Debatte nach Urteil zu Diesel-Fahrverboten
28. Februar 2018Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Diesel-Fahrverboten droht aus Sicht vieler Bundesländer eine Vielzahl von Prozessen und einzelnen Regelungen. Auch deshalb werden Forderungen nach einer bundesweit einheitlichen "blauen Plakette" lauter, um saubere, moderne Diesel von Fahrverboten auszunehmen.
Die SPD verlangt höhere Anreize der Autobauer, damit alte Dieselautos schneller aus dem Verkehr gezogen werden können. "Die von den Herstellern gezahlten Kaufprämien für Neufahrzeuge müssen von den Unternehmen erhöht werden", verlangen die SPD-Vizefraktionschefs im Bundestag, Sören Bartol, Matthias Miersch und Hubertus Heil. Dies sei nötig, "da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten können", heißt es in einem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Autobauer hatten solche Prämien nach dem Dieselgipfel im Sommer eingeführt. Besitzer eines alten Diesel bekommen bis zu 10.000 Euro Rabatt, wenn sie ihren Wagen verschrotten lassen und sich einen sauberen Neuwagen zulegen. Die Aktion läuft noch bis Ende März. Die beteiligten Konzerne VW, Ford und Daimler haben die Laufzeit schon einmal verlängert.
Vorschnelle Fahrverbote vermeiden
Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) sieht mit dem Leipziger Urteil die Kommunen nicht zu Fahrverboten gezwungen. Es sollte keinen Wettlauf geben, wer am schnellsten solche Verbote startet, sagte Schmidt gegenüber der ARD. Es müsse mit einem Mix intelligenter Lösungen gearbeitet werden. Dazu gehörten die Verbesserung des Nahverkehrs, neue Antriebe wie Elektro und Brennstoffzelle sowie Verbesserungen beim Diesel.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betonte, dass trotz des Urteils das politische Ziel weiterbestehe, Fahrverbote zu vermeiden. Falls sie kämen, wären sie "ja auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur als letztes Mittel gedacht", sagte sie dem ZDF. Für Anwohner, Handwerker und auch öffentliche Einsatzfahrzeuge wie die Feuerwehr könne es selbstverständlich Ausnahmen geben.
Entlastung der Verbraucher
Der für Verbraucherschutz zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat eine Entlastung der Autofahrer bei technischen Nachrüstungen gefordert. Die Autofahrer dürften "nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Autobranche", sagte Maas der "Rheinischen Post". "Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro 5- und Euro 6-Fahrzeuge technisch nachrüstet", sagte Maas.
CSU-Politiker Christian Schmidt betonte hingegen, Lösungen müssten ökologisch und ökonomisch darstellbar sein. Man sollte nicht in alte Autos investieren, sondern lieber neue Technologien nutzen. Zu einer blauen Plakette für neuere Diesel äußerte er sich ablehnend. Es gehe um Probleme in einzelnen Städten, deren Zahl sich ständig reduziere.
Angst vor "Mammut-Fahrverbotsbürokratie"
Der Städte- und Gemeindebund sieht nun auf Städte und Autobauer eine Prozessflut zukommen. Es bestehe nicht nur die Gefahr einer "Mammut-Fahrverbotsbürokratie", sondern es sei auch eine Prozessflut zu befürchten, mit der sich betroffene Dieselfahrzeug-Besitzer, aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverkehr leiden, zur Wehr setzen würden, gab der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in der "Rheinischen Post" zu Bedenken. Gerade weil das Gericht die Verhältnismäßigkeit und die Fahrverbote als allerletztes Mittel hervorgehoben habe, sei eine solche Entwicklung vorstellbar.
Auch das Handwerk ist wegen der möglichen Folgen alarmiert. Viele Betriebe "könnten es nicht verkraften, wenn sie gezwungen wären, ihre Flotte zu erneuern", sagte der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, dem "Handelsblatt". Die Autoindustrie müsse dafür einstehen, "da, wo manipuliert worden ist, kostenlos Hardwarelösungen anzubieten".
Der Fahrgastverband Pro Bahn wies darauf hin, dass auch nach dem Urteil die Frage offen bleibe, wie genau mehr Autofahrer zum Umsteigen auf öffentlichen Nahverkehr bewegt werden können.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am Dienstag nach jahrelangem Streit entschieden, dass Kommunen Straßen oder Gebiete für Dieselautos sperren dürfen. Dies muss aber der einzige Weg zum schnellen Einhalten von Grenzwerten zum Gesundheitsschutz sein.
bri /stu (dpa, rtr)