Was steckt hinter "Plan A2"?
25. Januar 2016Es hakt an allen Ecken und Enden. Angela Merkels Plan, die Flüchtlingszahl zu verringern, kennt viele Stellschrauben. Auf internationaler Ebene sollen unter anderem die Syrien-Gespräche, ein Abkommen mit der Türkei und bilaterale Gespräche mit nordafrikanischen Ländern die Fluchtursachen bekämpfen. Das ist mühsam und braucht Zeit. Dann Europa: Merkel will die Außengrenzen sichern, dort Hot-Spots einrichten und mit den EU-Partner einen Verteilungsschlüssel vereinbaren. So soll ein nachhaltiges und dauerhaftes Verfahren auf den Weg gebracht werden. Doch es gibt massive Widerstände bei den EU-Partnern. Immerhin: In Deutschland konnte Merkel eine Korrektur der Asylgesetze durchsetzen und die Registrierung vereinheitlichen. Seit einigen Wochen aber stockt es auch auf nationaler Ebene; ein zweites Asylpaket hängt seit Mitte November im Bundestag fest.
Die Flüchtlinge aber kommen weiterhin über die bayerisch-österreichische Grenze ins Land. Derzeit rund 2.000 täglich. Der Druck auf die CSU, neben der SPD der dritte Koalitionspartner in der Bundesregierung, wächst und wächst. Die Politiker bekommen vor Ort den Unmut der Bevölkerung mit. Deshalb kommt aus Bayern seit Wochen der Ruf nach weiteren nationalen Maßnahmen als Ergänzung zu Merkels Bemühungen - siehe oben. Am liebsten wäre der CSU eine Obergrenze, wie sie Österreich plant. Doch Merkel bleibt derzeit stur und hält an einer "gesamteuropäischen Lösung" ohne Obergrenze, in deutschen Medien derzeit als "Plan A" betitelt, fest.
Botschaft ist angekommen
Genau in diese Lücke zusätzlicher nationaler Maßnahmen stößt nun der Vorschlag von Julia Klöckner - "Plan A2" genannt. Die CDU-Vorsitzende aus Rheinland-Pfalz schlägt unter anderem "Grenzzentren" und tagesaktuelle Kontingente für Flüchtlinge vor. Die Zentren greifen einen alten CSU-Vorschlag nach "Transitzonen" auf, in denen grenznah Flüchtlinge untergebracht werden sollen, die nur geringe Chancen auf einen Asyl- oder Schutzstatus in Deutschland haben. So sollen diese Flüchtlinge erst gar nicht landesweit auf die Kommunen verteilt, sondern nach einem Schnellverfahren möglichst zurück in ihre Heimatländer geschickt werden. Tageskontingente wären, würde man sie summieren, dann doch so etwas wie eine Obergrenze. Passend dazu fiel die Reaktion des CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten, Horst Seehofer, aus: "Diese Transitzentren und die Kontingente mit nationaler Dimension - das ist alles richtig", so Seehofer. In Klöckners Plan stecke viel, was die CSU seit langem fordere.
Der zuletzt recht breite Graben zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik ist nach dieser Aussage wieder ein Stück schmaler geworden. Das wird auch die Stimmung bei der gemeinsamen Fraktionssitzung am Dienstag befrieden helfen. Bei der letzten Sitzung der 310 Bundestagsabgeordneten der Union war der Ton der Kritiker der Flüchtlingspolitik Merkels scharf. 44 Abgeordnete wollten Merkel mittels einer Kampfabstimmung in der Fraktion zur Korrektur zwingen. Sie machten dann aber doch einen Rückzieher - immerhin soll nun noch der gemeinsame Unmutsbrief überreicht werden. Der Graben verläuft quer durch die Reihen der CDU-Abgeordneten. Sie alle spüren den Druck der Parteibasis. Mittelfristig fürchten sie um ihren Platz im Parlament, sollten die Umfragewerte für die Partei weiter nach unten gehen.
Kein Plan-B
Ein echter Gegen-Entwurf zu Merkels Flüchtlingspolitik ist Klöckners Plan allerdings nicht. Das Verhältnis zwischen ihr und der Kanzlerin ist viel zu gut, als dass sie ihr so in den Rücken fallen würde. Merkel sei vom "Plan A2" vorab informiert worden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Klöckners Plan sei eine Partei-Initiative nach der Art: stellvertretende Parteivorsitzende macht Vorschlag an Parteichefin.
Zur Einordnung von Klöckners Vorschlag gehört auch, dass sie mitten im Wahlkampf steckt und derzeit gute aber noch keine sichere Aussicht auf einen Wahlsieg bei den Landtagswahlen in sieben Wochen in Rheinland-Pfalz hat. Da tut Medienöffentlichkeit immer gut. Klöckner selbst sagt, sie unterstütze ausdrücklich die Politik von Merkel. "Aber wir dürfen uns auch nicht abhängig machen von der Zustimmung aller EU-Mitglieder, sondern müssen parallel überlegen, was wir national tun können."
Bessere Registrierung
Ob das zweite Asylpaket in dieser Woche zumindest vom Kabinett beschlossen wird, ist noch immer offen. Das liegt vor allem an den Sozialdemokraten, die gegen Beschränkungen beim Familiennachzug für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge sind. Der Klöckner-Plan wird von SPD-Politikern als "Anti-Merkel-Plan" bezeichnet und abgelehnt. Kalkül dahinter könnte sein, die Kluft in der Union noch vergrößern zu wollen. Denn die Flüchtlingspolitik ist, anders als noch im Herbst, längst zum Feld parteipolitischer Profilierung geworden. Die "echten" Oppositionsparteien im Bundestag, Grüne und Linke, lehnen Klöckners Plan ganz ab.
Aufhorchen ließen am Montag Bemerkungen des Sprechers des Innenministeriums vor der Presse. Organisatorisch könnten an der Grenze in Bayern derzeit bis zu 3500 Flüchtlinge registriert werden. Bei 2000 Flüchtlingen täglich, so die aktuellen Zahlen, wäre damit zumindest theoretisch die "wilde Einreise" nach Deutschland wie noch im Herbst gestoppt. Allerdings gebe es noch immer eine Dunkelziffer von Flüchtlingen, die über die grüne Grenze einreisten - sich also nicht gleich registrieren ließen. Die registrierten Flüchtlinge aber würden sich in speziellen Lagern aufhalten, um von dort aus auf das ganze Land verteilt zu werden.