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KonflikteSerbien

Was beabsichtigt Serbien mit der Aufrüstung seines Militärs?

5. November 2024

Serbien hat in den letzten Jahren seine Armee aufgerüstet und ist jetzt der militärisch stärkste Staat des Westbalkans. Die Nachbarstaaten sorgen sich vor den expansionistischen Absichten Belgrads.

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Ein serbisches Kampfflugzeug vom Typ MIG 29 steht auf einem Rollfeld. Davor stehen zwei Soldaten. Über dem Flugzeug schwebt ein Militärhubschrauber
Ein serbisches Kampfflugzeug vom Typ MIG 29 - die serbische Armee ist militärisch gut ausgestattetBild: Andrej Isakovic/AFP/Getty Images

Plant Serbien, seine Nachbarstaaten Kosovo und Bosnien und Herzegowina zu destabilisieren oder gar militärisch anzugreifen? Vor diesem Szenario warnten kürzlich Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani und ihr bosnischer Amtskollege Denis Becirovic.

Osmani sagte in einem TV-Interview im September, dass es für den Westbalkan Hoffnung gäbe, der EU und der NATO beizutreten, "aber die Voraussetzung hierfür ist, Serbien als das zu behandeln, was es ist: ein Satellitenstaat Russlands, der die militärische, wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Russland vertieft."

Becirovics Warnung vor Serbiens territorialen Begehrlichkeiten vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York war noch eindringlicher: "Ich möchte die Weltöffentlichkeit warnen, dass die Führung der Republik Serbien wieder einmal die Souveränität und territoriale Integrität von Bosnien und Herzegowina bedroht."

Belgrad rüstet auf

Tatsächlich rüstet Belgrad seit Jahren seine Streitkräfte massiv mit modernen Waffensystemen auf: Es wurden französische Kampfflugzeuge und russische Kampfhubschrauber angeschafft. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic pries diese als "fliegende Panzer".

Auch chinesische Flugabwehrsysteme, die kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine von Peking nach Belgrad geflogen wurden, gehören zum Arsenal. Zudem gab es Berichte, wonach Serbien tausende Drohnen aus dem Iran bezogen haben soll. Diese werden von Russland gegen ukrainische Städte eingesetzt.

Die britische Zeitschrift Economist schrieb schon 2021, dass Belgrads "Waffeneinkaufstour" seine Nachbarn ängstige. Das renommierte schwedische SIPRI-Institut für Konfliktforschung gab 2022 an, dass Belgrads Verteidigungsbudget mit 1,3 Milliarden Euro zehnmal so hoch sei wie die Ausgaben des Kosovos in diesem Bereich.

Ein Panzer vom Typ M 84 mit offener Luke steht am Straßenrand neben einem Park. Im Hintergrund sind die Häuser einer Stadt zu sehen
Ein Panzer vom Typ M 84 steht am Rand der serbischen Hauptstadt BelgradBild: Thomas Brey/dpa/picture alliance

Die militärische Übermacht Serbiens zeigt sich am Bestand von Kampfpanzern: Mit rund 250 Panzern besitzt Belgrad mehr als alle anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken zusammen. Zum Vergleich: die Bundeswehr hat 295.

Kroatien liegt mit 75 Exemplaren auf Platz zwei, Bosnien mit 45 auf Platz 3, gefolgt von Nordmazedonien mit 31. Weder Montenegro noch Kosovo verfügen über Panzer.

Dies ist wohl ein Grund, warum Kosovos kleine, sich im Aufbau befindlichen Streitkräfte letztes Jahr mit türkischen Drohnen des Typs Bayraktar, sowie dieses Jahr mit 250 amerikanischen Javelin-Panzerabwehrraketen ausgestattet wurden. 

"Serbische Welt"

Es stellt sich die Frage, wozu Belgrad über Jahre hinweg ein riesiges Waffenarsenal anhäuft, ohne dass es eine Bedrohungslage durch seine Nachbarn gibt. Schmiedet Präsident Vucic Angriffspläne gegen seine Nachbarländer, wie die kosovarische Präsidentin warnte?

Das lassen zumindest Erklärungen, Drohungen und Aktionen der serbischen Führung in Belgrad befürchten. Sie propagiert das Projekt der "Serbischen Welt", einer etwas abgespeckten Nachfolgeversion vom "Großserbien" des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic und stößt damit bei den Serben in den Nachbarländern Kosovo und Bosnien auf Resonanz.

Slobodan Milosevic (r), seine Frau Mirjana Markovic und der jugoslawische Ministerpräsident Momir Bulatovic sitzen in einem Saal bei der Feier zum Tag der Armee und applaudieren
Der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic und seine Frau Mirjana Markovic neben Ministerpräsident Momir Bulatovic (l.) am Tag der Armee am 15.06.1999Bild: picture alliance/dpa

Milosevic verstarb 2006 in der Haft des Haager UN-Kriegsverbrechertribunals. Um sein historisch-nationalistisches Ziel Serbiens umzusetzen - also die Vereinigung aller serbisch bewohnten Gebiete des ehemaligen Jugoslawiens - hatte er in den 1990er Jahren vier Kriege angezettelt, denen über 130.000 Menschen zum Opfer fielen.

