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Wegen Impfstoff-Engpass: Herstellern das Patentrecht nehmen?

28. Januar 2021

Das Impfwirrwarr in der Europäischen Union und in Deutschland wird immer größer. Deutsche Politiker wollen jetzt mehr Firmen an der Herstellung beteiligen.

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Deutschland Berlin | Jens Spahn mit Maske
Bild: Fabrizio Bensch/AP/picture alliance

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (Titelbild) von der CDU hat auch an diesem Donnerstag keine wirklich guten Nachrichten zum Thema Impfen zu vermelden: "Wir gehen bei der Knappheit des Impfstoffes noch durch mindestens zehn harte Wochen", twitterte Spahn.

Der schleppende Impfstart, das ist dem Minister klar, schadet der Glaubwürdigkeit der Regierung in der Pandemie-Bekämpfung immens. Deshalb will Spahn für kommende Woche zu einem nationalen Impfgipfel einladen, an dem die Regierung, Vertreter der Länder und der Wirtschaft teilnehmen sollen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist dafür. Ihr Sprecher Steffen Seibert sagte: "Die Planungen dafür laufen und werden mit den Ländern abgestimmt." Dabei wird es dann auch um mögliche drastische Schritte gehen. Kann man den wenigen Herstellern etwa ihr Patentrecht entziehen, wenn auch nur für kurze Zeit?

Söder: "EU hat zu spät und zu wenig bestellt" 

Das ist eine Idee, die etwa der parlamentarischen Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Carsten Schneider, ins Spiel gebracht hat. So könnte den bereits zugelassenen Impfstoffen der Hersteller BioNTech/Pfizer und Moderna für eine gewisse Zeit das alleinige Patentrecht genommen werden, damit ihr Impfstoff auch in anderen Firmen hergestellt werden kann.

Infografik Impfstoff-Bestellungen der EU DE

Ähnlich äußerte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in der TV-Sendung "Markus Lanz" am Mittwoch. Ganz offensichtlich hätten die Staaten der Europäischen Union spät und zu wenig Impfstoffe bestellt, jetzt müssten "andere Kapazitäten" genutzt werden.

Giegold: "Brauchen dringend die Kapazitäten anderer Hersteller!"

Grundsätzlich findet das auch Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, überlegenswert. Er sagte am Donnerstag: "Eine langsame Lieferung des Impfstoffs ist vorprogrammiert, wenn der Entwickler das Vakzin allein produziert. Wir müssen dringend auch die Kapazitäten anderer Hersteller nutzen. Für die Entwickler ist es unwirtschaftlich, die Produktionskapazitäten stark auszubauen, weil diese nach der Krise überflüssig werden könnten." Allerdings, das gibt auch Giegold zu bedenken, investieren solche Hersteller oft über Jahre hohe Summen in die Impfstoff-Entwicklung. Würde ihnen das Patent genommen würde, könnten in Zukunft, so Experten, immer weniger Firmen in solche Entwicklungen investieren.

Carsten Schneider Erster Parlamentarischer Geschäftsführer SPD Bundestagsfraktion
Will über Änderungen beim Patentrecht reden: Carsten Schneider von der SPDBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Aber auch Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) will die Idee beim Impfgipfel zum Thema machen: Dort müsse mit der Wirtschaft darüber gesprochen werden, wie die Ressourcen und Kompetenzen in Deutschland besser genutzt werden könnten, so Woidke in einem Brief an den derzeitigen Vorsitzenden der Ministerpräsidentenrunde, Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD): "Ist es beispielsweise möglich, innerdeutsche Produktionsstandorte um- oder auszubauen, um bei der Herstellung von Impfstoffen zu helfen? Es wäre aus meiner Sicht auch ein wichtiges Signal an die Bevölkerung, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen." 

Die Zentren sind da, aber der Impfstoff fehlt

Die Sorgen sind berechtigt: Die rund 440 Impfzentren in Deutschland sind längst aufgebaut, mobile Teams impfen vor allem ältere Menschen und Pfleger in den Altenheimen. Was oft fehlt, ist der Impfstoff. Verärgerten Bürgern, die sich um Impftermine bemühen, werden immer wieder Verschiebungen oder Absagen längst zugeteilter Impftermine mitgeteilt. Fast 1,7 Millionen Menschen in Deutschland haben die erste von zwei nötigen Dosen bereits erhalten. Aber es könnten sehr viel mehr sein, wie die Bilder von leeren Impfzentren nahelegen.

Deutschland Riesa | Coronavirus, Impfzentrum
Rund 1,7 Millionen Menschen sind mit der ersten Dosis geimpft, es könnten mehr seinBild: Maja Hitij/Getty Images

Regierung verliert Zustimmung

Tatsächlich zeigen aktuelle Umfragen, dass die Menschen in Deutschland immer weniger wissen, welchen Kurs die Regierung bei der Pandemie-Bekämpfung einschlägt. So fand das Allensbach-Institut für Meinungsforschung im Auftrag der Frankfurter Allgemeine Zeitung heraus, dass nur noch 49 Prozent der Bürger mit dem Vorgehen in der Pandemie zufrieden sind, 42 Prozent aber nicht. Dabei hatte die Regierung lange hohe Zustimmungswerte eingefahren, wenn die Menschen danach gefragt wurden. Die Bundesregierung hat nun auch angekündigt, mit Russland bei der Herstellung von Impfstoffen zusammenzuarbeiten, trotz aller gegenwärtigen heftigen politischen Differenzen. Russland will seinen Impfstoff Sputnik V bald der EU zur Genehmigung vorlegen.

Spahn zieht Corona-Bilanz