Was Protest und Architektur miteinander zu tun haben
Von Baumhäusern deutscher Klimaaktivisten über ein gigantisches Zeltcamp in Hongkong bis hin zum Barrikadendorf: Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) zeigt Beispiele von Protestarchitektur.
Lobau-bleibt!-Proteste, Österreich, 2021–2022
Eine Art Pyramide im Protestcamp "Wüste" (Foto) wurde zum Symbol der "Lobau-bleibt!"-Bewegung. Die Lobau, ein als schützenswert ausgewiesenes Auengebiet in der Nähe von Wien, wird schon lange von den Plänen der österreichischen Verkehrspolitik bedroht. Hier soll als Teil des Wiener Autobahnrings ein Tunnel gebaut werden.
Hambacher Forst, Deutschland, seit 2012
Braunkohle statt Wald: Jahrelang protestierten Klimaaktivisten gegen die Rodung des Hambacher Forsts. Sie konstruierten in luftiger Höhe eine Baumhaussiedlung mit Hängebrücken, Solarpaneelen und Heizöfen. Das Protestcamp am Rande des Tagebaus Garzweiler II wurde 2018 geräumt, danach entstand am selben Ort eine neue Generation von miteinander vernetzten Baumhäusern.
"Be Water", Hongkong, 2019–2020
Auch das ist eine Form von - mobiler - Architektur: eine Barrikade aus Masken, Helmen, selbstgebauten Schilden und Regenschirmen. So schützten sich Aktivisten in Hongkong vor Tränengas und Wasserwerfern. Ihr Motto: "Be Water" - sei so wenig greifbar wie Wasser. Die Proteste für mehr Demokratie waren also von "fluiden" Taktiken geprägt - um schneller auf Polizeiaktionen reagieren zu können.
Protestcamp "Povo Sem Medo", Brasilien, 2017–2018
Das Protestcamp "Povo sem Medo" ("Volk ohne Angst") in São Paulo war mit 33.000 Beteiligten und über 12.000 Hütten die bekannteste Aktion der Movimento dos Trabalhadores Sem Teto ("Bewegung der obdachlosen Arbeiter") und eine der größten in ganz Lateinamerika. Ziel der Bewegung ist es, leer stehende Gebäude und Flächen für Obdachlose und Arme nutzbar zu machen.
Umbrella Movement, Hongkong, 2014
Während der "Regenschirm-Revolution" 2014 gingen zehntausende Menschen in Hongkong auf die Straße, um für mehr Demokratie zu demonstrieren. Hier ein Protestcamp mit mehr als 2300 Zelten auf einer achtspurigen Straße im Finanzdistrikt. Während der dreimonatigen Besetzung wurde das Camp mit WiFi, gasbetriebenen Generatoren und Seminarräumen ausgestattet. Die Zelte wurden wie Hotelräume vermietet.
Majdan-Proteste, Ukraine, 2013-2014
Barrikaden aus Paletten, Sperrmüll, Autoreifen und Eis, um sich vor Angriffen der Polizei zu schützen: So sah es ab Dezember 2013 in Kiew aus. Zunächst hatten nur wenige Protestierende den symbolträchtigen Majdan Nesaleschnosti ("Platz der Unabhängigkeit" besetzt, doch daraus entstand eine breite Bewegung. Ihr Zentrum: das Protestcamp.
Gezi-Park-Proteste, Türkei 2013
Noch ein Beispiel eines Protestdorfes: Im Mai 2013 fanden in Istanbul im Gezi-Park Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt statt. Die Aktivisten rückten mit Matratzen, bunten Decken, Planen und hunderten Zelten an und blieben wochenlang. Der Park wurde so zu einem Symbol zivilgesellschaftlichen Widerstands.
Arabischer Frühling, Ägypten 2011
Von 2011 bis 2013 war der Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo immer wieder Schauplatz von Massenprotesten. Hier zu sehen: das Protestcamp auf dem sonst stark befahrenen Kreisverkehr während des "Arabischen Frühlings", so der Name für die Aufstände gegen die Herrscher. Ein textiles Zeltdach dient hier als Schutz gegen die Juli-Hitze.
Occupy Wall Street, New York, USA, 2011
Die "Occupy"-Bewegung kritisierte das Finanzsystem und soziale Ungleichheit. Protestierende besetzten den Zuccotti Park im Financial District von Manhattan in New York für neun Wochen und lösten damit die weltweite Protestbewegung aus. Das Camp entwickelte sich von einer offenen Struktur unter freiem Himmel zu einer dichten Stadt mit Privatzelten.
Hüttendorf Startbahn West, Frankfurt am Main, 1980-1981
Ein ganzes Hüttendorf aus Baumstämmen und Spannplatten entstand ab Mai 1980 im Flörsheimer Wald südwestlich von Frankfurt am Main. Die Erbauer protestierten gegen den Ausbau des Flughafens, ihr Dorf blockierte das Baugelände der "Startbahn West". Die Proteste waren Teil der wachsenden Umweltbewegung der 1970er und 1980er-Jahre.
Republik Freies Wendland, Gorleben, Deutschland, 1980
Am 3. Mai 1980 wurde durch eine Initiative der Anti-Atomkraft-Bewegung in der Nähe von Gorleben die Republik "Freies Wendland" ausgerufen. Einen Monat lang stand ein Hüttendorf auf einer Waldlichtung im Bereich eines geplanten Endlagers für radioaktiven Abfall. Am 4. Juni 1980 wurde das Dorf von Polizei und Bundesgrenzschutz geräumt. Hier nehmen zwei der Bewohner ihr Sonntagsbad.
1968, Resurrection City, Washington, DC, USA
Die "Poor People’s Campaign" von Martin Luther King hatte sich auf die Fahnen geschrieben, dass jeder Mensch genug Geld für ein würdiges Leben haben sollte. Dazu gehörte auch anständiger Wohnraum. Im Rahmen dieser Kampagne entstand 1968 ein sechswöchiges Protestcamp auf der National Mall in Washington. Ein Bauausschuss mehrerer Architekten wurde mit der Planung des Camps beauftragt.