Weiteres Todesopfer bei Protesten in Ecuador
22. Juni 2022Der Demonstrant in Puyo, der Hauptstadt der Provinz Pastaza im Amazonasgebiet, ist "offenbar von einer Tränengasbombe ins Gesicht getroffen" worden, wie Anwältin Lina María Espinosa von der Allianz der Menschenrechtsorganisationen mitteilte. In der Nacht von Montag auf Dienstag war bereits ein Mann ums Leben gekommen, als er während der Demonstrationen in eine Schlucht gestürzt war. Die Proteste in Ecuador dauern bereits seit neun Tagen an.
Am Dienstag gab es insbesondere in der Hauptstadt Quito heftige Ausschreitungen. Die Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Menge vor. Die Demokratie sei in Gefahr, heißt es in einer Stellungnahme des Verteidigungsministeriums, aus der die Zeitung "El Universo" zitiert. Die Armee werde keinen verfassungsrechtlichen Bruch der Ordnung zulassen.
"Es geht um das wirtschaftliche Überleben"
Aus Sicht des Indigenen-Dachverbandes CONAIE und der indigenen Partei Pachakutik geht es bei den Protesten um das wirtschaftliche Überleben der Landbevölkerung. Seit Monaten steigen die Sprit- und Lebensmittelpreise sehr stark. Die indigenen Kleinbauern können sie kaum noch bezahlen.
Die Interessenvertretung der Indigenen fordert neben einer Reaktion auf die hohen Spritpreise auch eine Zahlungspause für Kredite der Kleinbauern an die Banken, eine Preiskontrolle für Agrarprodukte, mehr Arbeitsplätze, die Aussetzung von Bergbaukonzessionen in indigenen Gebieten sowie mehr Investitionen in Gesundheit, Bildung und Sicherheit.
Regierung zu Verhandlungen bereit
Der konservative Präsident Guillermo Lasso rief wegen der anhaltenden Unruhen den Ausnahmezustand für mehrere Provinzen aus. Am Dienstag erklärte er auf Twitter, die Regierung sei zu einem "offenen und respektvollen Dialog mit dem CONAIE-Verband und anderen zivilen Organisationen" bereit.
CONAIE-Chef Leonidas Iza verlangte vor entsprechenden Gesprächen ein Ende der "repressiven Maßnahmen" sowie die Aufhebung des Ausnahmezustands und den Abzug der Soldaten aus einem Park in Quito, in dem sich die Indigenen gewöhnlich sammeln.
Die Allianz der Menschenrechtsorganisationen meldet seit Beginn der Proteste in Ecuador neben den zwei Todesopfern mindestens 90 verletzte Zivilisten und 87 Festnahmen. Die Behörden sprechen von 101 verletzten Sicherheitskräften.
Das erdölproduzierende südamerikanische Land leidet unter starker Inflation, Arbeitslosigkeit und Armut. Die Probleme wurden durch die Corona-Pandemie noch verschärft.
se/fab (afp, kna, ap, rtr)