Was blieb von Rohanis Wahlversprechen?
Am 19. Mai wählt der Iran. Vor vier Jahren hatte Hassan Rohani seinen Anhängern eine Menge versprochen: die Entlassung politischer Gefangener, mehr Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung. Was konnte er durchsetzen?
Mehr Freiheiten
2013 gewann der als moderat geltende Geistliche Hassan Rohani mit großem Abstand die Präsidentschaftswahlen. In einem Bewerberfeld von acht Kandidaten erreichte er knapp 51 Prozent der Stimmen. Rohani galt vielen jungen Wählern, besonders unter den Frauen, als Hoffnungsträger – auch, weil Rohani mehr Freiheiten und die Versöhnung mit dem Westen versprochen hatte.
Eingeschränkte Macht
Der damals 64-Jährige wurde vom obersten Führer, Ajatollah Ali Chamenei, als Präsident bestätigt. Ajatollah Chamenei ist Staatsoberhaupt auf Lebenszeit. Sein Wort ist in der Islamischen Republik praktisch Gesetz. Die wichtigsten Ministerposten - Verteidigungs-, Informations-, Innen-, Kultur- und Außenminister - kann der Präsident nur in Absprache mit dem religiösen Führer besetzen.
"Eine Ruine"
Der frühere Amtsinhaber Mahmud Ahmadineschad übergab Rohani die Geschäfte. Der Hardliner hatte in seinen zwei Amtszeiten (2005 bis 2013) den Westen fortgesetzt provoziert. Mit Drohungen gegen Israel und dem Ausbau des Atomprogramms hat er das Land politisch und wirtschaftlich isoliert. Am Ende seiner Amtszeit lag die Inflation bei 40 Prozent. Rohani sagte später, er habe "eine Ruine" übernommen.
Kein Familienministerium
Aber auch Rohani selbst schaffte es schon bald, seine Anhänger zu enttäuschen. Schon bei der Kabinettsbildung wurde deutlich, dass er nicht alle Wahlversprechen einlösen kann. So hatte er den Frauen die Bildung eines Frauenministeriums versprochen und angekündigt, einige Ministerien von Frauen führen zu lassen. Ende August 2013 stellte er sein Kabinett vor: Es bestand nur aus Männern.
Raus aus der Isolation
Rohani und seine technokratische Regierung begannen zügig die Atomverhandlungen mit den UN-Vetomächten und Deutschland (5 + 1), um den Iran aus der Isolation zu führen. Rohanis Außenminister Mohammad Javad Zarif (links) und der Leiter der Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi - beide haben in den USA promoviert - waren maßgeblich am erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen beteiligt.
Vergebliche Hoffnung auf den Aufschwung
Nach der Einigung mit den 5+1 auf das Atomabkommen begann für den Iran ein neues Kapitel in seinen internationalen Beziehungen. Westliche Politiker reisten nach Teheran, um die wirtschaftlichen Verbindungen zu beleben. Doch Rohanis großes Versprechen ging nicht in Erfüllung: Dass mit der Aufhebung der internationalen Sanktionen die Wirtschaft in Schwung kommt und neue Arbeitsplätze entstehen.
Zweistellige Arbeitslosenquoten
Die Regierung konnte zwar die Inflation von mehr als 40 Prozent auf weniger als zehn Prozent senken. Die Arbeitslosigkeit bleibt mit offiziell zwölf Prozent aber weiter hoch. Die Quote bei jungen Menschen unter 25 Jahren liegt bei 26 Prozent. Der Iran ist eine junge Nation: Das Durchschnittsalter liegt bei 30 Jahren.
Fehlende Arbeitsplätze
Das Land müsste jedes Jahr rund 1,2 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, allein um die neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen aufzunehmen. Tatsächlich entsteht nur etwa die Hälfte. Die Wirtschaft hängt von Öleinkommen ab. Besonders schwer haben es Frauen: In einigen Teilen des Landes sind 70 Prozent arbeitslos. Dabei liegt ihr Anteil an den Universitäten knapp über 50 Prozent.
Versöhnung mit dem Westen
Nach der Einigung über das Atomprogram erlebt der Iran einen Boom als Reiseland. Vor allem Kulturreisende aus Europa und Amerika zieht es in das Land. Junge Iraner, stolz auf ihre viele tausend Jahre alte persische Kultur, freuen sich über diese Reisenden und die Gelegenheit, mit der Welt in Kontakt zu kommen. Für sie hat Rohani ein wichtiges Wahlversprechen einlöst – zumindest teilweise.
"Belästigung auf den Straßen"
Rohani hatte den Frauen versprochen, sich für ihre Belange einsetzen und "die Belästigung auf den Straßen" zu beenden. Aber nicht alle der mehr als 20 Organisationen, die für die Überwachung der Kleidervorschriften zuständig sind, stehen unter seiner Kontrolle. 2016 stellte der konservative Polizeichef von Teheran 7000 Frauen und Männer als "geheime Sittenpolizei" zur Kontrolle der Frauen ein.
Ein Lichtblick
Rohanis Stellvertreterin in Frauen- und Familienangelegenheiten hat viele Aktivistinnen im In- und Ausland positiv überrascht. Die Juristin Shahindokht Molaverdi - hier mit Papst Franziskus im Februar 2015 - fordert mehr politische Partizipation der Frauen im Iran. Unter den Konservativen ist sie deshalb eine der meist gehassten Frauen.
Eine Kulturreform
Rohani hatte für eine Kulturreform plädiert. Weder er noch sein Kulturminister würden sich von Warnungen aus dem konservativen Lager einschüchtern lassen, versprach er. Nach seiner Amtsübernahme aber stieg die Zahl willkürlicher Behinderungen von Kultur- und Musikveranstaltungen. Schlägertrupps der konservativen Geistlichkeit überfielen Konzerte und ließen die Musiker nicht auf die Bühne kommen.
Freilassung von Oppositionspolitikern
Rohani wollte der Unterdrückung von Oppositionellen ein Ende setzen. Vor allem hatte er versprochen, sich für die Freilassung der Oppositionspolitiker Mehdi Karubi, Mir Hossein Moussavi und dessen Frau Zahra Rahnavard einzusetzen. Alle drei stehen bis heute unter Hausarrest. Sie hatten 2009 Manipulationen bei der Präsidentschaftswahl beklagt.
Eine Bürgerrechts-Charta
Hassan Rohani hatte eine Bürgerrechts-Charta versprochen. Die sollte Freiheit und Bürgerrechte der Iraner garantieren. Im Dezember 2016 stellte Rohani seine Charta vor. Justizchef Sadegh Larijani machte seine Position schnell deutlich: Die Justiz brauche keine Nachhilfe. Justizminister Larijani ist ein vom religiösen Führer direkt eingesetzter konservativer Geistlicher.
Die Pressefreiheit
Unter Hassan Rohani gehört der Iran weiterhin zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit. Auf dem Index der Pressefreiheit in der Welt von 2016 rangiert der Iran auf Platz 169 von 195 Ländern. Die willkürliche Verhaftung von Journalisten, angeordnet von der konservativ dominierten Justiz, ging auch unter der gemäßigten Regierung von Hassan Rohani weiter.