Iran-Sanktionen: Sechs Fragen und Antworten
3. November 2018Welche Sanktionen gegen den Iran treten in Kraft?
Ab dem 5. November zielen die US-Zwangsmaßnahmen auf das wirtschaftliche Herz der Islamischen Republik Iran: den Energieexport. Verboten sind dann sämtliche Ölgeschäfte mit iranischen Ölgesellschaften. Auch Versicherungen aller Art sind dann verboten - auch die von Öltransporten. Zudem werden die bereits bestehenden Finanzsanktionen weiter angezogen: Jegliche Transaktionen mit der iranischen Zentralbank, aber auch mit anderen iranischen Banken sind dann untersagt. US-Präsident Donald Trump hat die Sanktionen als "die härtesten Sanktionen aller Zeiten" bezeichnet. Der Ölexport des Iran soll nach dem Willen der US-Regierung auf Null gedrückt werden. Selbst wenn das nicht gelingen sollte, jede Einschränkung des Ölexports wäre schmerzlich: Rund 80 Prozent der staatlichen Einnahmen des Iran stammen aus dem Ölverkauf. Da wiederum rund 60 % des iranischen Haushalts in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist das Land extrem abhängig von den Einnahmen aus dem Ölexport.
Welche Sanktionen sind bereits in Kraft?
Nach dem einseitigen Austritt der USA aus dem Joint Comprehensive Plan of Action, kurz JCPOA, genannten Atomabkommen am 8. Mai hatten die USA den Partnern des Iran zwei Fristen gesetzt, um ihre Geschäfte herunterzufahren: Die erste Frist von 60 Tagen endete am 6. August. Danach war dem Iran der Zugang zum US-Dollar versperrt. Auch wurden Schlüsselindustrien wie die iranische Automobil oder die Teppichindustrie unter Sanktionen gestellt. Auch der Verkauf von Verkehrsflugzeugen oder auch Flugzeugteilen - bereits zuvor erheblich behindert - wurde gänzlich verboten. Die zweite Frist von 120 Tagen läuft am 5. November aus.
Was ist das Ziel der Sanktionen?
Laut US-Regierung soll "maximaler Druck" den Iran zur Veränderung seines Verhaltens zwingen. Außenminister Mike Pompeo hat in einer Rede am 21. Mai eine Liste mit zwölf Forderungen vorgelegt, die aus US-Sicht erfüllt werden müssten, um den Strafmaßnahmen zu entgehen. Iran soll unter anderem sein Raketenprogramm aufgeben, die "Unterstützung terroristischer Gruppen im Mittleren Osten beenden, inklusive der libanesischen Hosbollah, der Hamas und dem Palästinensischen Islamischen Dschihad". Das Land soll ferner sämtliche Truppen unter seinem Kommando aus Syrien abziehen und auch die schiitischen Milizen im Irak demobilisieren. Der Sturz der iranischen Regierung ist offiziell nicht Ziel der Sanktionen. Aber Äußerungen des nationalen Sicherheitsberaters John Bolton oder auch des Trump Anwalts und ehemaligen Bürgermeisters von New York, Rudolph Giuliani, legen nahe, dass die Destabilisierung des Iran und ein Regimewechsel in Teheran durchaus erwünscht wären.
Wie reagieren die anderen Partner des Atomabkommens?
Sowohl die europäischen Vertragspartner zum JCPOA – Deutschland, Frankreich und England – als auch China und Russland haben den Ausstieg der USA verurteilt. Sie wollen an dem mehr als zwölf Jahre verhandelten Atomabkommen festhalten. Das Ziel des Abkommens werde erreicht: Nämlich die Gefahr einer iranischen Nuklearrüstung zu bannen – und damit eines atomaren Rüstungswettlaufs in der Region. Irans Verhalten in der Region sei nie Teil des Abkommens gewesen. Auch der Iran selbst will in dem Abkommen bleiben. Aber nur, wenn er weiter von den versprochenen Vorteilen des Abkommens profitieren kann. Dazu gehört in erster Linie der wirtschaftliche Austausch des vor Abschluss der Atomabkommens 2015 von umfassenden Sanktionen geschwächten Landes.
Die Internationale Atomenergiebehörde hat fortlaufend Irans Einhaltung aller Vorschriften des JCPOA bestätigt. Damit das so bleibt, versuchen die Vertragspartner weiterhin - unter Umgehung der US-Sanktionen - mit dem Iran im Geschäft zu bleiben.
Kann sich die EU gegen die einseitigen US-Sanktionen wehren?
