abd al-Hakim Baschar sprach in Istanbul von einem "Massaker" in der Stadt in der Provinz Idlib und forderte, Assad vor ein internationales Strafgericht zu stellen.

Gabriel zurückhaltend

Nach Auffassung von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ist es noch nicht erwiesen, dass syrische Regierungstruppen Chan Scheichun mit Giftgas angegriffen haben. "Noch wissen wir nicht, wer letztlich für den Giftgasangriff verantwortlich ist", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. "Wir müssen jetzt in die Aufklärungsarbeit gehen."

Eine Mitteilung aus dem Auswärtigen Amt hatte zuvor den Eindruck erweckt, dass Gabriel der syrischen Regierung die Schuld für die Giftgas-Toten gibt. In der Erklärung hieß es: "Der Giftgasangriff in Syrien ist ein barbarisches Kriegsverbrechen. Die Verantwortlichen des Assad-Regimes für diese Barbarei müssen zur Verantwortung gezogen werden."

UN-Sicherheitsrat trifft keine Entscheidung 

Gasangriff in Syrien

In New York konnte sich der UN-Sicherheitsrat zu keiner Entscheidung durchringen. Die USA, Frankreich und Großbritannien hatten einen Resolutionsentwurf vorgelegt, in dem der mutmaßliche Giftgasangriff verurteilt und eine rasche Aufklärung gefordert werden. In der Debatte machten sich die UN-Botschafter gegenseitig wiederholt Vorwürfe, auf die Lage in dem Bürgerkriegsland keine passende
Antwort zu finden. Die USA drohten mit einseitigen Schritten in Syrien. "Wenn die Vereinten Nationen fortlaufend ihre Pflicht zum kollektiven Handeln verletzen, dann sind wir gezwungen, unsere eigenen Maßnahmen zu ergreifen", sagte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley. Zuvor hatte Russland sein Nein zu der eingebrachten Resolution deutlich gemacht.

wl/se (dpa, afp, rtr)