Mehrere hohe serbische Regierungsmitglieder dienten bereits damals unter Milosevic, inklusive Präsident Aleksandar Vucic und Innenminister Ivica Dacic, die beide Milosevics Propaganda-Apparat leiteten.

"Allserbische" Versammlung

Anfang Juni 2024 hatte Vucic in Belgrad eine sogenannte "Allserbische Versammlung" mit Vertretern von Serben aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens geleitet. Bei dem Strategietreffen wurde in einer "Allserbischen Erklärung" quasi den Plan zur Umsetzung der "Serbischen Welt" formuliert.

Darin wird der Kosovo als Teil Serbiens bezeichnet und die Republika Srpska, also der serbisch-dominierte Teil Bosnien und Herzegowinas, als "nationales Interesse Serbiens".

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic steht mit offenem Hemd und kariertem Sacko an einem Rednerpult und spricht, während er gestikuliert. Hinter ihm sind Menschen in Trachten zu sehen
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic spricht während der "Allserbischen Versammlung" im Juni 2024Bild: Darko Vojinovic/AP/dpa/picture alliance

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin verurteilte dies ungewöhnlich scharf. Die Bundesregierung finde die "Allserbische Erklärung sehr besorgniserregend und schädlich für Bosnien und Herzegowina, für Serbien und für alle Länder des Westlichen Balkans", heißt es in dem Statement.

Bosniens Präsident Becirovic kommentierte das Belgrader Treffen in seiner Rede vor den Vereinten Nationen folgendermaßen: "Die destruktive Deklaration der sogenannten Allserbischen Versammlung, die am 8. Juni dieses Jahres in Belgrad verabschiedet wurde, ist [...] nicht nur ein deklarativer Akt, sondern ein gefährliches großstaatliches Dokument."

Krieg auf dem Balkan?

Keines der Nachbarländer, die anscheinend im Visier von Belgrads territorialen Begehrlichkeiten stehen, verfügt über "kriegstüchtige" Streitkräfte. Ohne den Schutz der beiden westlichen Friedensmissionen der NATO im Kosovo (KFOR) und der EU in Bosnien (EUFOR/Althea) wären sie eine leichte Beute für einen möglichen aggressiven Expansionismus Belgrads.

In den vergangenen Jahren hatten mehrere serbische Truppenaufmärsche an der Grenze zu Kosovo und der Überfall einer serbischen paramilitärischen Einheit auf kosovarische Sicherheitskräfte für Aufsehen und Unruhe gesorgt. Denn mittels solcher serbischer paramilitärischer Angriffe hatte 1991 der Krieg in Kroatien und ein Jahr später in Bosnien begonnen.

Zwei kosovarische Polizisten stehen am geschlossenen Grenzübergang zwischen Kosovo und Serbien. Im Vordergrund ist ein Durchfahrtverbotsschild mit der Aufschrift Police zu sehen.
Geschlossener Grenzübergang zwischen Kosovo und Serbien nach Spannungen an der GrenzeBild: Visar Kryeziu/dpa/AP/picture alliance

Diese letzten militärischen Vorfälle könnten Testballons Belgrads gewesen sein. Da jedoch die Reaktionen der USA und der NATO sehr schnell und scharf ausfielen, wich Belgrad zurück.

Im August 2024 intervenierte Washington erneut, diesmal mit dem Direktor der CIA, William Burns, der extra nach Bosnien und Herzegowina kam, um die separatistischen Aktionen des bosnischen Serbenführers Milorad Dodik zu stoppen. Denn dieser hatte mehrfach Schritte zur Ausrufung der Unabhängigkeit der Republika Srpska initiiert und tausende Paramilitärs ausgerüstet.

Politiker in der Hauptstadt Sarajevo bereiten sich darauf vor, dass die Republika Srpska die Abspaltung vorantreiben könnte. Sollte es dann zum bewaffneten Konflikt kommen und die bosnischen Serben militärisch unter Druck geraten, ist es durchaus wahrscheinlich, dass Belgrad seine Panzer zu deren Rettung nach Bosnien senden könnte. 

Ein neuer Krieg auf dem Balkan ist also nicht ausgeschlossen. Und sollte in Washington Donald Trump wieder die Macht übernehmen, ist völlig offen, wie sich die Supermacht USA in einem solchen Fall verhalten würde. Ein aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Außenministers ist der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. Zusammen mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner hat er massive geschäftliche Interessen in Serbien.

Porträt eines Mannes im Anzug mit Brille vor weiß-beigem Hintergrund
Alexander Rhotert Diplom-Politikwissenschaftler, Autor und Westbalkan-Experte