Von vielen Experten und Forschern wird die Taliban-Bewegung schon länger als "narco-terroristische" Organisation eingestuft. Ihr Erstarken wird den globalen Rauschgiftmarkt und seine Akteure, zu denen auch die mexikanischen Drogenkartelle gehören, zu einer Neuausrichtung zwingen.
Drogen bringen Geld und Macht
Auch wenn Mexiko und Afghanistan auf der Weltkarte weit auseinander liegen und große historische, soziologische und religiöse Unterschiede zwischen beiden Ländern bestehen, so haben die beiden Organisationen gewisse Dinge gemein: Beide hängen finanziell vom Drogenhandel ab und beide weiten gewaltsam ihre Territorien und ihre politische Macht aus. Vor den Wahlen in Mexiko im Juni haben die Kartelle unliebsame Kandidaten bedroht und ermordet, Wahlkampagnen finanziert und Stimmen für ihre Kandidaten erkauft - und zwar so unverhohlen wir nie zuvor.
Bereits im Oktober 2009 legten renommierte Experten und Analysten dem US-Kongress in einer Anhörung die globale Gefahr dar, die von den Taliban und den mexikanischen Kartellen als "transnationale Drogenhandelsunternehmen" ausgeht und wiesen auf die gefährlichen Gemeinsamkeiten hin, die seither noch zugenommen haben.
Regierungen an Drogenhandel beteiligt
Mexiko, Afghanistan und Myanmar vereinen 95 Prozent der weltweiten Schlafmohnproduktion, mit allem, was dazu gehört: die illegale Produktion von Heroin und anderen Opioiden sowie der Handel damit. In Mexiko sind die Drogenkartelle, unterstützt von Regierungsbeamten, dafür verantwortlich.
In Afghanistan sind es laut US- und UN-Dokumenten Gruppen, die direkt mit den Taliban in Verbindung stehen. Und auch sie haben ihr Geschäft in Komplizenschaft mit der Regierung - auch der US-gestützten - ausgeübt. Die Experten der erwähnten Kongress-Anhörung, schätzten dass 50 Prozent des afghanischen Bruttoinlandsprodukts 2009 aus den Erlösen des illegalen Drogenhandels stammten.
Produktion schürt Konsum in Afghanistan
Die öffentliche Position der Taliban zur Schlafmohnproduktion war immer zwiespältig: Der Konsum von Opiumprodukte ist verboten, Herstellung und Verkauf aber nicht.
Laut einem Bericht des US-Außenministeriums von Anfang 2021 fand der Großteil der Opiumproduktion in Afghanistan in Gebieten statt, die unter der Kontrolle oder zumindest dem Einfluss der Taliban standen. Demnach beziehen die Taliban beträchtliche Einnahmen aus dem Drogengeschäft. Dies schüre nicht nur Konflikte, sondern unterminiere auch den Rechtsstaat, fördere Korruption und trage auch zum Drogenkonsum in Afghanistan bei.
Auch ein UN-Bericht vom April 2021 sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Taliban und der afghanischen Schlafmohnproduktion. Die Anbaufläche sei von 2019 auf 2020 von 163.000 auf 224.000 Hektar angestiegen, obwohl 2019 mindestens 21 Hektar zerstört wurden.
Eine gefährliche Nähe
In Mexiko hat das internationale Rauschgift-Business eine ganze Reihe Kartelle hervorgebracht und groß gemacht. Die am stärksten wachsende Organisation aber ist das Sinaloa-Kartell, das außerdem die ertragreichsten Anbauflächen für Schlafmohn des Landes kontrolliert. Das machte es eigentlich zu einem Konkurrenten der Taliban. Nur, dass die beiden Organisationen unterschiedliche Märkte bedienen, die sich sogar ergänzen könnten.
Nach aktueller Einschätzung der Anti-Drogenbehörde der USA (DEA) ist das Sinaloa-Kartell im US-Heroinmarkt praktisch Monopolist. Laut Pentagon waren die Mexikaner zudem in 60 Prozent aller Länder weltweit vertreten - neben Westafrika und Europaauch in Indien, China und Russland, also Ländern, in denen Drogen aus Afghanistan verkauft werden. Allerdings bedient das Sinaloa-Kartell hier vor allem die Nachfrage nach Kokain aus Südamerika und synthetischen Drogen. Es wäre nicht das erste Mal, wenn sich Gruppen, die eigentlich im Wettbewerb miteinander stehen, zusammenschließen würden, um ihre wirtschaftlichen Gewinne und ihren politischen Einfluss zu steigern. Und je mehr Geld sie erwirtschaften, umso größer wird ihr politischer Einfluss.
Aus dem Spanischen adaptiert von Jan D. Walter.
Die Journalistin und Buchautorin Anabel Hernández berichtet seit vielen Jahren über Drogenkartelle und Korruption in Mexiko. Nach massiven Morddrohungen musste sie Mexiko verlassen und lebt seitdem in Europa. Für ihren Einsatz erhielt sie beim Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn den DW Freedom of Speech Award 2019.