Die USA nutzen ihre führende Rolle auf den Finanzmärkten und die im Vergleich zum iranischen Markt überwältigende Attraktivität des US-Marktes als Hebel für die Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Entsprechend schwierig sind Maßnahmen, die sich gegen die de-facto Regulierung europäischer und internationaler Unternehmen durch Washington richten. Ende September hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Rande der UN-Vollversammlung die Schaffung einer speziellen Institution zur Abwicklung von Iran-Geschäften angekündigt, eines sogenannten "Special Purpose Vehicles", kurz "SPV". Das SPV soll wie eine Art Tauschbörse funktionieren. Forderungen von iranischen und europäischen Firmen sollen innerhalb dieser Clearingstelle gegeneinander verrechnet werden. Etwa: Öllieferungen gegen Textilmaschinen. An den internationalen Finanzmärkten wären keine Geldströme mehr sichtbar. Dieses SVP soll nicht nur EU-Staaten, sondern auch anderen offen stehen.
Allerdings ist das SVP bislang nicht einsatzbereit. Es ist noch nicht einmal klar, wo die Institution angesiedelt werden soll. Während sonst bei der Ansiedlung von EU-Behörden eine Fülle von Bewerbungen üblich sind, halten sich die europäischen Staaten beim SPV deutlich zurück. Wohl aus Sorge, den Zorn Washingtons auf sich zu ziehen. Auf Mogherinis Ankündigung hatte US-Außenminister Mike Pompeo höchst verärgert reagiert. Er sei "verwundert und tief enttäuscht", erklärte Pompeo Ende September in New York. Das SPV sei "eine der kontraproduktivsten Maßnahmen für regionale und globale Sicherheit, die man sich vorstellen könne." Donald Trumps Sicherheitsberater John Bolton fügte drohend hinzu, die USA würden "nicht erlauben, dass unsere Sanktionen von den Europäern oder irgendjemand sonst umgangen werden".
Was haben die Sanktionen bislang bewirkt?
Die iranische Währung Rial ist im freien Fall und hat in diesem Jahr bereits über 70 % ihres Wertes eingebüßt, die Inflation galoppiert. Schon jetzt sind die iranischen Energieexporte um etwa ein Drittel gegenüber ihrem Höchststand im Juni zurückgegangen. Die derzeit gestiegenen Energiepreise, schmerzlich spürbar etwa an den Tankstellen, haben auch mit dem durch die Sanktionen verknappten Angebot zu tun. Nach einem kurzen Frühling internationaler Investitionen im Iran hat ein Exodus ausländischer Unternehmen eingesetzt. Auch viele europäische Unternehmen haben das Land verlassen, aus Furcht vor Verlust des für sie sehr viel bedeutsameren US-Marktes. Der französische Energiekonzern Total hat am 20. August seinen Ausstieg aus einem Milliarden schweren Gasprojekt bekannt gegeben. Der deutsche Automobilhersteller Daimler hat sich ebenso aus dem Iran zurückgezogen wie der französische Autobauer PSA oder Airbus. Der deutsch-iranische Handel, nach dem Abschluss des Atomabkommens und den damit verbundenen Sanktionserleichterungen 2017 auf 3,3 Milliarden Euro angewachsen, ist nach dem Ausstieg der USA allein im Mai und Juni um 20 Prozent eingebrochen. Aus Furcht vor US-Strafmaßnahmen sind europäische Banken extrem zurückhaltend bei der Abwicklung von Zahlungen im Iran-Geschäft. Der Geldtransfer ist schon jetzt weitgehend zum Erliegen gekommen – mit großen Problemen für kleine und mittlere Unternehmen in Europa, die gerne ihr Iran-Geschäft fortsetzen würden und mangels US-Geschäft keine amerikanischen Sanktionen fürchten müssen.
Importe aller Art in den Iran sind extrem erschwert. Auch lebenswichtige Medikamente sind knapp geworden und nur zu massiv erhöhten Preisen erhältlich. Der Iran hat allerdings jahrelange Erfahrung im Umgang mit Sanktionen und hat die Umstellung auf eine "Wirtschaft des Widerstandes" angekündigt. Politisch stärkt das Sanktionsregime die ultrakonservativen Kräfte im Iran, die ohnehin einer Annäherung an den Westen kritisch gegenüberstanden.
Der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen und die einseitig verhängten Zwangsmaßnahmen haben zudem den Graben zwischen Europa und den USA vertieft. In einer zentralen internationalen Frage stehen die Europäer jetzt gemeinsam mit China und Russland gegen Washington.