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Wasserknappheit in der Türkei

Senada Sokollu, Istanbul 26. Februar 2014

In der Türkei wird die Wasserversorgung schwierig. Es herrscht die schlimmste Dürre seit zehn Jahren. Zu den Gründen wird nicht nur der Klimawandel gerechnet: Experten kritisieren das Wassermanagement der Politik.

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Trockene Landschaft in der Türkei (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/K. Okten

In Istanbuls Schwimmbädern sind die Becken nur noch zur Hälfte gefüllt - oder überhaupt nicht. Der Türkei steht ein besonders wasserarmer Sommer bevor. Mehr als zwei Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen die rund 14 Millionen Einwohner der Metropole am Bosporus täglich. Zehn Dämme versorgen die Stadt - doch nach Angaben der Istanbuler Wasser- und Kanalisationsverwaltung (ISKI) sind diese momentan nur zu 29,8 Prozent ihres Fassungsvermögens gefüllt. Besonders der Westen der Türkei und Zentralanatolien sind von Wasserknappheit betroffen. Dennoch erklärte Umwelt- und Waldminister Veysel Eroglu in der Zeitung Hürriyet: "Es wird keinen Wassermangel geben. Wir werden Wasser zur Verfügung stellen. Macht euch keine Sorgen." Der Istanbuler Oberbürgermeister Kadir Topbas ließ dagegen über seinen Twitter-Account verlauten, dass Istanbul unter einer Dürre leide. Auch Landwirtschaftsminister Mehdi Eker warnte vergangenen Monat vor einer Trockenzeit.

Problematische Urbanisierung

"So kurz vor den Kommunalwahlen will kaum ein Politiker die Probleme beim Namen nennen. Doch es ist bekannt, dass Istanbul mit den derzeit vefügbaren Wassermengen höchstens noch vier Monate auskommen kann", sagt Ümit Sahin, ehemaliger Co-Vorsitzender der türkischen Grünen-Partei. Der Niederschlag in diesem Winter habe lediglich ein Drittel der sonst vorkommenden Menge betragen.

Der türkische Grünen-Politiker Ümit Sahin (Foto: Sokollu/DW)
Sahin: Wasserpolitik nicht nachhaltigBild: DW/S.Sokollu

Neben dem Klimawandel sei die schlecht geplante Urbanisierung ein weiterer Grund für die Wasserknappheit: "Istanbul verbraucht für die Besiedlung alle natürlichen Flächen, wie Wälder, Nassflächen und die Böden, an denen die Wasserressourcen liegen", so Sahin im DW-Gespräch. In den letzten 20 Jahren habe die Istanbuler Stadtgemeinde zwar angefangen, Dämme und neue Wasserkanäle zu bauen. "Doch die Bevölkerungszahl stieg noch weiter an und man entschied sich, Wasser von außerhalb in die Stadt zu transportieren." Beispielsweise von den Istranca-Bergen bei Bulgarien oder dem Fluss Melen, der über 180 Kilometer entfernt von Istanbul liegt. "Damit wurde die Wasserpolitik noch weniger nachhaltig, weil das Wasser anderen Menschen und Lebewesen anderer Ökosysteme weggenommen wurde. Die Politiker sehen dieses Problem als ein technologisches Problem an, nicht als ein ökologisches", kritisiert Sahin.

Zum Schutz des ökologischen Systems Istanbuls sei es außerdem erforderlich, dass der Norden nicht berührt werde. "In der theoretischen Stadtplanung ist das Prinzip gegeben, nur den Osten und Westen der Stadt zu bebauen und nicht in den Norden zu gehen. Denn der Norden Istanbuls ist bewaldet und beherbergt Flüsse, Seen und alle natürlichen Ressourcen der Stadt", so Sahin. Doch Megaprojekte - wie der dritte Flughafen und die dritte Brücke - würden das Ökosystem zerstören.

Wasser und Klimawandel

Die mediterrane Region und der Nahe und Mittlere Osten werde der Klimawandel besonders hart treffen, so Sahins Prognose. "Eines der brisantesten außenpolitischen Themen der Türkei betrifft Flüsse wie den Euphrat und den Tigris, die von der Türkei aus durch Syrien und den Irak fließen. Diese Flüsse stellen ein großes diplomatisches Problem für die Türkei dar", so Sahin. Sollte die Trockenheit in den nächsten Jahren zunehmen, dann werde die Türkei den Nachbarländern immer mehr Wasser vorenthalten, was zu zusätzlichen Spannungen führen werde.

Die türkische Umweltwissenschaftlerin Prof. Dr. Nilsun H. Ince (Foto: Sokollu/DW)
Ince: Bürger sollten Wasser recycelnBild: DW/S.Sokollu

Die Umweltwissenschaftlerin Nilsun Ince von der Bogazici Universität in Istanbul will keiner bestimmten Regierung die Schuld in die Schuhe schieben. "Falsches Management und die daraus resultierende Wasserknappheit war schon immer ein Problem dieser Stadt", so Ince im DW-Gespräch. Richtiges Management beginne mit der Kontrolle der Bevölkerungszahl und der Kontrolle der Nachfrage nach Wasser. "Die Marmara-Region und vor allem Istanbul haben nur eine begrenzte Anzahl an Wasserbecken - im Vergleich zum Osten und zum Süden der Türkei." Daher hätte auch die Landwirtschaft, die das meiste Wasser verbrauche, in wasserreicheren Regionen des Ostens und Südens konzentriert werden sollen. "Außerdem", meint Ince, "sollte es auch keine Industrie in Istanbul und der Marmara-Region geben, damit das verfügbare Wasser den Haushalten vorbehalten bleibt."

Ein weiterer Kritikpunkt: "Wir recyceln unser Wasser nicht nur deshalb nicht, weil es keine Regelungen dazu gibt, sondern auch, weil die Menschen nicht wissen, wie das geht", so die Wissenschaftlerin. "Daher müssen von staatlicher Seite Schulungen angeboten werden."

Haushalte müssen Wasser sparen

Die türkische Greenpeace-Aktivistin Pinar Aksogan erinnert sich, dass es im Sommer 2007 jede Woche mindestens zwei Mal zu Wasserkürzungen kam - obwohl damals die Wassermenge der Dämme in Istanbul noch bei rund 55 Prozent ihres Fassungsvermögens lag, also fast doppelt so hoch wie heute. "Manchmal gab es für zwölf Stunden kein Wasser. Wir konnten nicht einmal duschen. Wir wurden öffentlich dazu aufgerufen, die Stadt zu verlassen und den Sommer in unseren Sommerhäusern zu verbringen", erzählt Aksogan im DW-Gespräch. Die Politik habe die Pflicht - gerade im Hinblick auf die aktuelle Dürre - etwas zu unternehmen. "Doch wir haben noch von keinem Notfallplan gehört und die Brisanz des Themas ist auch im politischen Alltag nicht zu erkennen."

Die türkische Greenpeace-Aktivistin Pinar Aksogan (Foto: Sokollu/DW)
Aksogan: Politik hat die Pflicht, zu handelnBild: DW/S.Sokollu

Die Türkei brauche mehr Wassereffizienz-Systeme in Haushalten und in der Industrie, so Aksogan. Es müsse verstärkt auf erneuerbare Energien umgestiegen werden und auch für die Haushalte brauche man Maßnahmen, um Wasser zu sparen, so die Greenpeace-Aktivistin. "Wir nutzen unsere Dächer so gut wie gar nicht. Man könnte sie zum Auffangen von Regenwasser verwenden oder Solarzellenen anbringen." Dadurch könne viel Wasser und Energie gespart werden.